Disput über wissenschaftliche Methodik bei der Untersuchung von Geschlechterrollen in einer fremden Kultur

This site may earn a commission from merchant affiliate links, including eBay, Amazon, and others.

Fifill

Well-known member
Registriert
30. Juni 2020
Beiträge
346
Reaktionspunkte
269
In einem von mir begonnenen Thread ist ein engagierter bis verbissener Disput über die wissenschaftliche Methodik bei der Untersuchung von Geschlechterrollen entstanden (siehe hier). Da die entstandene Diskussion den Themenrahmen des Ursprungs-Threads sprengt, sich aber m.E. um einen wesentlich Knackpunkt bei der Betrachtung von Geschlechterrollen dreht, schlage ich vor, die Diskussion in diesem neuen Thread fortzusetzen. (Ein weiterer Grund ist, dass ich den Vorwurf, meine (Gegen-)Argumentation sei "polemisches Geschwurbel" mit "Bildzeitungs-Niveau" so nicht auf mir sitzen lassen möchte. 8o ) Falls ein Akademiker mit Erfahrung im Bereich der wissenschaftlichen Methodik hier mitliest, wäre ich sehr dankbar für Hinweise hinsichtlich der methodischen Korrektheit der vorgebrachten Argumentation (meiner eigenen genauso wie der meiner Diskussionspartner). Hinweis an alle Zuschauer und Freunde des akademischen Schlamm-Catchens: Popcornkrümel auf dem Boden dieses Threads müssen vom Verursacher selbst aufgefegt werden. :p Ich versuche mal kurz und knapp die Schritte zusammenzufassen, in denen sich die bisherige Diskussion entwickelt hat. (@Hendrik1975: Korrigiere mich bitte, wenn ich dabei etwas unzutreffend wiedergeben oder versehentlich etwas auslassen sollte.) Ausgangspunkt war die folgenden Behauptung: Hendrik: Crossdressing und/oder Transgender ist für die Gesellschaftsformen des Frühmittelalters sehr unwahrscheinlich. Ilka (Fifill): Auf welcher Basis kommst du zu der Aussage, Crossdressing und/oder Transgender sei für die Gesellschaftsformen des Frühmittelalters sehr unwahrscheinlich? H.: Das Prinzip der größten Wahrscheinlichkeit besagt, dass ein frühmittelalterlicher skandinavischer Mann in Frauenkleidung nicht der gesellschaftlichen Norm seiner Zeit und seiner sozialen Gruppe entsprach, und deswegen mit Nicht-Akzeptanz und Ausgrenzung zu rechnen hatte. Dies hatte in der damaligen Zeit wesentlich gravierendere Konsequenzen als heute, da der Einzelne zum Überleben in viel größerem Maße auf die Gruppe angewiesen war. I.: Die von dir als wahrscheinlich angenommene, ablehnende Reaktion der Gruppe auf einen Mann in Frauenkleidung beruht auf der Sichtweise unseres binären Geschlechtermodells, in dem außer den beiden binären (m/w) alle weiteren Geschlechtsvarianten außerhalb der Norm liegen. Es gibt jedoch viele Beispiele von Kulturen, in denen 3 oder mehr Geschlechterrollen existiert haben und z.T. bis heute existieren. In vielen dieser Kulturen gibt die 3. Geschlechtsrolle Menschen einen anerkannten Platz in der Gesellschaft, bei denen "***" und "Gender" nicht übereinstimmen. In solch einem Geschlechtermodell bedeutet Crossdressing also nicht automatisch, dass man aus der Gesellschaft ausgegrenzt wird. (Diesen Zusammenhang habe ich im Original-Thread möglicherweise nicht hinreichend ausführlich formuliert.) Nachträgliche Ergänzung zu diesem Punkt der Diskussion: Die Frage an dieser Stelle lautet: Auf welcher Basis glaubst du annehmen zu können, dass ein binäres Geschlechtermodell die wahrscheinlichste Möglichkeit ist? H.: Das klassische (biologische) Geschlechtermodell der Natur ist ein binäres. Bei einer unbekannten Kultur, in der zwei biologische Geschlechter vorherrschen, geht man bis zum Beweis des Gegenteils von der einfachsten Erklärung aus. Zwei biologische Geschlechter, ergo zwei Geschlechterrollen. Die darüber hinaus gehende Definition von weiteren Geschlechtern bzw. Geschlechterrollen setzt einen bewussten schöpferischen Akt eines Individuums mit Intelligenz und Ich-Bewusstsein voraus. Deswegen muss die Schlussfolgerung nicht lauten 'beweise mir, dass auch die Kultur der Wikinger der Norm entsprach', sondern genau umgekehrt. I.: Die Argumentation aufgrund der biologischen Geschlechterstruktur der Spezies Mensch greift zu kurz angesichts der Komplexität des Phänomens der Geschlechterrollen, welches weit über die biologischen Aspekte hinausgeht. Grundsätzlich sind Geschlechterrollen immer ein Gedankenkonstrukt der jeweiligen Gesellschaft, mit der diese die Realität in der ein oder anderen Weise interpretiert. Nachträgliche Ergänzung zu diesem Punkt der Diskussion: die Forderung an dieser Stelle muss nicht lauten 'beweise mir, dass auch die Kultur der Wikinger der Norm entsprach', sondern 'beweise mir, dass das binäre Geschlechterkonzept die Norm ist'. An diesem Punkt haben wir dann glaube ich angefangen, uns im Kreis zu drehen und die schon vorgebrachten Argumente zu wiederholen. Fortführung der Diskussion Ich bin nach wie vor der Ansicht, dass ein binäres Geschlechtermodell nicht als die Norm angenommen werden kann. Neben den schon aufgeführten Beispielen von alternativen nichtbinären Geschlechtermodellen [Siehe u.a. hier – Quelle Wikipedia], möchte ich dazu nun einige wesentliche Punkte aus dem Wikipedia-Artikel über Geschlechterrollen zitieren. (Wer glaubt, ich hätte diese aus dem Zusammenhang gerissen, muss den Artikel wohl oder übel selber lesen und es mir nachweisen. :p ) "Heute wird soziologisch und psychologisch zunehmend Geschlecht und Gender nicht mehr gleichgesetzt, um die kulturell und gesellschaftlich vorgegebenen Geschlechterrollen von den biologischen Gegebenheiten zu unterscheiden." "Bisher sind keine Kulturen ohne Geschlechterrollen bekannt. Sie sind je historisch entstanden und einem ständigen Wandel unterworfen; lediglich die unterschiedlichen biologischen Rollen von Frauen und Männern bei der Fortpflanzung wurden bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts nicht in Frage gestellt." "Der kulturelle Aspekt der Geschlechtsrollen ist sehr breit gefächert. Auch wenn Haupttendenzen erkennbar sind, sind doch fast alle Möglichkeiten der kulturellen Aufgabenteilung irgendwo und irgendwann praktiziert worden." Einwurf: An dieser Stelle ist von 'Haupttendenzen' die Rede, bei denen man vermuten kann, dass auch das binäre Geschlechterkonzept darunter fällt. 'Haupttendenz' ist aber weit weg von 'Norm' und ganz gewiss nicht damit gleichzusetzen. "Umgangssprachlich wird weitgehend die Bezeichnung „Geschlechterrolle“ verwendet, seltener „Geschlechtsrolle“. Damit geht meist ein wenig differenzierteres Konzept von Geschlecht als biopsychosozialer Kategorie sozialer Ordnung und sozialer Differenzierung einher. Teilweise sind dabei differenziertere Fachbegriffe nicht nur unbekannt, sondern wirken für die eigene Identität bedrohlich und werden abgelehnt. Im Vergleich zu den mittlerweile hoch differenzierten Fachbegriffen erscheinen auf das Geschlecht bezogene Bezeichnungen der Alltagssprache oftmals als unterkomplex oder als „naive, simplifizierende Vorstellung von Geschlecht als naturhafte, unveränderliche, an-sich-so-seiende Tatsache jenseits sozialer, kultureller und spezifisch historischer Bedingtheiten“ (Hark/Villa 2015)." Mit diesen Grundaussagen zum Begriff und Phänomen der Geschlechterrollen sehe ich die Annahme hinreichend widerlegt, der zufolge das binäre Geschlechterkonzept die "Norm" und damit am wahrscheinlichsten sei. Was bedeutet das nun für die Untersuchung der Geschlechterrollen einer fremden Kultur, deren Geschlechtermodell sich nicht aus den gleichen Wurzeln entwickelt hat wie das unsrige? Da es bei der Entwicklung von kulturspezifischen Geschlechtermodellen offenbar keine 'Norm' gibt, muss ich zunächst einmal alle Möglichkeiten in Betracht ziehen, bis ich ausreichend Indizien aus der jeweiligen Kultur gefunden habe, um bestimmte Möglichkeiten als wahrscheinlicher als andere einzustufen. Hinsichtlich des europäischen Mittelalters sehe ich diese offene Herangehensweise insbesondere für all jene Kulturen als dringend angebracht, die sich nicht aus der römisch-griechischen und der jüdisch-christlichen Tradition heraus entwickelt haben. (In diesen beiden Strömungen sehe ich den Ursprung unseres heute vorherrschenden binären Geschlechterkonzeptes.) Dies trifft aus meiner Sicht insbesondere auf die vorchristlichen Kulturen germanischen und keltischen Ursprungs zu, zu denen u.a. auch die im wikingerzeitlichen Skandinavien gehören. Ich wünsche mir bei der Diskussion von kulturellen und gesellschaftlichen Phänomene im Mittelalter ein ähnlich hohes und wissenaftsbasiertes Niveau wie bei den 'A'-Diskussionen mit Blick auf die damalige Sachkultur. Mit freundlich-frechem Grinsen Ilka :D
 
Da Du Dich mit der Materie ziemlich sicher wesentlich länger und intensiver beschäftigt hast als jeder andere hier im Forum, kannst Du uns natürlich auch mit Quellen solange 'tot werfen', bis die keiner mehr nachprüfen will ;-) Ist jetzt auch nicht böse gemeint, ich habe großen Respekt vor jedem, der sich mit einem Thema intensiv und leidenschaftlich auseinander setzt. Nur kann jeder Fachmann einen Laien spielend an die Wand diskutieren, weil dem einfach die Hintergrundinfos und auch das Verständnis fehlt. Die Kunst würde nun darin bestehen, einen Laien fachlich so zu überzeugen, dass der es mit seinem begrenzten Horizont auch verstehen kann. Allerdings übersteigen so Feinheiten wie 'Geschlechtsrolle' vs. 'Geschlechterrolle' zumindest meine Bereitschaft, mich damit auseinander zu setzen. Dafür fehlt mir die Zeit, und ganz ehrlich gesagt auch die Motivation. Dafür berührt mich das Thema für meine Darstellungen einfach zu wenig. Deswegen noch einmal ganz zurück zu meinem ersten Kommentar, der ja Auslöser war. Wenn also nun kluge Köpfe heraus gefunden haben, dass es in jeder Kultur und zu jeder Zeit mehr als zwei Geschlechts/Geschlechter-Rollen gegeben haben mag, dann soll das so sein. Was mir dazu allerdings noch unklar ist, ist die Rezeption und Akzeptanz dieser Rollen innerhalb der jeweiligen Gesellschaft. Nehmen wir dazu einfach mal die Homosexualität, die dürfte für einen Außenstehenden vermutlich greifbarer sein. Über einen langen Zeitraum hinweg und aus diversen Kulturen wird von Homosexualität berichtet. Sie scheint also als Ausprägung (wenn dieser Begriff falsch ist, sieh es mir bitte nach, Du weißt vermutlich, wie ich es meine) neben der Heterosexualität stets und überall existent gewesen zu sein. Diese Existenz als solche wird auch vermutlich niemand ernsthaft in Frage stellen. Wir können also vermutlich guten Gewissens behaupten, dass sie auch bei unbekannten Kulturen auftreten könnte/würde/müsste. Es scheint also durchaus 'normal' zu sein, dass ein gewisser Teil einer Bevölkerung homosexuelle statt heterosexuelle Ausrichtung zeigt. Was hierzu allerdings fehlt, ist die prozentuale Verteilung in der Gesellschaft. Ohne konkrete Zahlen parat zu haben (könnte ich nachschlagen, ist aber für die Argumentation unerheblich) liegt die Verteilung zwischen beiden deutlich auf der Seite der Heterosexualität. Die meisten Menschen dürften deswegen die Heterosexualität als 'Norm' ansehen, und die Homosexualität als 'Ausnahme'. Jetzt wieder zurück zu meinem ersten Kommentar. Aus der reinen Existenz darf man - nach meinem Verständnis - keine uneingeschränkte Akzeptanz innerhalb der Gesellschaft ableiten. Verglichen mit 'heute': in einigen Ländern dieser Erde ist die Akzeptanz der Homosexualität deutlich höher als in anderen. In einigen Ländern kann die frei ausgelebt werden, und wird auch von breiten Teilen der Bevölkerung toleriert/akzeptiert, in anderen Ländern erwartet einen dafür die Todesstrafe. Auch hier bitte keine Spitzfindigkeiten, sondern als kleinsten gemeinsamen Nenner in der Wahrnehmung verstehen. Auch wenn Transgender/Transsexualität/Crossdressing/Rollentausch/Rollenwechsel im Frühmittelalterlichen Nordeuropa als denkbar gelten kann, sagt dies - erst einmal - noch nichts darüber aus, ob die Gesellschaft deren Ausleben akzeptiert, gefördert, oder gar gebannt hat. Jede Kultur geht damit anders um. Welcher Umstand lässt nun den Schluss zu, dass 'die Wikis' (viel zu pauschal, weiß ich selbst, ist am Handy aber schneller zu tippen als die Frühmittelalterlichen Menschen des Skandinavischen Raums ^^) dies gefördert statt verteufelt haben? Meine gedankliche Kette war / ist folgende: 1) Existenz - möglicherweise denkbar 2) Existenz ist nicht zwingend gleichbedeutend mit Akzeptanz 3) 'Norm' ist in der Rezeption fast immer das, was innerhalb einer Kultur prozentual am stärksten vertreten ist 4) Minderheiten bewegen sich außerhalb der Norm bzw. parallel dazu 5) die Gruppenstrukturen des Frühmittelalters förderten Konformität mit der Gruppe 6) Strömungen außerhalb der Gruppennormen konnten (und waren es vermutlich auch) eher unerwünscht sein 7) Ergo: bis zum Nachweis des Gegenteils erachte ich das Ausleben der o.g. Punkte als eher unwahrscheinlich PS: Die Schildmaiden widersprechen ein wenig den Gesetzen, die Frauen das Tragen von Männerkleidung sowie das Führen von Waffen bei Strafe verboten. Welche Sichtweise stimmt nun?
 
Meine gedankliche Kette war / ist folgende: 1) Existenz - möglicherweise denkbar 2) Existenz ist nicht zwingend gleichbedeutend mit Akzeptanz 3) 'Norm' ist in der Rezeption fast immer das, was innerhalb einer Kultur prozentual am stärksten vertreten ist 4) Minderheiten bewegen sich außerhalb der Norm bzw. parallel dazu 5) die Gruppenstrukturen des Frühmittelalters förderten Konformität mit der Gruppe 6) Strömungen außerhalb der Gruppennormen konnten (und waren es vermutlich auch) eher unerwünscht sein 7) Ergo: bis zum Nachweis des Gegenteils erachte ich das Ausleben der o.g. Punkte als eher unwahrscheinlich
So ist meine auch. Und Nepal, die Philippinen oder das Antike Griechenland als Begründung heranzuziehen, halte ich für durchaus gewagt.
 
Leider fehlt mir für eine ausführliche Teilnahme an dieser Diskussion die Zeit, daher nur kurz zur Methodik (ich lege hier nur die geschichtswissenschaftliche Methodik zu Grunde, von beispielsweise sozialwissenschaftlicher Herangehensweise habe ich keine Ahnung): Du stellst ja eine Hypothese auf, bzw. widersprichst der Hypothese, Crossdressing und Transgender seien für eine bestimmte frühmittelalterliche Gesellschaft unwahrscheinlich. Zur Beantwortung dieser Fragestellung musst Du jetzt Beweise finden, also Quellenforschung betreiben, deine Ergebnisse in einen Kontext und miteinander in Beziehung setzen und entsprechend abwägend auswerten. Die Gefahr ist hier, dass man sich zu sehr auf ein gewünschtes Ergebnis versteift und sozusagen versucht, eine "gefühlte Tatsache" zu beweisen. Das passiert Dir hier gerade, Fifill. Du probierst eine Beweisführung aus, die nicht zielführend für die Anfangshypothese ist, denn Du greifst zumeist auf eine Vielzahl unterschiedlicher Äußerungen und Abhandlungen zurück, die einen anderen Gegenstand beleuchten. In den meisten Fällen kann man allerdings nicht einfach Parallelen ziehen oder diese Ergebnisse auf den eigenen Gegenstand übertragen. Eine weitere Gefahr ist, sich über Begrifflichkeiten und Begriffsdefinitionen einen Ausweg zu bauen. In dieser Hinsicht läufst Du auch Gefahr, ins unwissenschaftliche abzudriften, wenn Du ein Phänomen nur anhand verschiedener "Grundaussagen" annimmst oder widerlegst. Mäh, jetzt muss ich Dinge frittieren, sonst gibt es Ärger... vielleicht komme ich später noch dazu, mit Beispielen zu untermauern. Verzeihung!
 
@Bobbin: Ich glaube, es liegt nach wie vor ein Missverständnis vor. Meine Absicht war nicht, der Aussage "Crossdressing und Transgender sind für eine bestimmte frühmittelalterliche Gesellschaft unwahrscheinlich" grundsätzlich zu widersprechen, sondern zu hinterfragen, auf welcher Basis diese Aussage zustande gekommen ist. Ich schreibe gerade an einem Post, in dem ich nochmal versuche, die Missverständnisse aufzuspüren und aufzuklären. Bis dahin erstmal "Frohe Frittieren!" ;)
 
Da Du Dich mit der Materie ziemlich sicher wesentlich länger und intensiver beschäftigt hast als jeder andere hier im Forum, kannst Du uns natürlich auch mit Quellen solange 'tot werfen', bis die keiner mehr nachprüfen will ;-) Ist jetzt auch nicht böse gemeint, ich habe großen Respekt vor jedem, der sich mit einem Thema intensiv und leidenschaftlich auseinander setzt. Nur kann jeder Fachmann einen Laien spielend an die Wand diskutieren, weil dem einfach die Hintergrundinfos und auch das Verständnis fehlt.
Ich wollte sicher niemanden an die Wand Diskutieren oder gar mit Quellen 'tot werfen' und bedaure, wenn es doch passiert sein sollte. :( Wenn man mich allerdings auf die Palme bringt (was Hendrik mit der "Bildzeitungs-Niveau"-Bemerkung gelungen ist), kann es passieren, dass ich mit Kokosnüssen werfe. ^^ So, ich komm jetzt wieder von meiner Palme runtergeklettert und verteile Kokosnüsse mit Strohhalm drin als Erfrischungstrunk an all die engagierten Diskussionsteilnehmer - allen voran Hendrik, dem ich noch mal sehr herzlich für die trotz aller Leidenschaft durchweg sachliche Diskussion danke!
Die Kunst würde nun darin bestehen, einen Laien fachlich so zu überzeugen, dass der es mit seinem begrenzten Horizont auch verstehen kann.
Da gebe ich dir vollkommen recht und das ist eigentlich auch mein Wunsch und Anliegen. Ich sehe, dass mir das bei diesem Thema bislang nicht gelungen ist. (Leider funktioniert mein 'Erklärmodul' in der Hitze der Debatte nicht so gut. || ) Ich versuche gerade nochmal die Missverständnisse in unserer Diskussion aufzuspüren und weiter aufzuklären. Wird nach der Schweinefütterung (ok... Meerschweinchenfütterung) fortgesetzt… :bye01
 
So ist meine auch. Und Nepal, die Philippinen oder das Antike Griechenland als Begründung heranzuziehen, halte ich für durchaus gewagt.
Wäre auch nicht zielführend. Mit·tel·al·ter /ˈmɪtl̩|altɐ,Míttelalter/ Substantiv, Neutrum [das]
  1. 1.Zeitraum zwischen Altertum und Neuzeit (in der europäischen Kultur) MA."im hohen, frühen, späten Mittelalter"
 
Der Versuch die eigenen Thesen zu falsifizieren zeichnet mMn die besseren wissenschaftlichen Arbeiten aus. Ansonsten sehe ich das nicht wirklich als "ergebnisoffene" (Nach-)Forschung...
 
Die Kokosnuss nehme ich gerne an prost1 Nur noch mal zur Sicherheit, weil das geschriebene Wort beim Gegenüber immer anders ankommen kann, als es gemeint war: @Fifill - weder die Polemik noch die Bildzeitung waren als persönlicher Angriff gemeint. Wenn es so rüber kam, muss ich das auf meine Kappe nehmen und mich entschuldigen. Bei sämtlichen Mittelalterthemen trifft man relativ häufig auf Menschen, die eine vorgefertigte Meinung oder ein Wunschbild der Realität haben. Dieses versuchen sie dann mit teilweise haarsträubenden 'Argumenten' und dubiosen Quellen zu belegen und zu rechtfertigen. Gleichzeitig wird jede Kritik an dieser Herangehensweise und jede seriöse Quelle kategorisch abgeblockt. Auf Dauer nervt das extrem, weil sich das Spiel immer und immer wieder wiederholt. Da kann ich ein Lied von singen, denn anfangs war ich genauso doof und habe dafür (auch hier im Forum) gehörig eins auf den Deckel bekommen ;-) Nachträglich betrachtet völlig zu Recht. Und ich bin allen Menschen hier sehr dankbar dafür, mir trotzdem seriös geantwortet zu haben, und immer noch mit mit mir zu reden ^^ Einen ähnlichen Eindruck hatte/habe ich stellenweise auch bei Dir. In manchen Punkten entsteht bei mir der leise Verdacht auf eine feste Meinung zu einem Wunschbild, welches mit aller Macht versucht wird zu rechtfertigen. Es ist toll (ehrliche Anerkennung, soll nicht ironisch gemeint sein), dass Du zu allem und jedem eine Quelle oder Abhandlung parat hast. Finde ich wirklich gut, weil ich zu den Leuten gehöre, die manche Details 'irgendwo mal in einer Quelle gelesen haben', den Beleg dafür aber nicht so mal eben aus dem Ärmel schütteln können. Nur versteh' bitte auch die 'Gegenseite'. Die von Dir behandelte Thematik ist für einen Außenstehenden nur schwer nachvollziehbar. Die Erfahrung beschränkt sich meist auf marginale Berührungen damit. Deine ersten Quellen habe ich mir noch angeschaut. So ein Academia-Artikel mit einer Handvoll Seiten ist ja auch schnell gelesen. Total interessant, weil völlig neue Thematik. Mag ich. Nur irgendwann bin ich gedanklich ausgestiegen. So Feinheiten wie GeschlechtS- oder GeschlechtER-Rollen übersteigen meinen Horizont (völlig unbekanntes Thema und so), da kann (und will) ich auch nicht mehr mitreden. Deswegen entstand ab einem gewissen Punkt der Eindruck, Du möchtest bestimmte (vorgefasste) Meinungen mit Belegen 'rechtfertigen', die der Gegenüber eh nicht begreifen kann. Stichwort: an die Wand diskutieren. Siehe oben - Wenn man sowas in dieser Art oft genug erlebt hat, entwickelt man eine gewisse Allergie gegen diese Methoden ;-) Nimm solche Kommentare dann bitte nicht als Kritik an der Person (es steht mir überhaupt nicht zu, Dich persönlich zu beurteilen), sondern lediglich als Kritik an der Argumentationsweise. So, meine Kokosnuss ist leer, ich hätte gerne die nächste :thumbsup:
 
Ihr schreibt hier Seiten voll mit irgendwelchen Spekulationen - wie viele Quellen von Crossdressern im mittelalterlichen Europa gibt es denn nun? Warum sollen jetzt Crossdresser anders behandelt werden als Hörnerhelme?
 
:eek:ff1 ...weil Hörnerhelme nachgewiesen sind :D Zwei sehr gut erhaltene Stücke die für angeblich kultische Zwecke benutzt wurden hat man 1942 bei Veksö auf Nordseeland gefunden und sie sind jetzt im dänischen National Museum in Kopenhagen zu sehen.
 
Der Versuch die eigenen Thesen zu falsifizieren zeichnet mMn die besseren wissenschaftlichen Arbeiten aus. Ansonsten sehe ich das nicht wirklich als "ergebnisoffene" (Nach-)Forschung...
Das ist ein wichtiger Punkt, der hier eben bislang fehlt, oder zumindest nicht prägnant genug zu Tage tritt. Um nochmal zu einem Beispiel zu kommen: Du hattest ja diese Musterungslisten unter einer bestimmten Fragestellung untersucht. Das ist ja schon mal sinnvolle Quellenarbeit, erst einmal zu schauen, gibt es überhaupt irgendwo Frauen in Männerrollen. Du hast zumindest einige wenige weibliche Namen gefunden, das ist doch schon einmal spannend. Jetzt darf das allerdings nicht sofort als beweisführende Antwort auf deine Fragestellung herangezogen werden, sondern muss sorgfältig in dem jeweiligen Kontext beurteilt werden. Das bedeutet, jetzt müsste erstmal erforscht werden, unter welchen Umständen diese Namen dort auftauchen, sie sind schließlich im Hinblick auf das Ganze eine Besonderheit. Und möglicherweise bekommst Du dann am Ende eine Antwort auf eine Fragestellung, die sich für einen einzigen Fall plausibel beantworten lässt. Diese kannst Du dann aber auf gar keinen Fall verallgemeinern. Dazu müsstest Du dann eine, wie Hendrik schon angesprochen hat, wirklich repräsentative Zahl Fälle mit annähernd gleichem Ergebnis finden, um für einen bestimmten Zeitpunkt, aus dem diese Fälle stammen, eine Aussage treffen zu können. Und damit sind wir bei einem weiteren wichtigen Punkt: Eine wissenschaftliche Fragestellung sollte möglichst präzise und eng gefasst sein, eben weil man Dinge nicht einfach frei voneinander ableiten und mit Beispielen aus anderen Kontexten begründen kann. Zum Beispiel wäre eine Fragestellung nach der Art: "Das Bild der Frau im Mittelalter", unmöglich zu beantworten. Das führt uns zur nächsten Schwierigkeit, die deine Motivation betrifft. Man kann nicht herausfinden, "wie es wirklich wahr". Wir können uns immer nur mit den uns zur Verfügung stehenden Quellen und Forschungsmethoden annähern und durch Interpretation eine mögliche (nicht wirklichen) Rekonstruktion von Geschichte erzielen. Und möglicherweise muss dann auch klar werden, dass ein erhofftes Ergebnis einfach nicht zustande zu bringen ist. Wichtig ist auch immer zu wissen: Geschichte ist ein Konstrukt. Je nachdem wer wann wie wo und mit welcher Absicht an die Quellenarbeit geht, wird es unterschiedliche Ergebnisse geben. Fazit: Dass Du in fachwissenschaftlicher Literatur recherchierst ist ein sehr guter Anfang. Die Herangehensweise musst Du allerdings noch anpassen, vor allem deine Fragestellung konkretisieren, damit deine Arbeit auch methodisch wissenschaftlich bleibt und nicht in eine Fantasiekonstruktion abdriftet. So, einiges wurde ja schon zuvor gesagt und ich weiß jetzt auch gar nicht mehr, ob ich überhaupt noch treffend auf dich geantwortet habe und nicht einiges schon wieder obsolet ist, aber vielleicht hilft das ja nochmal ein bisschen bei deiner historischen Forschungsarbeit.
 
:eek:ff1 ...weil Hörnerhelme nachgewiesen sind :D Zwei sehr gut erhaltene Stücke die für angeblich kultische Zwecke benutzt wurden hat man 1942 bei Veksö auf Nordseeland gefunden und sie sind jetzt im dänischen National Museum in Kopenhagen zu sehen.
Haste recht, aber darauf wollte ich nicht hinaus. Wenn es konkrete Quellen für Crossdresser gibt, hat man ja was zum Diskutieren und muss nicht in einer trüben Geschichtssuppe Begriffsdefinitionsspielchen spielen...
 
Ventris und Bobbin haben völlig recht. Wir verlieren uns hier in einem Sumpf an Definitionen und Haarspaltereien. So komplex die Thematik auch sein mag - ohne eine Reduktion auf die Kernpunkte wird hier nichts bei rum kommen. Du bekommst dann irgendwann keine Antworten mehr, weil hier keiner mehr durchblickt. Schau - man kann jedem Laien selbst die allgemeine und spezielle Relativitätstheorie so stark vereinfacht erklären, dass er sie in seinen Grundzügen verstehen wird. Hier ist ein schöner Beitrag dazu, den ich eben entdeckt habe: https://inforo1300.wordpress.com/20...uktion-keine-ausrede-fur-falschdarstellungen/ Kleiner Nachsatz noch: Du hattest eingangs mal angemerkt, dass wir unsere heutigen Maßstäbe nicht an vergangene Zeiten anlegen können. Stimmt, können uns sollten wir nicht. Aber genau das geschieht, wenn heutige Definitionen von Rollenbildern und -Verständnis einfach so auf die Menschen vor tausend Jahren projiziert werden. Wer weiß denn, wie die Menschen damals sich selbst diesbezüglich verstanden haben? Da wird aus minimalen Eckpunkten (die noch dazu aus sehr subjektiven Quellen stammen) etwas zusammen konstruiert und interpretiert, und daraus dann eine allgemeine Schlussfolgerung gebildet. Ey komm, das kann doch nix taugen. Oder denkst Du wirklich, dass ein Sven Schlammlederssson auf seiner kleinen Farm in Island jemals auch nur einen Gedanken an den Unterschied zwischen Geschlechtsrolle und Geschlechterrolle verschwendet hat? Reine Mutmaßung völlig ohne jeden Beleg: die Leute hatten damals echt andere Sorgen im Kopf.
 
Um sich mit solchen Dingen auseinander setzen zu können und zu wollen, braucht eine Kultur erstmal eines - die Zeit und die Muße dafür. Wo fanden denn die größten kulturellen und geistigen Entwicklungen statt? Im gemäßigten und reichen Klima des Mittelmeerraumes, oder in rauen Klima bei den Inuit? Die Menschen im Mittelmeerraum mussten sich eher weniger Sorgen um ein Verhungern machen, und hatten Zeit für Wissenschaft und Forschung. In Skandinavien damals ging es wohl vornehmlich um andere Dinge, die wesentlich essentieller waren. Warum sind die Jungs da oben denn auf Raubzüge gefahren? Weil es denen rundum gut ging, und ihnen einfach langweilig war? Rein von der Logik hergeleitet und ohne wissenschaftliche Untermauerung: in einer kleinen Gemeinschaft mit einer Handvoll Menschen, wo es auf jeden einzelnen ankommt, damit die Gruppe überhaupt überleben kann... Wenn da einer auf die Idee kommt, dass er gefühlt im falschen Körper geboren wurde, und ab sofort lieber im pink Petticoat durch die Wälder rennt, statt alles dafür zu geben, dass die Gruppe überlebt - wie groß ist da wohl die Chance auf breite Akzeptanz seitens der Gruppe? Wird der wohl gefördert, oder doch eher 'liebevoll' an seine Pflichten erinnert?
 
Ich glaube, es liegt nach wie vor ein Missverständnis vor. Meine Absicht war nicht, der Aussage "Crossdressing und Transgender sind für eine bestimmte frühmittelalterliche Gesellschaft unwahrscheinlich" grundsätzlich zu widersprechen, sondern zu hinterfragen, auf welcher Basis diese Aussage zustande gekommen ist. Ich schreibe gerade an einem Post, in dem ich nochmal versuche, die Missverständnisse aufzuspüren und aufzuklären.
Bin immernoch am Schreiben. Ist echt ganz schön schwierig, diese Materie klar auseinanderzudröseln (und macht zugleich riesigen Spaß ^^ ). Ich hoffe, mit dem Ergebnis dann das Grundproblem, welches ich sehe, verständlich ausdrücken zu können. Ich kann euch auf jeden Fall schonmal dahingehend beruhigen, dass es mir gerade nicht darum geht, heutige Sichtweisen auf das Mittelalter anzuwenden - oder gar Wikingerkriegerinnen mit Hörnerhelmen und Wikingerhausmänner in Frauenkleidern zu proklamieren. :wiki4 Nehmt euch in der Zwischenzeit doch alle noch ne Kokosnuss und macht's euch im Schatten der Palme gemütlich. ;)
 
:eek:ff1 Funfact am Rande In Schweden ist der Anteil von Vätern, die den Hauptteil der Elternzeit nehmen im europäischen Vergleich besonders hoch... ...etwa eine Folge eines über 1100 Jahre erhaltenen Rollenverständnis ..? :back
 
:eek:ff1 Funfact am Rande In Schweden ist der Anteil von Vätern, die den Hauptteil der Elternzeit nehmen im europäischen Vergleich besonders hoch... ...etwa eine Folge eines über 1100 Jahre erhaltenen Rollenverständnis ..? :back
Du über eine ähnliche These hatte Kaptorga in ihrem Podcast über unser Lieblings Birka Grab drüber berichtet und sie konnten für mich recht nachvollziehbar darlegen, dass Verhaltensweisen nicht vererbt werden...
 

Neueste Beiträge

Oben