Kommt etwas drauf an, wie du "Feudalsystem" definierst. Im Grunde war die Basissituation bei den verschiedenen Germanenstämmen oder Stammesverbünden die selbe: Wenn nicht Sklave oder Adel - letzteres damals im spätgermanischen Zeiten aber nicht genauso zu verstehen wie später im "klassischen" Mittelalter - war im Prinzip mal jeder Germane ein freier Mann bzw eine freie Frau. Feudalherren, also Besitzer von viel Land, die dieses als Lehen vergaben, gab es nicht. Es gab zwar durchaus Leute mit viel Land, also quasi eine Art Geldadel mit entsprechendem Einfluss, aber rein rechtlich gesehen waren sie auch nur freie Männer. Auch gab es arme Leute mit wenig oder gar keinem Land, die sich als Knechte oder sonstwie Angestellte verdingten, aber auch sie waren freie Männer. Und Land eines Großgrundbesitzers als Knecht oder auch als Pächter zu bestellen, hat mit Feudalsystem und Lehen nichts zu tun. Jetzt kommt das Problem, welches auf Dauer in Richtung Feudalsystem steuert: Als freier Mann war man verpflichtet, dem Rex oder Dux oder wie auch immer der Anführer nun genannt wurde, im Kriegsfall zur Verfügung zu stehen. Für die Ausrüstung musste man selbst aufkommen. Dabei galt: Reich = tolle Ausrüstung, arm = einfache Ausrüstung. Entgegen der oft kolportierten These waren diese Kosten gar nicht das Problem. Aus karolingischen oder auch langobardischen Zeiten kennen wir präzise Ausrüstungsstatuten, diese sind durchaus durchdacht, um arme, einfache Leute nicht zu überfordern. Das Problem war eher ein anderes: In der Zeit, in der ein, nennen wir es modern, Wehrpflichtiger auf Kriegszug war, konnte er natürlich sein Land nicht bestellen und das war seine Lebensgrundlage. Reiche Leute hatten damit kein Problem, sie hatten genung Knechte, um das zu übernehmen, sie selbst machten sich da ohnehin die Hände nicht mehr auf dem Acker schmutzig. Und für ganz Arme galt die REgel, dass vier Leute zusammenlegen mussten, um einen auszurüsten, der dann in den Krieg zog, während die drei anderen sich um sein Land mit kümmerten. Die Gearschten waren die einfache Mittelschicht. Die hatten niemanden, der sich um ihr Land hätte kümmern können. Um dieser ausweglosen (Gesetzes-)lage zu entgehen, verkauften immer mehr einfache Freie ihr Land nebst Kriegsdienstverpflichtung(!) an einen Großgrundbesitzer, die Kirche oder andere geeignete und interessierte Personen, gegen das Recht, dieses Land dann bestellen zu dürfen und dafür halt Abgaben zu leisten. Den Herrschenden war das nicht unrecht, da so die vielen mehr oder weniger geübten Bauerkrieger durch zwar weniger, aber besser ausgerüstete und ausgebildete Krieger ersetzt wurden, die der Großgrundbesitzer nun mit den Einnahmen aufstellen konnte. Mehr Klasse statt Masse und außerdem zuverlässiger. Dass dabei aber immer mehr freie Bauern langsam in die Abhängigkeit drifteten, wurde entweder bewusst ausgeblendet oder schlicht übersehen. Auf diese Weise entstand über einen längeren Zeitraum (einen Stichdatum gibt es nicht) das später im klassischen MA bekannte System aus Grundherren und Unfreien, wobei letztere immer wieder mit Sklaven verwechselt werden. Diese Entwicklung begann etwa im späten 8 Jahrhundert in erster Linie unter den Karolingern. Das ist der eine Teil des Wegs in das Feudalsystem. Den anderen, politischen Teil mit Vasallen und Lehnsherren soll ein Anderer erklären, da ich jetzt - die Frau quengelt schon - endlich den Nachtisch zubereiten muss.