Batik im Mittelalter?

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B

Bettina

Guest
Hallo! Ich hab da mal 'ne Frage die ich gern zur Diskussion stellen wuerde: bin vor einiger Zeit ueber dieses Gewand im Codex Manesse gestolpert - Fol 194, Otto vom Turne, z.B. hier http://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/cpg848/0383?sid=03fce02aa6f75fc0f7ebf1f8648d8757). Ich hab mich seither gefragt wie dieses Muster im Surcot (?) der mittleren Person zustandekommt - ich finde halt es sieht so aus als sei es 'gebatikt' worden, oder mit welcher Technik meint ihr wurde dieser Farbton in der Kleidung erreicht? wurden die Streifen eingewebt? Aber die Uebergaenge sind so ausgefranst.... Ich wuerde halt auch gern mal so ein 'buntes' Gewand herstellen...! Eure Meinung wuerde mich sehr interessieren!!! danke schonmal! Bettina
 
Hallo nochmal ;-) wenn ich schon dabei bin zu fragen: diese Herren aus der Manessischen Liederhandschrift wuerden mich auch interessieren: fol 399r, Meister Heinrich Frauenlob, Z.B. hier http://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/cpg848/0793?sid=03fce02aa6f75fc0f7ebf1f8648d8757 Wie kommen die Streifen darein :)???? Leider sieht man kaum jemand mal mit so einem Gewand auf'm Markt... Dabei wurde es ja offensichtlich so getragen (so bunt :)), liebe Gruesse, Bettina
 
Sowas kann man Weben :) das "ausgefranste" ist sicher eine Zierlinie zwischen den Farbschichten. Batiken geht mit Pflanzenfarben sehr schlecht, da die Einwirkzeit viel länger ist als bei modernen Chemiefarben. Das würde sehr unschöne Unregelmäßigkeiten geben. Edit: Dieser Herr hier fertigt Muster und Streifen auf Wunsch: http://www.wollstoff.de/
 
Interresante Frage. Also bei dem Ersten kann ich auch nicht helfen, dafür bin ich zuwenig Stoffmensch. Aber zum Zweiten: Der grund warum das nirgens so getragen wird ist wohl der, dass man solcherlei Muster weben lassen muß, was sehr, sehr teuer wird. Wobei ich mich frage wie das zickzack Muster gewoben würde. Dennoch kann es auch sein, dass diese Muster vom Maler nur symbolisch verwendet wurden. Dafür spräche der gemalte fortlauf der Muster, ungeachtet des Stofffalls. Besonders sieht man das an dem Herrn in grün-weiß, wo sich das Muster einfach auf dem Ärmelbund in einer Linie fortsetzt, was natürlich so nicht möglich wäre. Aber auch bei dem Herrn der die Fidel spielt, und der Dudelsackspieler werden die Muster nur fortgeführt. Man muß dabei bedenken dass der Codex verfasst wurde, als die meisten der Minnesänger schon tot waren. Darum könnte das aus damaliger sicht so sein wie für uns heute: Der Illustrator dachte sich lediglich: Jawoll, so müssen die damals rumgelaufen sein. Solche extremen Muster sind mir, bis auf diesen Codex, und in ein paar Sachsenspiegeln, nicht bekannt.
 
Bitte bedenkt, dass einem Maler zur damaligen Zeit immer nur ein begrenztes Kontingent an Farben zur Verfügung standen, da diese sehr teuer waren. Gerade in Szenen mit vielen Menschen, so wie du ihn an zweiter Stelle anführst ist es nicht unwahrscheinlich, dass die Muster einfach dazu dienen die einzelnen Personen zu kennzeichnen bzw zu unterscheiden.
 
Und auf die Frage, warum auf dem Markt keiner so rum läuft: Na erst einmal müsste man 13.-14. Jh. darstellen. Der Codex Manesse entstand ab 1310 und es wurde die Mode der vergangenen 70 Jahre dort wiedergespiegelt. Die Meisten, die ich kennen, sind eher Wikis, oder Ordensdarsteller, oder freie Ritter, oder Söldner. Da passt das schon mal nicht. Und ich glaube, so mutig ist heutzutage auch nicht jeder. Da gehört ja schon eine Menge Courage zu, mit einer Gewandung - gestreift wie Biene Maja - über den Platz zu laufen. Jeder Reenactor, der denjenigen dann sieht, würde sicherlich denken: "Ey, cool, der hat das ja mal klasse umgesetzt." Jeder Touri würde denken: "Ey, cool, ein Clown..." Und mal ganz ehrlich - was überwiegt auf einem "normalen Markt"? Ernsthafte Darsteller oder Touris? :D
 
Vielen Dank schonmal fuer die Antworten bisher! hab mir ja schon gedacht dass meine Theorie mit dem 'Batiken' auf Zweifel stoesst :) Daher hatte ich ja auf das reinweben getippt... Trotzdem bleib ich bei dem 'Ausgefransten' als wundem Punkt. Interessant dass es generell die Frage aufzuwerfen scheint inwieweit man Bildern trauen kann - wenn die alle bloss so gemalt sind um sie unterscheiden zu koennen, was heisst das dann fuer den Rest mittelalterlicher Darstellungen (vor allem wenn sich die A-Fraktion darauf beruft?)? Muss ich mir also nochmal ueberlegen mit dem gestreiften Surcot fuer meinen Liebsten... LG, Bettina
 
Hi Mara! Freut mich dass du mir schreibst - bin neulich ueber deine Homepage gestolpert und hab geseufzt 'wenn ich auch nur so naehen koentte' ;-) Kann deinen Einwand mit der Biene Maja verstehen - ich wuerd's machen (waere ja dann direkt mal was neues), aber ich bin ja kein Mann... cheers, Bettina
 
@ Bettina: danke für das Kompliment und zur Information: bis vor 4 Jahren konnte ich es auch nicht. Habe irgendwann mit Learning-by-doing mit der Nähmaschine angefangen und bin jetzt bei den Handnähten gelandet. Nur Mut. Billigen Stoff kaufen und üben. Bomull gibt´s bei IKEA schon ab 2 €/ lfm. Da kann man sich erst einmal mit Schnitten versuchen. Und Nähte üben. Wie´s geht, wird hier ja an vielen Stellen mit Ideen und Bildern zum Kucken beschrieben. Nur Mut! Ist letztendlich billiger als kaufen, auf Selbstgemachtes ist man immer besonders stolz und es sind dann alles Unikate... (Außerdem ist das TV-Programm in den letzten Jahren sowieso nur noch zum Einschlafen.... :D ) Aber meinst Du denn, Dein Liebster würde im gestreifen Surcot rumlaufen? Das mit dem Malereien ist meistens ein Problem. Wie weit man sich darauf verlassen kann, weiß man heute nicht mehr, aber da man (bis auf einige wenige Funde aus Gräbern - und auch hier meine ich eher Kaisergräber, also weniger repräsentativ) kaum andere Quellen hat, muss der Reenactor diese dann wohl nutzen. Vielleicht siehst Du auch aus diesem Grunde so wenige Darsteller mit ähnlichen Gewandungen, weil genau eben diese Darsteller, die das für sich nutzen wollten, selbst Zweifel ob der Authenzität hatten... Da müsste man dann doch vielleicht die auf dem Bild gezeigte Person (also eine reale, keine fiktive) darstellen, und davor scheuen sich auch viele Reenactors, da damit ja noch anderer Aufwand verbunden sein würde. Bsp.: Stelle ich Ritter XY dar, bin ich in meiner "Biographie" frei, kann mir demenprechend gewisse "Ausreden" zulegen, warum z. Bsp. kein Knappe bei mir ist, das Schwert nicht der neuesten Mode entspricht und wo mein Pferd ist. Stelle ich aber z.Bsp. einen Hartmann von Aue dar, sollte ich auch reiten können. Der einzige "Hartmann von Aue" Darsteller, von dem ich bisher gehört habe, (ich kenne ihn nicht persönlich), hat wohl auch das entsprechende Equipment, kann nicht nur reiten sondern besitzt sogar ein eigenes Pferd und nimmt - wie der echte Hartmann damals - an Turnieren teil. Wie "A" seine Ausrüstung ist, kann ich - da ich ihn wie gesagt nicht kenne - nicht beurteilen. Insgesamt halte ich es aber für berechtigt (so keine Erben Zweifel anmelden), wenn er sich so nennt, da er sich anscheiend auch in der Rolle wiederfindet. Ich hoffe, Du verstehst, was ich meine.
 
Streifen weben ist überhaupt kein Ding, das geht fast wie Karos weben. :) Bei den weißen Zaddeln würde ich behaupten, das es über die Webstreifen gestickt sein könnte. So weit vorn in der Geschichte hab ich mich allerdings noch nicht mit historischen Klamotten beschäftigt. Bei so viel Dekadenz wie pelzverbrämte Oberkleidung,Höllenfester, Hörnerhauben köntne ich mir auch vorstellen das man fertig gefärbtes,perfektes Tuch genommen,zerschnitten und bunt zusammen gesetzt hat. Aber mal gucken was die SpäMi Experten sagen. Beim zweiten link würde ich aber sagen es ist eine Bildsprache. Das gab es früher schon im Sachsenspiegel, da waren ganze Tuniken quer gestreift, Über Ärmel und Rumpf, ohne den Faltenwurf zu beachten, da sollten wohl nur Personen als Fremde/Welsche gekennzeichnet werden. Ich denke so ist es auch bei diesem Bild.
 
Bettina, du weißt schon, dass die so genannte A-Fraktion die "Fraktion" - was für ein Wort - ist, die sich nicht blind auf die Bilder beruft sondern im Gegenteil Diskussionsgrundlagen zu den besagten von dir rein gestellten Bildern beruft? Nur Bildquelle reicht nicht. Bildquellen werden und müssen immer diskutiert werden.
 
http://www.personal.utulsa.edu/~marc-carlson/cloth/soder.html Der Söderköpinger Kittel ist das einzige mir bekannte halbwegs erhaltene Kleidungsstück in mi-parti. Erhältlich in rot und blau geviertelt. Was die breiten Streifen angeht: Hier tendiere ich auch zur Annahme des Zusammennähens aus Stoffstreifen. Zumindest hätte ich sonst dieses geistige Bild vom armen Stoffhändler, der verzweifelt versucht den Rest des Streifenstoffes zu verticken. Buchtip zum Thema Streifen: The Devil's Cloth : A History of Stripes von Michel Pastoureau Man sollte dem guten Mann nicht bis in die letzten Feinheiten folgen, aber das Buch sensibilisiert ganz gut für das Thema Streifen. Kurz zusammengefaßt: Breite Streifen bei Außenseitern, feine Streifen ("Nadelstreifen") bei Höhergestellten / Insidern / Sozialkonformen. Außer natürlich es ist gerade wieder in Außenseiter zu sein :)
 
Ich möchte eure Aufmerksamkeit auf ein Detail lenken: Wenn wir die am Schlitz unten hervorschauende Innenseite ansehen, ist dort das Muster von aussen auf weißem Grund wieder zu sehen. Unterstellen wir dem Maler jetzt mal soviel Detailverliebtheit, ist zunächst anzumerken, dass das Gewand gefüttert (auch an den Ärmeln zu sehen) oder zumindest zweilagig genäht ist. Dann ergeben sich für mich 2 Auslegungen: 1.: Auf einen Trägerstoff wurden die farbigen Streifen aufgenäht oder 2.: In das zweifarbig gewebte Gewand wurde das Futter mit aufwändigen Ziernähten "eingesteppt" Zu der Frage wie realistisch ein Bild ist, es ist natürlich kein Foto, und die 'erste Regel der Bildinterpretation' lautet sinngemäß "Nie vergessen, dass wir nicht vor einem Foto sitzen; Was in ein Bild gemalt wurde, wurde mit Intention gemalt". Wir müssen in Erwägung ziehen, dass die abgebildete Person niemals so wie gezeigt herumgelaufen ist, allerdings muss der Maler zuerst denken, was er malt, und der Portraitierte (oder dessen Erben etc) würde sich kaum wünschen, in einem fantastischen Clownskostüm abgebildet zu werden. Auf dieser Grundlage kann man behaupten, der Maler dürfte so ein Gewand oder ein ähnliches real gesehen haben, und es muss eine modische Strömung gegeben haben, die soetwas schön und edel fand (sonst musste der Künstler erwarten, falsch verstanden zu werden). Die andere Auslegung wäre eine ikonographische oder symbolische. Allerdings ist mir zumindest keine Ikonographie gestreifter Kleidung bekannt, ein Bezug könnte die biblische Verurteilung gemischter Stoffe sein ("...Du sollst kein aus zweierlei Fäden gewebtes Kleid anlegen."(Lev.19,19), was in der späteren Thematik des Barchent-Stoffes wieder zum Tragen kommt. Dann wäre das gestreifte Gewand zumindest 'frech'. Ich weiss, das war jetzt viel Spekulatius, aber soviel anders entstehen die wissenschaftlichen Publikationen, auf die wir uns im Hobby berufen, auchnicht :)
 
Zu den Streifen/Wahrscheinlichkeit/Mode: Firiel hat neulich ein paar interessante Funde in Spanien durchforstet, die, man höre und staune, tatsächlich Streifenmuster hatten, vemutlich ist es eine Frage der regionalen Mode auch, ob sowas in oder out war.
 
Es gab wohl beides, d.h. sowohl in wilden Mustern gewebte Kleidung (z. B. beim Surcot des Enrique I oder dem der Leonor v. Kastilien - beide bei Kania abgebildet), als auch durch das Einsetzen von Borten erzielte Streifenmuster, wie z. B. bei der Tunika, auf der Website des Halberstädter Domschatzes (oben links, ganz außen). Beim ersten Bild würde ich auf ein aus Streifen verschiedener Stoffen zusammengesetztes Kleidungsstück tippen und die weißen Linien als Verbindungsstiche bzw. Ziernähte deuten.
 
:ups @Eilika: Was du als eine Tunika bezeichnest ist eine Dalmatik. Sehr schönes Gewand, wo die Idee zu meinem Löwchen auf der Umhängetasche herkommt. Sie gehört zwar zu den Tuniken, aber die Bezeichnung Dalmatik finde ich für solch ein Gewand passender.
 
Stimmt. Dalmatik ist richtig. :kopfhau Mir fiel nur der Begriff nicht ein und ich war zu faul zum gugeln. Deshalb habe ich den Oberbegriff genommen.
 
In meinen Augen weist die Fütterung des Surcots von Otto von Turne dieselbe Farbschattierung auf wie Ottos komischer Kragen. Ich würde daher auf eine Fütterung mit Pelz tippen.
 
hab grad gesehen dass ich noch ganz viele neue antworten habe - danke! viele interessante ideen, z.B die mit dem Stoff zusammenschnippeln! und vielen dank juergentrautm fuer den Buchtipp, fuer Buecher bin ich immer zu haben! cheers, Bettina
 

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