Zu den Textilfunden, die ja nun leider nur in den allerseltensten Fällen komplette Kleidungsstücke beinhalten, sucht sich der engagierte Darsteller dann weitere Hinweise in Form von Sekundärquellen (Beschreibungen, Bilder, Skulpturen) oder gar Tertiärhinweise (ich kenne da jemanden, der hat....), was es auch schon früher in jeder Form gegeben hat; ich verweise hier ZB auf die keltische Kleidung, die Diodor beschrieben hat, der aber seinerseits von jemand anderes abgekupfert hat. Diese ganzen Puzzlestückchen legt man in mühevoller Kleinarbeit zusammen und konstruiert dann eine Hypothese (von Widersprüchen freie, aber zunächst unbewiesene Aussage, Annahme (von Gesetzlichkeiten oder Tatsachen) als Hilfsmittel für wissenschaftliche Erkenntnisse, Wikipedia). Die kann widerlegt werden oder evtl. durch einen neuen aufsehenerregenden Fund bewiesen werden (siehe zB die Tunika aus dem norwegischen Gletscher). Aus der Hypothese erstelle ich jetzt ein mögliches Kleidungsstück, das ich auf der nächsten Veranstaltung trage und dem interessierten Besucher sage: Ja, die Tunika könnte so ausgesehen haben, aber genau weiß man das nicht. Es gibt dazu mehrere Hinweise aus den und den Quellen. Eine Rekonstruktion oder bei Textil wohl besser Reproduktion (also eigentlich das große "A") geht nur bei einer konkreten Vorlage, einem Fund, am besten des ganzen Kleidungsstücks, weil ein Textilfetzen ja noch nix darüber aussagt in welchem Zusammenhang er verwendet wurde (Problem bei den Funden aus dem Hafen von Haithabu) Findet sich der Textilfetzen in einem festen Fundzusammenhang, zB im Inneren einer Schalenfibel kann man Aussagen über das Aussehen, das Material, die Farbe und mehr treffen, allerdings nicht über die Form des Kleidungsstückes. Deshalb wundere ich mich immer über Aussagen wei: ja in Haithabu sahen die Kleider ganz anders aus als in Birka. Ne, das können wir nicht behaupten, der erhaltene Schmuck sah anders aus, die Waffen, die Pötte und Pfannen oder anderes erhaltenes Fundgut, aber über die Mode neben den Metalltrachtbestandteilen lässt sich nur vermuten, nicht mit Sicherheit sagen. So tappen wir dann alle im Dunkeln, aber das ist ja das Spannende daran, wenn die Wissenschaft manchmal einen Lichtstrahl auf unsere Bemühungen wirft.