Crossdressing und Darstellung anderer Ethnien im Living History

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Fifill

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Angeregt von der Diskussion in einem anderen Thread (siehe hier), möchte ich hier nun explizit eine Diskussion zum Thema Crossdressing und der Darstellung anderer Ethnien eröffnen und zum Gedanken- und Ideenaustausch einladen. Genauer gesagt soll es an dieser Stelle um Darstellungen gehen, bei denen das physische Äußere des Darstellers vom charakteristischen Aussehen der dargestellten Figur abweicht, insbesondere um die Darstellung einer Figur eines anderen biologischen Geschlechts (z.B. Frau stellt eine Männerrolle dar oder umgekehrt) oder Darstellung einer Figur einer anderen Ethnie (z.B. Mitteleuropäe stellt einen mongolischen Reiter, einen Samurai oder Indianer dar). Zunächst einmal möchte ich an dieser Stelle betonen, dass die allermeisten Darsteller ihre Darstellungen ja als Hobby betreiben und diese somit vor allem durch die persönlichen Interessen des Darstellers bestimmt wird. So kommt es dann auch dazu, dass beispielsweise eine Frau, die sich für Bogenschießen und historisches Fechten begeistert, dies auch in ihre - dann wahrscheinlich männliche - Darstellung einfließen lassen möchte oder ein Mensch mit nordeuropäischem Aussehen von der Kultur der Sarazenen fasziniert ist und eine solche Figur darstellen möchte. Oder sei es der langjährige Mittelalterdarsteller, der nach der drölften männlichen Darstellung nun zur Abwechslung mal in eine Frauenrolle schlüpfen möchte oder eine Frau, die sich für die mittelalterliche Schmiedekunst begeistert und Zuschauern fachkundig Auskunft darüber geben kann. Auch wenn es in solch einer Darstellung einen gewissen "Bruch" geben mag - weil die heutigen Mitmenschen erkennen, dass da ein Mann eine weibliche Rolle darstellt oder ein Mensch mit offensichtlich nicht arabischer Abstammung in die Rolle einer Person aus diesem Kulturkreis schlüpft - glaube ich dennoch, dass auch solche Darstellungen hohen Ansprüchen gerecht werden können. Mir geht es in diesem Thread darum, darüber zu diskutieren, wie solche Darstellungen gut umgesetzt werden könnten und was dabei zu beachten wäre. Dabei bitte ich um Begründung eurer jeweiligen Positionen, damit die Diskussion nicht in einem Sumpf subjektiver Meinungen - "Das geht ja mal so gar nicht!" "Ich finde aber doch!" - endet. Für mich ist bei dieser Art Darstellungen die wesentliche Frage, ob deutlich wird, wo die "Bruchlinie" zwischen der dargestellten historischen Figur und der darstellenden Person verläuft. Ein Beispiel wäre ein Darsteller, der nicht auf eine Brille verzichten kann: in diesem Fall wäre eine eindeutig als modern erkennbares Brillenmodel einem Paar "auf alt getrimmter" - nichts desto trotz anachronistischer - "Augengläser" vorzuziehen, da so für den Zuschauer klarer erkennbar ist, welcher Teil des Erscheinungsbildes nicht zur historischen Darstellung gehört. Mit Blick auf meine eigene Darstellung (biologisch weibliche Person möchte eine Männerrolle darstellen) habe ich z.B. schon erwogen, mal mit guten Theaterbärten zu experimentieren, um so zu verdeutlichen, dass es sich nicht um die Darstellung einer - historisch bislang nicht ausreichend zu belegenden - "Schildmaid" handelt, sondern um eine männliche Figur. So weit erstmal mein Senf - nun bin ich auf euren gespannt... ;)
 
Hier der Versuch einer Zusammenfassung der wesentlichen Diskussionsbeiträge aus dem Ursprungsthread:
Überhaupt finde ich, dass weder Hautfarbe, sexuelle Orientierung noch Geschlechtsindentität der darstellenden Person für das Dargestellte relevant sein sollten. Hauptsache sollte eine gute Darstellung sein und die Fähigkeit und der Wille Wissen zu vermitteln, zu sensiblisieren und aufzuklären. Dabei ist es vollkommen gleich, wer das tut. Wir spielen hier ja keine konkreten historischen Ereignisse oder Personen nach. Wir interpretieren Geschichte. Und solange das gut gemacht wird, nur zu! PS: Ich verfolge schon seit Längerem die Idee einer Frauendarstellung. Mir gefällt einfach die Idee.
Überhaupt finde ich, dass weder Hautfarbe, sexuelle Orientierung noch Geschlechtsindentität der darstellenden Person für das Dargestellte relevant sein sollten. Hauptsache sollte eine gute Darstellung sein und die Fähigkeit und der Wille Wissen zu vermitteln, zu sensiblisieren und aufzuklären. Dabei ist es vollkommen gleich, wer das tut. Wir spielen hier ja keine konkreten historischen Ereignisse oder Personen nach. Wir interpretieren Geschichte. Und solange das gut gemacht wird, nur zu!
In dieser Sache bin ich innerlich hin und hergerissen: Wenn es um das Nacherleben mittelalterlicher Lebensumstände geht, stimme ich dir ohne jeden Vorbehalt zu. In dieser Hinsicht gefällt mir die Herangehensweise der SCA sehr gut, die genau das umsetzt: biologisches Geschlecht und Ethnie der dargestellten 'Persona' sind unabhängig von biologischem Geschlecht und Ethnie der darstellenden Person. Wenn es jedoch hauptsächlich darum geht, für ein Publikum möglichst authentisch eine mittelalterlichen Lebenswelt darzustellen - bspw. in einem Museums-Kontext - dann sehe ich das Problem, dass für Zuschauer u.U. nicht klar ersichtlich ist, dass es sich um modernes Crossdressing handelt und dadurch Bilder vermittelt werden, die nicht hinreichend (oder sogar gar nicht) durch Belege abgesichert sind. Mit meiner eigenen - noch im Entstehen begriffenen - Darstellung befinde ich mich genau in diesem Dilemma: ich bin biologisch weiblich, habe eine nichtbinäre Geschlechtsidentität und kann mir im Mittelalterkontext (bislang) nur eine (zumindest sozial) männliche Rolle vorstellen. Meine persönliche Traumrolle wäre die einer "Schildmaid" (im Sinne einer Frau, die vollständig eine männliche Kriegerrolle annimmt, so wie bspw. die fiktive Figur Hervör in der Hervarar Saga), für die es jedoch beim aktuellen Stand der Forschung keine ausreichenden Belege gibt. Alternativ würde ich eine männliche Figur darstellen wollen, bspw. den Sohn eines wohlhabenden Bauern, der sich als besonders guter Bogenschütze hervortut. In jedem Fall wäre mir wichtig, fundiert Auskunft geben zu können, in wie weit meine Darstellung auf gesicherten Erkenntnissen basiert und an welchen Stellen meine eigene Interpretation beginnt.
PS: Ich verfolge schon seit Längerem die Idee einer Frauendarstellung. Mir gefällt einfach die Idee.
Hey, das ist eine tolle Idee! :thumbsup: Da würde sich ja auch mal ein Thread zum Thema "Crossdressing in der Mittelalterdarstellung" lohnen... *notiert auf to-post-list* :D
*abgehakt auf to-post-list* :D
Überhaupt finde ich, dass weder Hautfarbe, sexuelle Orientierung noch Geschlechtsindentität der darstellenden Person für das Dargestellte relevant sein sollten. Hauptsache sollte eine gute Darstellung sein und die Fähigkeit und der Wille Wissen zu vermitteln, zu sensiblisieren und aufzuklären.
Jein. Bei der sexuellen Orientierung bin ich bei dir, die sieht man auch von außen nicht.Bei der Geschlechtsidentität schon nicht mehr, wenn sie von außen zu sehen ist. Und bei der Hautarbe auch nicht. Wenn bei der Farbe der Kleidung gemäkelt wird, dass die nicht zur dargestellten Zeit und Region passt, wieso sollte das dann plötzlich bei der Hautfarbe anders sein? Gesellschaftliche Moden hin oder her, ich bitte um Konsequenz. Ich bin jederzeit für unaufdringliche Gleichstellung und Toleranz, erlaube mir aber trotzdem einen kritischen Blick auf gewisse sinnvolle Grenzen. Ich könnte, von der reinen Ausstattung her, eine perfekte Darstellung eines Niugini (präzise: Stamm der Aseki) aus Papua Neuguinea auf die Beine stellen. Trotzdem würde diese Darstellung nicht das richtige Bild beim Betrachter vermitteln. Hat nichts mit meinem reinen Fachwissen oder den Realien zu tun, sondern schlicht damit, dass ich halt nun mal ein waitskin bin. Beim Begriff "sensibilisieren" bin ich immer genötigt, spontan zu fragen: "wofür?" bzw "wogegen?" Eine historische Darstellung soll für historische Sachverhalte sensibilisieren (wobei ich den Begriff hier unpassend finde), aber nicht für aktuelle soziologische Themen. Das kann dann gerne eine andere Plattform übernehmen, der ich mich auch gerne anschließe.
Da kann ich mit dem Beispiel der Samureigruppe 'Takeda' mit Sitz in Düsseldorf kontern, die Samurais im 16. Jhd in Japan dar. Sie haben Anfang der 2000er auf einem so hohen Niveau gearbeitet, dass sie regelmäßig zu musealen Veranstaltungen nach Japan eingeladen wurden. In den letzten Jahren ist es ruhig um sie geworden. Es ist schwierig, sowas zu schaffen, aber es geht.
Hinsichtlich der Hautfarbe muss ich - zumindest hier im Wikingerzeitlichen Kontext - intervenieren, @Panzerreiter. Grundsätzlich ist es bei einem derart weitreichenden Handels- und Raubzug-Netzwerk gut denkbar, dass auch Menschen afrikanischer Abstammung in den Norden gelangten. Sowohl als Sklaven, als auch als freie Menschen. Durch die Römer auch schon deutlich früher. Aus dem angelsächsischen Bereich sind beispielsweise für den Zeitraum von ca. 800 - 1.100 a.D. mehrere Gräber dokumentiert, in denen die bestatteten Personen deutliche Hinweise auf afrikanische Ursprünge zeigen. Passend dazu gibt es Ende des 9. Jahrhunderts einen Überfall der 'Nordmänner' auf Marokko mit der Gefangennahme von zahlreichen Sklaven, der sowohl in den marokkanischen, als auch in irischen Quellen erwähnt wird. Ein weiteres Beispiel finden wir in Hadrian, dem Abt von St. Augustin's in Canterbury (frühes 8. Jh.), der in zeitgenössischen Quellen als 'Mann afrikanischer Rasse' beschrieben wird. Auch die 'blá-maðr', die '(Blau-)Schwarzen Männer' in den Sagas. Im übertragenen Sinne als Männer mit schwarzer=dunkler/böser Gesinnung zu verstehen. Könnte man allerdings auch wörtlich nehmen, und auf die Hautfarbe beziehen. Zumal in der Egils-Saga auch noch Gesichtsmerkmale beschrieben werden, die gut auf einen afrikanischen Mann hindeuten könnten. Grundsätzlich wäre es also durchaus legitim und glaubwürdig, wenn ein dunkelhäutiger Mensch eine Wikingerdarstellung machen würde.
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Mir war vollkommen klar, dass dieser Einwand kommen würde. Ja, theoretisch, unter Umständen und mit viel gutem Willen ist vieles möglich. Das kann man sich mit genügend Wohlwollen alles irgendwie hinbiegen. Allein: Der Wikingerkrieger, der ein Drittel seiner Ausrüstung auf dem Schlachtfeld gegen fremde Völker erbeutet, das zweite Drittel vom Uropa geerbt und das letzte Drittel von einem phönizischen Händler erstanden hat, ist seit Jahren eine Lachnummer in der Szene, obwohl man hier genau dieselben Argumente anwenden könnte, wenn man wollte. Da heißt es dann jedesmal stereotyp, man sollte sich an den belegten, sicheren Standard halten und keine abstrus herkonstruierten, wenngleich nicht völlig unmöglichen, Ausnahmen und Einzelfälle als Darstellung wählen. Hier wird, wie so oft, wieder mal vom Ergebnis her argumentiert. Wenn es politisch korrekt ist, dann gelten plötzlich all die Argumente, die in anderen Fällen als nicht relevant abgetan werden. Es wird stundenlang über den Sax des Karolingers debattiert, weil der in dieser Zeit eigentlich schon deutlich am Asulaufen ist und daher als Ausnahmefall gewertet werden muss, auf den in einer glaubwürdigen Darstellung verzichtet werden solle, weil er nicht dem statsitisch verbreitesten "Durchschnittskarolinger" entspricht. Analog die Mantelfibel, die eigentlich ein paar Jahrzehnte zu alt für die gewählte Darstellung ist, aber in Ermangelung eines realen Fundes, der goß genug ist, den schweren Mantel zu halten, einspringen muss. Da wird die Frisur bemängelt, weil lange Haare bei den Karolingern eigentlich out waren. Die Form der Rüstung wird akribisch hinterfragt, obwohl konkete Funde fehlen. Den schwarzafrikanischen Wikinger im Rollstuhl und mit Brillengläsern wie Colaflaschenböden dagegen hypen alle Anwesenden, weil er den Mut hat, so eine tolle Darstellung zu machen. Selbst wenn der einen Dekozweihänder aus Sevilla rumtragen würde. Ich kann mit dieser sozialpädagogisch verbrämten Wertebeugung nichts anfangen. Und nein, ich kenne die Takedas sehr wohl, ich bewundere ihre Ausrüstung und ihr Fachwissen, aber ich nehme ihnen den Samurai nicht ab. Auch wenn es sein mag, dass in der Realität vielleicht mal ein gestrandeter portugiesischer Seemann... Es ist und bleibt ein Unterschied, ob man Realien in einem musealen Kontext präsentiert und moderiert, oder ob man sich selbst als historisch halbwegs glaubwürdiges Gesamtexponat präsentiert, um ein überzeugendes Bild zu vermitteln. Im LARP gerne, auf dem klassischen MA-Markt auch. Als Exot, der die nationale Seele streichelt, weil er zeigt, wie sehr selbst in entfernten Ländern die eigene Geschichte bewundert und geachtet wird (das ist der Grund, aus dem m.M. nach die Takedas gerne mal nach Japan eingeladen werden) durchaus auch, dient der Völkerverbindung.
Der Wikingerkrieger, der ein Drittel seiner Ausrüstung auf dem Schlachtfeld gegen fremde Völker erbeutet, das zweite Drittel vom Uropa geerbt und das letzte Drittel von einem phönizischen Händler erstanden hat
Hab ich davon was geschrieben? Nicht dass ich wüsste.
Den schwarzafrikanischen Wikinger im Rollstuhl und mit Brillengläsern wie Colaflaschenböden
Davon übrigens auch nicht.
Wenn es politisch korrekt ist
Political correctness war nicht die Intention meines Beitrags.
Ich kann mit dieser sozialpädagogisch verbrämten Wertebeugung nichts anfangen.
Ich auch nicht. Aber spannend, dass Du das in meinen Beitrag rein interpretierst ;-)
Es ist und bleibt ein Unterschied, ob man Realien in einem musealen Kontext präsentiert und moderiert, oder ob man sich selbst als historisch halbwegs glaubwürdiges Gesamtexponat präsentiert, um ein überzeugendes Bild zu vermitteln.
Warum soll das ein Unterschied sein?Ich sehe in den beiden Aussagen keinen Widerspruch. Man hat immer irgendwelche Einzelfunde. Das macht die ganze Geschichte aber auch so spannend. Weil es eben deutlich zeigt, dass es nicht nur einen wischiwaschi-Einheitsbrei gab, bei dem alle gleich ausgesehen haben. Letzte Tage hatte ich hier einen Spielwürfel aus Bronze gepostet. Der ist - meines Wissens - für diese Zeit und diese Region einzigartig. Genau deswegen finde ich ihn toll. Allerdings sollte man sowas auch genau so präsentieren. Als singuläre Ausnahme, nicht als DEN Standard. Das wäre falsch. Aber auf einem Tisch zwischen hundert anderen Würfeln aus Horn und Bein darf durchaus auch ein Würfel aus Bronze liegen. Plus Erklärung dazu, warum da nur einer liegt. Das gleiche könnte man auch hervorragend für eine schwarzafrikanische Wikinger-Darstellung tun (sofern jemand sich dazu bemüssigt fühlt). Mit dem Hinweis, warum sowas aber eben nicht der Standard war. Dazu habe ich auf seriöse Quellen und Untersuchungen verwiesen. Kannst Du jetzt doof finden, weil an den Haaren herbei gezogen und politisch motiviert. Egal. Andere freuen sich aber vielleicht darüber, und finden sowas total spannend. Quellenstudium abseits des Mainstreams. Auch die weibliche Birka-Bestattung mit Männerklamotte und Waffen ist sehr speziell. Als konstruierten Beleg für das inflationäre Auftauchen von ominösen Schildmaiden ist sie kacke. Aber wenn sich jemand die Mühe macht, sauber die Hintergründe zu recherchieren, und wirklich viele Informationen dazu zusammen zu tragen, um die Darstellung glaubwürdig zu rekonstruieren - mega. Abschließend nochmal dieses Statement hier:
Den [...] Wikinger im Rollstuhl und mit Brillengläsern wie Colaflaschenböden
Echt? Körperliches Handicap und gute Darstellung schließen sich für Dich aus?Menschen mit viel Fachwissen und guter Rekonstruktion dürfen nicht präsentieren, weil sie Brille tragen müssen (da sie ohne Brille nix sehen, und Kontaktlinsen nicht vertragen), oder im Rolli sitzen (der zweifelsfrei als modernes Hilfsmittel erkennbar ist)? Hätte nen ziemlich doofen Beigeschmack, und verstehe ich hoffentlich nur falsch.
So weit die Diskussion bislang
 
Huch, da ist schon wieder was dazu gekommen ^^
Warum soll das ein Unterschied sein? Ich sehe in den beiden Aussagen keinen Widerspruch.
Ich schon.
Man hat immer irgendwelche Einzelfunde. Das macht die ganze Geschichte aber auch so spannend. Weil es eben deutlich zeigt, dass es nicht nur einen wischiwaschi-Einheitsbrei gab, bei dem alle gleich ausgesehen haben.
Stimmt, und genau so sehe ich das auch. Aber ich bin nun mittlerweile 20 Jahre "im Geschäft" und in dieser Zeit habe ich lernen müssen, dass es eben gerade in der (selbsternannten) ersten Liga der LH-Szene andere anders sehen. Da magst Du nun vielleicht nicht dazu gehören, und falls ich dich da zu Unrecht touchiert habe, möchte ich mich dafür entschuldigen. Aber genau das von mir beschriebene Szenario kenne ich zur Genüge. Die eigenen Abweichungen werden mit Einzelfunden rechtfertigt, bei Abweichungen der anderen aber gelten Belegversuche mit Einzelfunden (bzw Einzelbelegen) als unseriös mit eben dem genannten Argument der Ausnahmedarstellung, wo man sich doch lieber an die viel besser, weil häufiger, belegten "Standarddarstellungen" halten solle, wenn man ein seriöses, authentisches Geschichtsbild vermitteln wolle. Das ist klassisches Messen mit zweierlei Maß und dagegen hab ich was.
Auch die weibliche Birka-Bestattung mit Männerklamotte und Waffen ist sehr speziell. Als konstruierten Beleg für das inflationäre Auftauchen von ominösen Schildmaiden ist sie kacke. Aber wenn sich jemand die Mühe macht, sauber die Hintergründe zu recherchieren, und wirklich viele Informationen dazu zusammen zu tragen, um die Darstellung glaubwürdig zu rekonstruieren - mega.
Genau so ein Fall wäre, da habe ich mich in den letzten Jahrzehnten mehrmals maßlos geärgert, auf einer der einschlägigen Veranstaltungen dermaßen zerrissen worden, der Betreffende wäre gar nicht dazu gekommen, seine Belege zu präsentieren. Der wäre schon im Vorfeld weggebissen worden.Wobei ich hier zu viel in Konjunktiven rede, mach ruhig Indikative draus.
Echt? Körperliches Handicap und gute Darstellung schließen sich für Dich aus?
Nein
und verstehe ich hoffentlich nur falsch
ja.
Menschen mit viel Fachwissen und guter Rekonstruktion dürfen nicht präsentieren, weil sie Brille tragen müssen (da sie ohne Brille nix sehen, und Kontaktlinsen nicht vertragen), oder im Rolli sitzen (der zweifelsfrei als modernes Hilfsmittel erkennbar ist)?
präsentieren schon. Siehe ganz oben, wo du den Unterschied nicht siehst, ich aber sehr wohl. Was mich nervt ist nicht, dass eine, nennen wir es politisch vorübergehend korrekt, körperlich gehandicapte Person eine gute Darstellung macht, sondern dass eine Darstellung automatisch gut ist, wenn sie eine köperlich gehandicapte Person macht. Weil es ob des sozialen Druckes niemand wagen würde, Kritik zu üben. Selbst wenn die Darstellung fachlich totale Kacke wäre, würde sich im Falle von an sich vollkommen berechtigter Kritik sofort eine Gruppe zusammenrotten, die den Kritiker steinigen würde. "Nur weil er im Rollstuhl sitzt muss doch seine Darstellung nicht schlecht sein!" "Äh, Verzeihung, sie ist schlecht, egal ob er da nun sitzt oder nicht." "Du hast wohl was gegen Behinderte!" ... Deshalb auch extra noch mein Verweis auf das Dekoschwert aus Sevilla. Das ist es, was mich nervt. Wenn political correctness in die Sachfragen Einzug hält. Aber
Political correctness war nicht die Intention meines Beitrags.
dann möchte ich da nichts gesagt haben. Zumindest Dir möchte ich dann nichs gesagt haben. Verzeihung. Aber im Rahmen der Vorgeschichte zu meinem Beitrag (sexuelle Orientierung, Geschlechteridentität, alles Themen, die für mich in diesem Zusammenhang vollkommen irrelevant sind und durch ihre bloße, m.E. nach überflüssige Nennung als Schlagworte der aktuellen gesellschaftlichen Debatte - wobei da nach meiner Beobachtung nicht wirklich ergebnisoffen debattiert, sondern eher dogmatisiert wird - mehr als einen Hauch von political correctness Geschmack eingebracht hatten) hatte ich eben den Eindruck, gewisse Vorgaben seien soziologisch bedingt.Zur Verdeutlichung: Würde mit diesem Fundzusammenhang (Bj 581) nun eine Darstellung als Schildmaid rechtfertigt, würde es, vollkommen zu Recht, heißen: das beweist gar nichts, das ist nur eine fantasievolle Interpretation, das ist vollkommen unbewiesen und damit unseriös. Wahrscheinlich würden amüsiert Begriffe wie "Vikings" fallen. Kommt aber plötzlich das Thema nichtbinär und so ins Spiel, wäre die Darstellung plötzlich mutig, interessant, nachdenkenswert.
Dazu habe ich auf seriöse Quellen und Untersuchungen verwiesen.
Ja, und genau darauf könnte ich auch zu der beschriebenen Lachnummer in jedem einzelnen Detail verweisen.Von den Erbstücken über die Beute bis hin zur Buddhastatue aus Jade. Ein Frankenkrieger mit Stachelhelm, Doppelaxt, Lederpanzer? Wie aus dem übelsten Fantasy-LARP? Kein Problem, kannste als Einzelstücke alles seriös belegt haben. Mir würden aber die Ohren klingeln ob dem, was da hinter meinem Rücken gelästert würde.
 
Ich finde da muss man differenzieren und den Anspruch definieren, denn man konkret stellt. Dabei sei angemerkt, dass es aber definitiv Konsens sein muss, dass man etwas darstellt was möglichst dem Stand der Forschung entspricht und das etwas übliches dargestellt wird, dass einem Durchschnittsbild gerecht wird. Für eine offene Veranstaltung, in der man im Kontakt mit den Besuchern steht und Konversation betreibt, halte ich es weitestgehend für vernachlässigbar welche Hautfarbe oder Geschlecht der Darsteller hat. Dann sollte das entsprechend kommuniziert werden. Experimentelle Konzepte wie z.B. eine Schildmaid kann ich mir da durchaus auch so vorstellen, dass man das als hypothetisches Experiment kennzeichnet und dazu eine Diskussion in Gang setzt, aber dann eben gedanklich etwas außerhalb der Verantstaltung. Wäre der Fokus auf einem stummen Display einer möglichst realen nachgestellten Lebensrealität nach aktuellem Forschungsstandpunkt, halte ich das für inakzeptabel wenn an die Ausstattung ein hoher Standard gestellt ist. Es verzerrt einfach das Bild und man muss nicht die Gegenwart in alle erdenklichen vergangenen Realitäten projizieren. Jemand der sehr beleibt ist, wird nie einen überzeugenden gotischen Harnisch tragen können. Ein vergoldeter Harnisch ohne Gefolge macht kein überzeugendes Display. Nähmaschinennähte und chemische Färbung sind ok mit Aufklärung oder unsichtbar, nicht ok in einer fokussierten Betrachtung mittelalterlicher Nähtechniken und Stoffqualitäten. usw und so fort. Trifft man diese Abgrenzung nicht und definiert dafür einen sinnvollen Rahmen, lässt sich am Ende von Identitätspolitik des modernen Hyperindividualismus leiten, kann man auch gleich Fantasy machen mMn. Es muss noch möglich sein Befindlichkeiten und Sachthemen zu trennen, ein Beinloser kann eben nicht laufen, an manche Realitäten muss man sich eben anpassen.
 
Auch die weibliche Birka-Bestattung mit Männerklamotte und Waffen ist sehr speziell. Als konstruierten Beleg für das inflationäre Auftauchen von ominösen Schildmaiden ist sie kacke. Aber wenn sich jemand die Mühe macht, sauber die Hintergründe zu recherchieren, und wirklich viele Informationen dazu zusammen zu tragen, um die Darstellung glaubwürdig zu rekonstruieren - mega.
Genau so ein Fall wäre, da habe ich mich in den letzten Jahrzehnten mehrmals maßlos geärgert, auf einer der einschlägigen Veranstaltungen dermaßen zerrissen worden, der Betreffende wäre gar nicht dazu gekommen, seine Belege zu präsentieren. Der wäre schon im Vorfeld weggebissen worden.
Das spricht nicht gerade für die wissenschaftliche Kompetenz dieser "alteingesessenen" Veranstaltungsteilnehmer. Nur wenn alte - und oftmals gar zu lieb gewonnene - Weisheiten immer wieder ergebnisoffen hinterfragt und auf dem Hintergrund aktueller Entdeckungen überprüft werden, können wir neue Erkenntnisse gewinnen (oder auch alte bestätigen). Sonst werden spätere Generationen irgendwann mal so herzlich über uns lachen, wie wir über die Fotos alter "Wikingergesellschaften" aus dem 19. Jahrhundert. ;)
Was mich nervt ist nicht, dass eine, nennen wir es politisch vorübergehend korrekt, körperlich gehandicapte Person eine gute Darstellung macht, sondern dass eine Darstellung automatisch gut ist, wenn sie eine köperlich gehandicapte Person macht. Weil es ob des sozialen Druckes niemand wagen würde, Kritik zu üben.Selbst wenn die Darstellung fachlich totale Kacke wäre, würde sich im Falle von an sich vollkommen berechtigter Kritik sofort eine Gruppe zusammenrotten, die den Kritiker steinigen würde. [...] Das ist es, was mich nervt. Wenn political correctness in die Sachfragen Einzug hält.
Ich verstehe ehrlich gesagt nicht, weshalb an diesem Punkt "political correctness" überhaupt eine Rolle spielen sollte. Macht die Person eine gute Darstellung und kann darüber fundiert Auskunft geben, dann hat sie dafür meinen allergrößten Respekt. Passt an der Darstellung vorne und hinten nichts zusammen, dann kann ich denjenigen darauf ansprechen, auf Unstimmigkeiten hinweisen und einen Diolog darüber beginnen. Das in meinen Augen wesentliche ist dabei, zwischen dem - in diesem Fall körperlich gehandicapten - Darsteller und der Darstellung zu unterscheiden. Die Darstellung kann ich kritisieren, so lange ich dem Menschen dahinter mit Respekt begegne. (Dieser Respekt beinhaltet m.E. übrigens auch, dem anderen gegenüber aufrichtig zu sein und der Person zuzutrauen, dass sie mit Kritik in Sachfragen umgehen kann.)
Würde mit diesem Fundzusammenhang (Bj 581) nun eine Darstellung als Schildmaid rechtfertigt, würde es, vollkommen zu Recht, heißen: das beweist gar nichts, das ist nur eine fantasievolle Interpretation, das ist vollkommen unbewiesen und damit unseriös. Wahrscheinlich würden amüsiert Begriffe wie "Vikings" fallen.Kommt aber plötzlich das Thema nichtbinär und so ins Spiel, wäre die Darstellung plötzlich mutig, interessant, nachdenkenswert.
Nö. :p Ich, als Person mit einer nichtbinären Geschlechtsidentität, habe allerdings großes Interesse an Funden und Quellen, die auf mir ähnliche Menschen in früheren Zeiten (insbesondere im wikingerzeitlichen Skandinavien) hindeuten könnten. Dass die Interpretation solcher Funde nicht einfach ist und es sogar fraglich ist, ob die Frage nach real existierenden "Schildmaiden" jemals geklärt werden kann, ist mir mittlerweile bewusst - nicht zuletzt dank der Aufrichtigkeit der vielen sachkundigen Personen hier im Forum. Aber nur weil ein Forschungsgegenstand schwierig (oder vielleicht sogar gar nicht) zu Belegen ist, bedeutet das ja nicht, dass man nicht versuchen kann, ihn zu untersuchen, wenn es nunmal dem persönlichen Interesse entspricht. Letztlich ist es ebenso unwissenschaftlich, sich bspw. die Funde so zurecht zu interpretieren, dass ein Beweis für die gesuchten "Schildmaiden" dabei herauskommt, wie es unwissenschaftlich ist, diese Funde von vornherein als "rein symbolisch" abzutun, damit das liebgewonnene Bild der Wikingerzeit gewahrt bleibt. So weit für den Moment. Ich arbeite mich noch durch die diversen Posts. ^^
 
Und noch ein Nachtrag: was das Argument mit der political correctness da jetzt verloren hat, erschließt sich mir nicht. Dass ein Szenario so aussehen könnte, wie von Panzerreiter beschrieben, kann ich mir auch vorstellen. Relevanz für das Kernthema der Diskussion sehe ich nicht, zumal es eine hypothetische Überlegung ist.
 
So kommt es dann auch dazu, dass beispielsweise eine Frau, die sich für Bogenschießen und historisches Fechten begeistert, dies auch in ihre - dann wahrscheinlich männliche - Darstellung einfließen lassen möchte oder ein Mensch mit nordeuropäischem Aussehen von der Kultur der Sarazenen fasziniert ist und eine solche Figur darstellen möchte. Oder sei es der langjährige Mittelalterdarsteller, der nach der drölften männlichen Darstellung nun zur Abwechslung mal in eine Frauenrolle schlüpfen möchte oder eine Frau, die sich für die mittelalterliche Schmiedekunst begeistert und Zuschauern fachkundig Auskunft darüber geben kann.
Ich gehe mal auf die von mir hervorgehobenen Aspekte ein. Ja,ich kann es mir gut vorstellen,dass ein Mensch mit nordeuropäischem Aussehen einen Sarazenen darstellt (innerhalb von Reenactment und Living History) einfach weil ihn die Kulur fasziniert und er sich damit entsprechend befasst. Warum auch nicht? Er stellt einen Sarazenen dar,er ist ja keiner,so wie der italienische Reenactor,der einen Wikinger aus Haithabu darstellt ja auch immer noch moderner Italiener des 21.Jahrhunderts ist. Anders sehe ich es aber mit de Frau in einer Männerrolle,denn eine Reenactorin,die - warum auch immer -auf MA-Märkten z.B. - einen Mann darstellen möchte (und dies nicht im Rahmen einer Bühnenrolle macht - gab es damals sowas schon?) sieht meines Erachtens nur albern aus...ebenso übrigens wie der Bischofsdarsteller,der entweder angetrunken an der Theke der Mettaverne oder - noch übler - im Zuber des Baders zu finden ist...denn das passt schlicht nicht zu der (!) Darstellung.
 
Moin! Finde es gar nicht weiter wert es zu diskutieren, wenn meine Frau (hoffentlich) Ende des Jahres als bürgerliche Frau Köln um 1350 gehen wird ist es ersichtlich, dass sie nicht aus Köln kommt.
biggrin.png
Wenn jemand meint ihre Hautfarbe (schwarz) sei nicht A werde ich dem nur beipflichten und ein „na und?“ entgegnen. Typisch deutsche Diskussion… und wir sind hier zu Hause in einem gemischt kenianisch/deutschen Haushalt eher über political correctness belustigt. just my 2 cents Christoph
 
Ich verstehe ehrlich gesagt nicht, weshalb an diesem Punkt "political correctness" überhaupt eine Rolle spielen sollte. Macht die Person eine gute Darstellung und kann darüber fundiert Auskunft geben, dann hat sie dafür meinen allergrößten Respekt. Passt an der Darstellung vorne und hinten nichts zusammen, dann kann ich denjenigen darauf ansprechen, auf Unstimmigkeiten hinweisen und einen Diolog darüber beginnen. Das in meinen Augen wesentliche ist dabei, zwischen dem - in diesem Fall körperlich gehandicapten - Darsteller und der Darstellung zu unterscheiden. Die Darstellung kann ich kritisieren, so lange ich dem Menschen dahinter mit Respekt begegne. (Dieser Respekt beinhaltet m.E. übrigens auch, dem anderen gegenüber aufrichtig zu sein und der Person zuzutrauen, dass sie mit Kritik in Sachfragen umgehen kann.)
Danke. Genau das ist mein Problem. Hätte ich es nur genauso unaufgeregt formuliert.
Typisch deutsche Diskussion… und wir sind hier zu Hause [...] eher über political correctness belustigt.
Leider hat in Dtld. in manchen Bereichen die pc und gesellschaftliche Strömungen Ausmaße erreicht, die für mich persönlich nicht mehr belustigend, sondern bedrohlich geworden sind, weshalb ich da inzwischen überreagiere. Bitte um Verzeihung. Nein, auf Details kann und will ich nicht eingehen. Ich hatte schon wunderschöne Veranstaltungen zusammen mit netten und guten Leuten aller Ethnien in unterschiedlichen Darstellungen. Ich verstehe, wenn mein Problem mit dem Auftauchen von diversen Begriffen im Hobby falsch verstanden wird. Um es richtig zu verstehen, müsste ich mehr preisgeben, als ich will. Bitte ignorieren.
 
Ja,ich kann es mir gut vorstellen,dass ein Mensch mit nordeuropäischem Aussehen einen Sarazenen darstellt (innerhalb von Reenactment und Living History) einfach weil ihn die Kulur fasziniert und er sich damit entsprechend befasst.Warum auch nicht? Er stellt einen Sarazenen dar,er ist ja keiner,so wie der italienische Reenactor,der einen Wikinger aus Haithabu darstellt ja auch immer noch moderner Italiener des 21.Jahrhunderts ist. Anders sehe ich es aber mit de Frau in einer Männerrolle,denn eine Reenactorin,die - warum auch immer -auf MA-Märkten z.B. - einen Mann darstellen möchte (und dies nicht im Rahmen einer Bühnenrolle macht - gab es damals sowas schon?) sieht meines Erachtens nur albern aus
Du traust deinen Mitmenschen also zu, dass sie im ersten Fall (Nordeuropäer stellt einen Sarazenen dar) erkennen, dass die nordeuropäischen Körpermerkmale nicht Teil der Sarazenendarstellung sind, im zweiten Fall (Frau stellt einen Mann - bspw. einen englischen Bogenschützen - dar und trägt zur Verdeutlichung einen Bart) jedoch nicht erkennen, dass die weiblichen Körpermerkmale nicht Teil der Bogenschützendarstellung sind?
ebenso übrigens wie der Bischofsdarsteller,der entweder angetrunken an der Theke der Mettaverne oder - noch übler - im Zuber des Baders zu finden ist...denn das passt schlicht nicht zu der (!) Darstellung.
Hierbei handelt es sich jedoch nicht um Körpermerkmale, sondern um Verhalten, das der dargestellten Rolle nicht entspricht. Wesentlich fände ich an diesem Falle, dass erkenntlich ist, ob der Darsteller sich gerade in seiner Rolle befindet - und dann möglichst auch entsprechend auftritt - oder ob er wieder als Mensch des 21. Jahrhunderts agiert, womit Verhalten und Darstellung (bspw. in Form von Gewandung) ja klar zu trennen wären. Im Wesentlichen höre ich bei dir heraus, dass du nicht verstehst, weshalb jemand ein anderes Geschlecht als das eigene darstellen wollen könnte - musst du nicht verstehen, nur den Wunsch respektieren - und dass so etwas in deinen Augen albern aussieht - das ist deine persönliche Wahrnehmung, die dir unbenommen sei.
Mir geht es in diesem Thread darum, darüber zu diskutieren, wie solche Darstellungen gut umgesetzt werden könnten und was dabei zu beachten wäre. Dabei bitte ich um Begründung eurer jeweiligen Positionen, damit die Diskussion nicht in einem Sumpf subjektiver Meinungen - "Das geht ja mal so gar nicht!" "Ich finde aber doch!" - endet.
Was wäre denn, wenn eine Frau so gut maskiert in einer Männerrolle auftritt, dass sie gar nicht mehr als Frau zu erkennen ist, bspw. durch Tragen von Rüstung und Helm oder theaterkosmetische Maßnahmen (z.B. Bart, Schminke)? Sieht das dann in deinen Augen immernoch albern aus? Und wenn du bei einem nordeuropäischen Darsteller eine gewisse Abweichung der Körpermerkmale von denen einer Sarazenendarstellung akzeptieren kannst - wieviel Abweichung der geschlechtlichen Körpermerkmale des Darstellers von denen der Darstellung fändest du dann vertretbar?
 
Ich sehe es ähnlich wie Rumburak. Es muss praktisch sein und zu unserem Alltag passen. Eine Freundin tritt regelmäßig als Mann auf. Sie fechtet mit ihrem langen Schwert und trägt einen Gambeson. Wenn sie spricht sind die meisten Menschen erst mal verwirrt. Meine Freundin fand es besser einen fechtenden Mann darzustellen, als das Fechten in ihre weibliche Rolle zu integrieren.
 
Hallo! Zu dem Themenpunkt "Frauen in Hosen" möchte ich ein Stück aus Matthias Toplaks "Kleidung und Tracht in der altnordischen Sagaliteratur und im archäologischen Fundkontext" zitieren: "[...] Darüber hinaus finden sich in der Laxdaela saga und der Brennu-Najáls saga zwei Stellen, die nicht direkt die Tracht der wikingerzeitlichen Frauen beschreiben, aber das geschlechtsspezifische Selbstverständnis der Sagazeit interessant aufzeigen. In beiden Sagas wird eine Frau durch ihren Beinamen mit langen Hosen in Verbindung gebracht - Baekr-Aúdr in der Laxdaela saga und der Brennu-Njáls saga - was ein Bruch mit den üblichen Kleidungskonvention der Sagazeit gewesen zu sein schien. Das Besondere scheint bei diesen beiden Frauen nicht gewesen zu sein, dass sie Hosen trugen, sondern dass diese Hosen lang waren bzw. wie die Hosen der Männer umwickelt. Falk schließt daher, dass Frauen zwar durchaus unter ihren Kleidern Hosen tragen durften, diese Hosen aber vermutlich kurz gewesen sind, auch wenn sich archäologisch keine Beinbekleidung für Frauen nachweisen ließ. Möglicherweise brachen diese beiden Frauen dagegen gänzlich mit den Konventionen und trugen ihre langen Hosen wie Männer. Zwar schien über beide Frauen aufgrund dieser Eigenheit gespottet worden zu sein, aber anders als in der Grágás gefordert, blieb dort das Tragen von Kleidung des anderen Geschlechts ohne ersthafte Konsequenzen. Dies könnte als Indiz dafür gewertet werden, dass die persönliche Kleidung doch weit eher die Sache des Einzelnen war als ein von der Gesellschaft aufoktroyiertes Dorgma." (*Falk, Altwestnordische Kleiderkunde S.122)
 
Diese - teils schon zwanghafte - politische Korrektheit wird bisweilen mehr als pervertiert, und hat nichts mehr mit den eigentlich gut gemeinten Ursprüngen zu tun. Wie schon Paracelsus so treffend ausdrückte: "Allein die Dosis macht, dass ein Ding (kein) Gift ist." Gleichbehandlung und Gleichberechtigung sind keine Einbahnstraße. Rechte bringen auch immer Pflichten mit sich. Aber das verdrängen manche Menschen gern. Man sollte (schaffen einige halt nicht) die Darstellung eines Menschen immer losgelöst von der Person betrachten können. Denn in der Regel richtet sich Kritik nicht gegen den Menschen selbst, sondern gegen dessen Interpretation und/oder Ausführung seiner gewählten Darstellung. Oft können aber die Betroffenen selbst hier gar nicht differenzieren. Die meisten fühlen sich erstmal persönlich angegriffen. Ist der Betroffene in irgendeiner Form benachteiligt und/oder schiebt sich selbst in eine möglicherweise gar nicht existente Opferrolle, kann der Shitstorm seinen Lauf nehmen. Back to Topic... 'Darf' man nur dann Reenactment betreiben, wenn man die gewählte Person auch körperlich und mit allen Merkmalen darstellen kann? Wie Ilka schon fragte - 'darf' ein Mitteleuropäer einen mongolischen Reiter, einen Samurai oder Indianer darstellen? Meiner Meinung nach ja. Begründung: Das Aussehen seiner Darstellung kann jeder Mensch uneingeschränkt beeinflussen. Die Kleidung, die Accessoires, die Materialien. Grundsätzlich ist hier niemand irgendeiner Einschränkung unterworfen. Das notwendige Fachwissen, das erforderliche handwerkliche Können, und ausreichende finanzielle Mittel mal vorausgesetzt, kann auch ein Mitteleuropäer eine perfekte äußere Darstellung eines Samurai erschaffen. Kampftechniken, Sprache, Auftreten, Verhalten wären dann noch das Sahnehäubchen. Was der Mitteleuropäer nicht beeinflussen kann, sind seine körperlichen Merkmale. Denn wohl kaum jemand wird sich für (s)eine Darstellung einer Operation unterziehen ;-) Sofern der mitteleuropäische Darsteller nun nicht irgendeine obskure Geschichte erfindet, was ihn als Europäer nach Japan verschlagen und zu einem waschechten Samurai hat werden lassen, sondern klar vermittelt, dass es genau dies eben nicht darstellen soll, ist alles gut. Gleiches auch für Mann und Frau. Wenn eine Frau einfach total Bock drauf hat, sich mit Schwert und Waffen in die Schlacht zu stürzen - bitte schön. Männerklamotte an und los. Klar erkennbar als Frau mit Männerklamotte in einer Männerrolle. Alles gut. Aber bitte keine an den Haaren herbei gezogene Geschichte zusammen basteln, die weder Hand noch Fuß hat, warum sie nun (aus was auch immer für gesellschaftlichen Verstrickungen heraus) eine Männerrolle einnehmen musste, von ihrem Umfeld voll akzeptiert wird, dies, das, Ananas. ********. Schildmaid lässt schön grüßen. Und falls es für eine solche Ausnahme doch saubere und belastbare Belege gibt, fundiert recherchiert wird, und dann noch gut umgesetzt - dann finde ich das genauso toll wie jede andere gute Darstellung. Weil die Darstellung gut ist. Und nicht wegen political Dingsbumsscheiss.
 
Ich habe nicht alle von euch gelesen weil ich grad nicht so viel Zeit übrig habe. Was Männer in Frauenrollen angeht: Haben nicht Männer in Theatervorführungen auch die Frauenrollen gespielt? Da würde sich doch die Darstellung eines Schauspielers als Mitglied einer Gaukler-Gruppe anbieten. Ich selber stehe im Moment vor der Herausforderung, dass Töchterchen sich in einer Männerrolle sieht und ein entsprechendes Gewand möchte. Fragt sich nur als was sie dann auftreten könnte.
 
Was ich hier auch immer wieder rauslese ist der Drang eine Rolle einzunehmen, was mir irgendwie total schräg vorkommt.Ich veerstehe, dass es ein didaktisches Konzept im living history ist, persönlich anfangen kann ich damit nichts. Ich betrachte meine Darstellung als generisches Amalgam, mich selbst enen als Kleiderstânder eines dynamischen Displays. Alles andere käme mir persönlich auch affig vor, weil ich da auch gar keine rollenspielerischen Ambitionen verspüre. Ich glaube aus diesem didaktischen Gedanken der Darstellung heraus und dem starken Fokus darauf, ergibt sich oder begründet sich für viele ein starkes Identifikationspotential, das dann wiederum die Debatte persönlich werden lässt. Wenn ich das dann auch lese, wie oft dann eine Darstellung mit sowas beginnt (ich bin der xy aus yz und Sohn des bla, Tochter des blubbb...) kommt mir das eher wie eine Realitätsflucht vor. Mit dueser Überhöhung der didaktischen Technik kann ich dann mal gar nichts anfangen und sehe da auch Konfliktpotential.
 
Bei uns geht es nicht darum eine bestimmte Rolle einzunehmen. Wir haben uns für einen Zeitraum entschieden bei dem die Kleidung für mich machbar ist. Gewänder für eine ganze Familie brauchen bekanntlich viel Zeit in der Herstellung. Der Grund warum Töchterchen lieber ein Männergewand möchte ist ganz einfach: sie hasst Röcke. Allerdings möchten wir trotzdem als Familie einigermassen zusammen passen. Mal ganz ehrlich: Es hat im Mittelalter durchaus Frauen gegeben die Männerkleidung getragen haben. Unter meinen Vorfahren gibt es im 15ten oder 16ten Jahrhundert eine Anna Fenner die Ehemann und Kinder im Stich gelassen hat und abgehauen ist. Als Soldat verkleidet wollte sie nach Graubünden. Man hat sie gefunden, fest genommen und in Zürich vor Gericht gestellt. Sie hat ausgesagt, dass sie vor ihrem gewalttätigen Ehemann geflüchtet ist. Die Gerichtsurkunde dazu liegt im Staatsarchiv Zürich. Was aus ihr geworden ist habe ich bis jetzt leider noch nicht heraus gefunden. Darum finde ich, dass eine Frau die ein Männergewand trägt die Frage warum sie das tut beantworten können sollte. Ich sehe Töchterchen nicht als Soldatin, so wie oben erwähnte Anna Fenner.
 
Hallo, für mich persönlich sind in der Überschrift zwei unterschiedliche Standpunkte. Geschlechterrollen: Klares Ja. Klar darf eine Frau eine Männerdarstellung machen, gerade mit dem Hinweis an fachlich unerfahrenes Publikum: Das hier ist eine Männerausstattung, da ich gerne kämpfen möchte, dies jedoch früher von Männern gemacht wurde. "Du darfst das nicht, weil du eine Frau/ein Mann bist" ist im 21. Jahrhundert nicht mehr zeitgemäß. Das sich eine Frau einen Bart anklebt um eine Männerdarstellung zu machen empfinde ich persönlich als übertrieben, vor allem wenn der restliche Körperbau das Gegenteil verrät. Lustiger weise werden Frauen in Männerkleidung ja mittlerweile akzeptiert, umgekehrt werden Männer in Frauenkleidung belächelt. Es mangelt wohl noch an "Maskulinisten"... ;-) Und, genau wie oben schon beschrieben wurde: Ein Wikinger in Polyester und Hörnerhelm ist eine schlechte Darstellung, ob mit Rollstuhl oder ohne. Ein Wikinger in guter, authentischer Ausstattung ist eine gute Darstellung, ob mit Rollstuhl oder ohne. Ethnien: Finde ich deutlich schwieriger zu beantworten. Grundlegend wichtig wäre mir dazu die Meinung der entsprechend dargestellten Gruppe. Wobei da natürlich auch immer mit unterschiedlichen Antworten zu rechnen ist. Wird eine Gruppe Samurai-Darsteller nach Japan eingeladen ist das ja schon ein deutliches Zeichen das die Japaner damit grundlegend einverstanden zu sein scheinen. Wie Schnazel schon schrieb: es gibt einen Unterschied in "Ich stelle einen Samurai mit seiner Ausrüstung dar" zu "Ich bin ein echter Samurai" Ich habe Freunde in der Szene Nordamerikanischer Natives. Dort gibt es auch die Ansätze: "Ich versuche voll in die Kultur einzutauchen mit allem was dazu gehört" und "Ich trage und zeige die Ausstattung eines Lakota Kriegers, nehme aber an keinen rituellen Zeremonien teil weil das Anmaßung wäre". Gegner der Szene wettern: "Was fällt euch ein, ein Volk erst auszurotten und dann nachzuspielen..." Interessant wäre für mich auch hier ein Feedback eines geborenen Natives, welches ich aber akt. leider nicht habe. Fazit: Bei der Darstellung anderer Ethnien sehe ich deutlich mehr Fallstricke und Grenzen als bei beim ersten Thema. Deswegen würde ich aber nicht sagen das es nicht möglich wäre, im Gegenteil.
 

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