Der Plattenrock bzw. Spangenpanzer und seine Entwicklung im 13.& 14. Jhd.

This site may earn a commission from merchant affiliate links, including eBay, Amazon, and others.

Thomas W.

Moderator
Registriert
01. Jan. 2011
Beiträge
6.885
Reaktionspunkte
5.112
Ort
CH-9400 Rorschach
Guten Morgen zusammen. Wie ihr bereits wisst, interessiere ich mich schon eine Weile für Waffen und Rüstungen. Heute möchte ich mal kurz das Thema Plattenrock des 13./14. Jhd. etwas genauer beleuchten. "Zustätzlich zum normalen Ringelpanzer trugen die besser gerüsteten Panzerreiter (...) in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts (...) einen Plattenrock. Dieser wird in zeitgenössischen Quellen als platen bezeichnet. Sie werden vereinzelt schon in Texten aus der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts erwähnt und setzten sich in der zweiten Hälfte des 13. Jhd. so sehr durch, dass z.B. Heelu in seiner Verschronik über die Schlacht von Wohrringen nur noch von platen spricht wenn er die Körperpanzerung meint (...). Die platen bestanden aus einer Reihe von grösseren (...) Eisenplatten, die meist auf einer Unterlage aus festem Stoff oder Leder aufgenietet waren und unter dem Waffenrock getragen wurden, sodass sie auf Abbildungen nicht zu erkennen sind. Eine andere Möglichkeit bestand darin, die Platten direkt auf der Innenseite des verstärkten Waffenrockes derart zu befestigen, dass die Nietköpfe auf der Aussenseite sichtbar waren. Einen solchen Panzer trägt die die Statue des hl. Mauritius im Magdeburger Dom" (Lehnart, 1150-1320, S. 98) Im Bücherstudium zu diesem Rüstungstyp las ich, dass Heiko Brandl die Statue des Hl. Mauritius in seinem Buch (Brandle, S. 226) auf einen Zeitraum zwischen 1240 und 1250 und Matthias Puhle das selbe Exemplar in seinem Werk (Puhle, S. 106ff) auf einen Zeitraum zwischen 1240 und 1270 datierte. Das unten eingefügte Bild zeigt die Statue des hl. Mauritius. Anhang anzeigen 7153 Bildquelle: https://www.lixarebellum.de/) Die Anordnung der Platten sieht beim Plattenrock des hl. Mauritius rekonstruiert so aus, wie es das unten aufgeführte Bild abbildet: Anhang anzeigen 7154 (Bildquelle: http://f15919.nexusboard.de/) Weiter geht es mit den Plattenröcken des 14. Jhd.: "Von diesem Panzertyp gibt es im 14. Jhd. eine Vielzahl von Varianten, die sich voneinander von der Grösse und Anordnung der Platten und der Art der Art des Verschlusses unterscheiden. Thordeman unterscheidet nach der Art der Panzerplatten zwischen zwei Grundtypen: denen mit ausschliesslich hochrechteckigen Platten und denen mit sowohl senkrechten als auch waagerechten Platten. Bei den Wisby-Rüstungen sind diejenigen zahlenmässig stärker vertreten, die ausschliesslich mit vertikalen Platten versehen sind. In dieser Gruppe stellen wiederum diejenigen den grössten Anteil, bei denen Bauch und Rücken lediglich durch eine einzige Reihe relativ langer und grosser Platten geschützt werden. Diese Art ist aber sehr altertümlich und war zur Zeit der Schlacht um Wisby 1361 technisch längst überholt und auf dem europäischen Festland nicht mehr anzutreffen. (...) Wegen der waagegerecht angeordneten (Bauch-) Spangen spricht man beim Plattenrock in der einschlägigen Fachliteratur auch vom "Spangenpanzer". (...) Die Zahl der Platten bei den Wisby-Plattenröcken sind sehr unterschiedlich. Zählt man in einem fall lediglich acht grosse Platten mit einer maximalen Grösse von 50x15 cm, so kommt man in einem anderen Fall auf mehr als 200 kleine Platten mit einer maximalen Grösse von 4x10 cm. Ist die Schutzwirkung der eines Spangenpanzers unabhängig der Grösse der einzelnen Platten, so erhöht sich mit der Anzahl der Platten die Beweglichkeit und der Tragekomfort - aber auch der Preis (...)". (Lehnart, 1320-1370, S. 80) Hier mal eine von ca. sieben unterschiedlichen Panzerungsvarianten, wie sie bei Wisby gefunden wurden: Anhang anzeigen 7155 (Bildquelle: https://larp-pics.tumblr.com/) "Da die Platten in der ersten Hälfte des 14. Jhd. noch relativ gross sind, liegen die Nietreihen ziemlich weit auseinander. Wegen der im Vergleich zu einer Brigantine geringeren Anzahl der Platten und des daraus resultierendes hohes Gewichtes der einzelnen Platte ist die Belastung des Trägermaterials relativ hoch. Anders als bei einer Brigantine des 15. Jhd. (...) ist deshalb bei einem Plattenrock des 14. Jhd. von einem auf der Innenseite mit Leinen verstärkten Lederrock auszugehen. (...) Auffallend ist, dass viele der Panzerfunde (Wisby, Küssnacht, Tannerberg) keine Platten zum Schutz des Schlüsselbeines aufweisen. Vielleicht fürchtete man eine zu starke Einschränkung der Bewegungsfreiheit der Arme. Manchmal sind schmale Schulterplatten vorhanden, an denen mittels einen primitiven Scharniers ein Schild- oder Lindenblattförmig getriebenes Teil befestigt war, welches den Armansatz schützt. (Lehnart, 1320-1370, S. 82ff) "Wie auf zeitgenössischen Darstellungen zu erkennen, waren anscheinend auch im 14. Jahrhundert die meisten der überwurfartigen Plattenröcke mit dem Rückenverschluss versehen (...) Innerhalb dieser Gruppe treffen wir verschiedene Verschlussarten an: Rücken-, Seiten- und Vorderverschluss. (...) All diese Plattenröcke wirken relativ unförmig, da sie nicht tailliert sind und an ihren Trägern wie Tonnen herabhängen. Erst mit der Verwendung kleinere, querrechteckiger Platten wird es möglich, den Plattenrock geschmeidiger und figurbetonter zu machen, womit wir beim sogenannten Lentner/Lendner angelangt wären." (Lehnart, 1320-1370, S. 84) In den unten eingefügten Bildern sieht man zwei Realien aus meiner Sammlung zu diesem Thema. Einen Plattenrock (rechts) nach den Vorlagen des hl. Mauritius (um 1240-1270) und von den schlafenden Wächtern im Konstanzer Münster (um 1270-1280). Er ist (so wie oben beschrieben und gezeigt) aufgebaut und wurde zusätzlich mit roter Seide verkleidet. Der Plattenrock/Lendner (links im Bild) wird auf die zweite Hälfte des 14. Jhd. datiert. Er zeigt die späte Form (bzw. eine Übergangsform), die bereits über eine taillierte Form verfügt. Plattenrock 13 und 14 Jhd..jpgBildquelle: ich) Hier ein Foto der Verschlüsse auf den Rückseiten: Plattenrock Verschlüsse.jpgBildquelle: ich) Hier ein flüchtiger Einblick in die Armöffnungen. Man erkennt schon ganz gut die unterschiedlichen Konzepte bei der Anordnung der Platten: Innenansicht 13. 14 jhd..jpg(Bildquelle: ich) Und zum Abschluss noch eine Innenansicht des Plattenrockes/Lendners aus der zweiten Hälfte des 14. Jhd. Innenansicht Plattenrock 14. Jhd..jpg(Bildquelle: ich) Quellen für diesen Beitrag: - Die Skulpturen des 13. Jahrhunderts im Magdeburger Dom, von H. Brandl, Michael Imhof Verlag, 2009, ISBN 978-386568533-9 - Aufbruch in die Gotik / Der Magdeburger Dom und die Stauferzeit (Band II Katalog), von M. Puhle, Phillip von Zabern Verlag, 2009, ISBN 978-3-8053-4113-4 - Kleidung & Waffen der Früh- und Hochgotik 1150.1320, von U. Lehnart, Karfunkel Verlag, 2013, ISBN 978-3-935616-54-6 - Kleidung & Waffen der Spätgotik I 1320-1370, von U. Lehnart, Karfunkel Verlag, 2000, ISBN 3-9805642-8-2
 

Anhänge

  • Plattenrock 13 und 14 Jhd..jpg
    Plattenrock 13 und 14 Jhd..jpg
    479,3 KB
  • Plattenrock Verschlüsse.jpg
    Plattenrock Verschlüsse.jpg
    283,7 KB
  • Innenansicht 13. 14 jhd..jpg
    Innenansicht 13. 14 jhd..jpg
    233,4 KB
  • Innenansicht Plattenrock 14. Jhd..jpg
    Innenansicht Plattenrock 14. Jhd..jpg
    155,4 KB
Interessant. Wie beweglich ist man darin?
 
Interessant. Wie beweglich ist man darin?
Ja, dass ist ein guter Punkt. In beiden Varianten ist man "unbeweglicher" unterwegs, geniesst dafür aber einen deutlich höheren Panzerschutz. Der Plattenrock des 13. Jhd. schränkt die Beweglichkeit leicht ein. Seitliches Beugen (etc.) ist durch die Anordnung der Platten beispielsweise nicht mehr so uneingeschränkt möglich. Da der feste Teil des Plattenrockes (wenn er richtig gebaut wurde) aber unterhalb des Bauches aufhört, kann man mit ihm gut sitzen (auf einem Pferd z.B.) und die Beine noch komplett anwinkeln und problemlos in die Hocke gehen, etc. Auch die Arme sind frei beweglich. Bei den Plattenröcken des 14. Jhd. ist die Beweglichkeit dann durchaus noch etwas mehr eingeschränkt, da sie teilweise bis über die Hüften gingen und teils auch im Schulter- und Rückenbereich über eingenietete Platten verfügten. Ein Beugen oder auch Drehen des Oberkörpers ist (auch bei meinem) wirklich nur eingeschränkt möglich. Auch U. Lenhart schreibt dazu: "Bei dieser Panzerart ist ein Beugen des Rumpfes kaum möglich und ein Einsatz zu Pferd fast ausgeschlossen". (Lehnart, 1320-1370, S. 80) Es hatte schon seinen Grund, dass diese Art der Panzerung recht zügig immer weiter und weiter entwickelt (bis hin zu Brigandine des 15. Jhd.) wurde. Irgendwann bot der Plattenharnisch dann den besseren Schutz bei höherer Beweglichkeit. Ich sehe (aus heutiger Sicht betrachtet) diese Art von Panzerung als eine Art "Übergangspanzerung" an, die den Entwicklungszeitraum vom Ringpanzer bis zum Plattenharnisch überbrückte. Quelle: - Kleidung & Waffen der Spätgotik I 1320-1370, von U. Lehnart, Karfunkel Verlag, 2000, ISBN 3-9805642-8-2
 
Auffallend ist, dass viele der Panzerfunde (Wisby, Küssnacht, Tannerberg) keine Platten zum Schutz des Schlüsselbeines aufweisen.
Hallo Thomas, die in der Regel am Helm befestigte Brünne war gepolstert und ging über die Schultern. Schöne Plattenröcke hast Du. LG G.z.W.
 
Auffallend ist, dass viele der Panzerfunde (Wisby, Küssnacht, Tannerberg) keine Platten zum Schutz des Schlüsselbeines aufweisen.
Hallo Thomas, die in der Regel am Helm befestigte Brünne war gepolstert und ging über die Schultern. Schöne Plattenröcke hast Du. LG G.z.W.
Ich danke dir und ja, so war es gedacht. :thumbup: Das hat sich so gut ergänzt. Die meisten meiner Beckenhauben aus dem 14. Jhd. verfügen auch über eine Brünne. Leider sind nicht mehr alle zu 100% intakt. Beckenhauben.jpg(Bildquelle: ich)
 

Anhänge

  • Beckenhauben.jpg
    Beckenhauben.jpg
    387,6 KB

Neueste Beiträge

Oben