Über vier Jahre später traue ich es mir zu, meine Frage nochmal selbst zu beantworten.
Ja, den Scheibenknauf gab es um 1160 herum bereits. Man sieht ihn
(neben den bekannten auf diese Zeit datierten Funden) z.B. auch auf Abbildungen im Rolandslied des Pfaffen Konrad
(1170-1180), in der Winchester Bibel
(1160-1180), im Hunterian Psalter
(um 1170), der Arnstein Passionale
(1170-1180), im Ottobeuren Collectar
(1175-1200), im Kopenhagen Psalter
(1175-1200) und im Harley Psalter
(1175-1200) und in weiteren Quellen. Andere Knaufformen sind zu dieser Zeit aber mindestens (!) ebenso präsent, wenn nicht sogar präsenter! Gerade im HRRDN findet man in der zweiten Hälfte des 12. Jhd., und der ersten Hälfte des 13. Jhd. häufiger Formen, die heutzutage mit den Begriffen "Pilz- und Paranussknauf" bezeichnet werden. Auch weitere Knaufformen sind für den Zeitraum um +-1200 möglich. Hier eine Auswahl an "andersförmigen"
(also als der Scheibenknauf) Knäufen aus meinem Bestand für diese Zeitstellung:
(Bildquelle: Ritter Erasco) Da ich gerne mit Oakeshott-Klassifizierung arbeite
(von oben im Uhrzeigersinn): Knauf D, A, B, E und N
(es gibt aber noch weitere Knaufformen, als die hier gezeigten). Wenn wir schon dabei sind möchte ich noch anmerken, dass die Gesamtlängen der einhändigen Schwerter in diesem Zeitraum im Schnitt bei um 100cm
(+-5cm) lag. Lehnhart spricht im Durchschnitt sogar von 108cm Gesamtlänge
(bei einer von ihm für sein Buch untersuchten repräsentativen Auswahl). Die frühen langen Schwerter
(Typ XIIa und XIIIa) sind natürlich noch länger
(aber dazu ein andermal mehr). Kürzere Exemplare
(in diesem Fall mit z.B. 90,3cm und 85,5cm Gesamtlänge) schreibt Lenhart "halbwüchsigen bzw. ungewöhnlich kleinen Männern" zu.
(dies nur mal so am Rande, denn viele Blankwaffennachbildungen dieser Zeitstellung fallen heutzutage "zu kurz" aus). Ausnahmen kann es beim Oakeshott Typ X geben. Der war allgemein etwas kürzer. Die häufigsten Klingenformen um +-1200 dürfte der Oakshott Typ X, XI, XIa und XII gewesen sein. Dies sind alles Klingen die primär für den Hieb ausgerichtet waren und weniger für den Stich. Ihre Orte laufen
(auch bei erhaltenen Originalen dieser Zeit) in der Regel "rund" aus
(Achtung! Die deutsche Oakeshott-Klassifikation auf wikipedia beschreibt das falsch! Sie spricht generell von einem spitz auslaufendem Ort. Genau wie bei den spätmittelalterlichen, primär für den Stich optimierten Schwertern... die hingegen laufen am Ort aber tatsächlich "spitz" aus!). Aber ja, gelegentlich findet man auch um 1200 herum schon "wirklich spitze" Ausnahmen bei den Orten. Sie sind aber
(meiner Meinung nach) nicht die Regel. Erst im weiteren Verlauf des 13. Jhd.
(primär ab der zweiten Hälfte) werden die Orte generell spitzer und die Klingen mit kürzeren Hohlkehlen
(wie beim Typ XII zum Beispiel) versehen, um sie allgemein für den Stich zu optimieren
(da die Körperpanzerung ja bekanntlich in diesem Zeitraum überarbeitet wurde = Stichwort Plattenrock, etc. und man mit hauen/schneiden nicht mehr sonderlich weit kam). Der Txp XII kann übrigens beides haben
(jenachdem wann die Klinge im Einsatz war). Also einen eher runder auslaufenden, oder einen spitz auslaufenden Ort. Nicht das wir uns falsch verstehen. Auch die rundauslaufenden Orte sind "spitz"
(und scharf bis ganz nach vorn)! Aber sie sind nicht primär dazu gemacht, um z.B. Ringpanzer etc. zu durchbohren. Dazu benötigt es optimalerweise eine andere Form
(und einen etwas anderen Aufbau der Klinge).
(Bildquelle: Ritter Erasco) Hier seht ihr mal drei "rund auslaufende" Orte
(von links nach recht) meiner Typen XII, XI und X, wie sie um +-1200 herum im Einsatz gewesen sein könnten. Dies waren mal meine Gedanken bzw. Rechercheerkenntnisse dazu. :bye01