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Guest
Wie an anderer Stelle schon beschrieben ist es mir ein Anliegen auf das Thema Standesentwicklung ein wenig näher einzugehen. Erstens habe ich in letzter Zeit zu oft gehört, dass Mittelalter hätte nur drei Stände (Adel/Kklerus/Bauer) und zweitens ist es mir ein Anliegen gewisse Fehlinterpretationen von Begrifflichkeiten aus der Welt zu schaffen. An dieser Stelle will ich nun nur auf die Entwicklung des Ritters eingehen, genauer auf den Werdegang der Ministerialität. Aber beginnen wir ganz einfach: Der Begriff Ritter und die Ministerialität: Für den Lateiner ist ein Ritter erst einmal ein "miles", ein in Waffen stehender Soldat, tatsächlich sogar eher der Fußsoldat, bis im 10. und 11. Jahrhundert die Wende kam. Der Begriff Miles bekommt eine neue Bedeutung. Zum einen bezeichnet er nun den adeligen Vasallen, des gerade neu herausgehobenen Stand - dem Adel, welcher seine Ausreifung im 12. und 13. Jahrhundert erfahren sollte. Hinzu kam, dass es Sitte wurde nicht mehr alle Krieger als "miles" zu bezeichnen, sondern nur noch den schwergewappneten Reiter. Der Fußsoldat heißt nun "pedites". Im 12. Jahrhundert nun erfährt der Begriff "miles" einen sehr wichtigen Zuwachs. Im Raumd des HRR bildet sich ein Stand heraus, der anfangs als "miles", aber schon bald als "ministerialis" bezeichnet wird. Der Ministeriale als Dienstadeliger ist geboren und erlebt seine Blütezeit. Als unfreie, an einen Lehnsherrn gebundene und nicht erberechtigte Standesform weißt sie dennoch ein breites Spektrum an Einschränkungen an "niederen Diensten" auf. Ein Ministerialer durfte nicht für niedere Arbeiten "unter seinem Stand" missbraucht werden. Sie dienten als Verwalter am Hofe, ganzer Burgen oder Güter, als elitäre Kriegereinheit. Ab spätestens dem 12. Jahrundert sprechen wir, wenn im deutschsprachigen Raum von einem Ritter die Rede ist, von einem Panzerreiter im Ministerialen Dienst oder von adeligen Stand, welcher eine Schwertleite hinter sich gebracht hat. Dieser Stand achtet gerade im Hochmittelalter strengstens auf seine Rituale und Rechte. Zeitgleich entwickelt sich die Höfische Kunst, aus der Tischzucht, Minne und weitere kulturelle Phänomene hervor gehen. Ganz wichtig zum Beispiel die Hochmittelalterliche Romankultur, die in Frankreich begann und an ganz wichtigen Stellen sogar von deutschen Dichtern in der Symboltiefe verfeinert wurde, man denke nur an Wolfram von Eschenbach's Interpretation des "Parzival" von Chretien de Troyes, welche nach Wolframs Umarbeitung viel mehr Moral und CHarakterentwicklung hatte, aber ich schweife ab ... Der Wandel im 13. Jahrhundert Anfang des 13. Jahrhunderts geschieht etwas unvorhegesehenes für den alteingesessenen Erbadel. Im Laufe von 100 Jahren wird der Ministeriale Diener sein, so schon recht hohes, Selbstbewusstsein erweitern und seinen Stand erweitern und das kam so. Mit den Ausbau vieler Ortschaften zu Städten mit Stadtrecht kam der Aufstieg des Bürgers und damit ein weiteres Machtsprektrum. Anfangs am Rhein, ab der 2. Hälfte des 13. Jahrhunderts erhalten mehr und mehr Orte an strategisch günstigen Knotenpunkten ein Stadtrecht mit einem Stadtrat, einem Bürgermeister und der niederen Gerichtsbarkeit. Alles Zugeständnisse an den Bürger, der dafür dem Landesherrn weiter brav Steuern zahlen soll. Da der Mensch aber nunmal ungern Macht abgibt kommen einige Landesherren ins Grübeln. Wie könnte man immer noch Einfluss auf die Entscheidungen innerhalb der Stadt und deren Befugnisse nehmen? Die Antwort ist schnell gefunden, Ministeriale werden vom Landesherrn in den Städten angesiedelt mit den Auftrag in die Stadträte zu kommen. Die sind aber nicht dumm und erlassen ihrerseits, dass Ministeriale keine Bürgerrechte bekommen. Sie gelten nicht als Bürger, nur als Wohnberechtigte. Schon bald passiert es, ärger macht sich breit und einige Städte entscheiden sich für eine Fede um mehr Rechte gegen ihre Lehnsherren zu erzwingen. Aber wie soll man das bewerkstelligen, wenn man doch keine erfahrenen Krieger innerhalb der Stadtmauern hat .... moment mal, da war doch was. Und ja ihr ahnt es schon, der Ministeriale Stand in der Stadt wittert seine Chance. Er verbündet sich mit den Städtern gegen den Lehnsherren unter der Voraussetzung, dass er Bürgerrechte bekommt. Die Bürger nehmen dankbar an, einige Städte gewinnen, einige verlieren, aber viel wichtiger ist, es geschieht folgendes. Tatsächlich gibt es innerhalb der Stadtadel-Forschung zwei konkurrierende Meinungen was den Begriff dieses Sub-Ministerialen angeht. Zum einen meinen einige, dass es bürgerlicher Ministeraler heißen muss weil wichtig wäre darauf hinzu weisen, dass der Ministeral bürgerlich war. Andere sind der Auffassung es müsse ministerialer Bürger heißen weil wir nicht mehr von einem Ministerialen, sondern von der Geburt eines neunes Sub-Standes reden müssten. Dieser Streit dauert übrigens jetzt schon über 30 Jahre ... Egal wie ihr es nennen wollt, es passierte im großen und ganzen folgendes. Eine ministeriale Person, die zwar Wohnrecht, aber kein Bürgerrecht hatte konnte nicht nach dem Stadtrecht abgeurteilt werden. Für sie galt das Ministerialrecht. Im Streit mit einem Bürger unterschrieb der Ministeriale also gerne mit "ministerialis" um klar zu stellen, dass der Bürger ihm mit den Gesetzen der Stadt nichts anhaben konnte. Im Streit mit seinem Lehnsherrn hingegen kam es ab der Aufnahme in die Stadt zu einer Wendung. Der Ministeriale unterschrieb seine Widerrede gegen den Lehnsherrn nicht mehr mit "ministerialis", er unterschrieb mit "miles et cives". Es ist passiert, der Ministeriale löst sich auf. Dies ist die Geburt von Stadtadeligen, später Patrizier, und Landadel, beide mehr oder weniger ab dem 14. Jahrhundert als Niederer Adel bekannt. Die weitere Entwicklung ist bekannt, Kaufleute werden reicher und kaufen sich in den Adelsstand ein während der Landadel verzweifelt an seinen alten Federechten fest halten will und den Aufbruch in die neue Zeit verpasst. Einer der bekanntesten ist übrigensEppelein von Geilingen, der sich mit Nürnberg im Glauben an ein Federecht anlegte und nach seiner Niederlage als gemeiner Raubritter in Neumarkt gerädert wurde - eine Todesart welche unter aller Würde eines Adeligen war zu der Zeit. Weiterführend wird der Ritterstand zwar immer noch versuchen seine Ideale zu verfolgen, adelige Herren gründen Ritterorden (Goldenes Vlies, Hosenband-Orden, etc) aber immer mehr kauft sich der reiche Bürger in die Priviliegiengesellschaft ein. So, was ist also das Fazit. Es gab einen Stand, der sich aus einer elitären Kriegerschaft am Ende des Frühmittelalters entwickelte. Im Hochmittelalter erlebte der Stand des Ministerialen seine Blütezeit. Gemeinhin heißt es, dass 1250 das Spätmittelalter beginnt, ergo mit der Durchsetzung der Städte im ganzen HRR. Zeitgleich befreit sich der Dienstadel "ministerialis" aus der grundlegenden juristischen Abhängigkeit gegenüber dem Ministerialrecht seines Lehnsherrn. Oder anders: Im Spätmittelalter gibt es keine Ministeriale mehr. Der typtische Ritterstand weicht gegen den Verzweifelten Widerstand eben jenes Standes immer mehr auf. Sprich: Zu behaupten, dass man zwischen Ritter und Bauer erst im Spätmittelalter unterscheiden kann ist grundlegend falsch. Das Gegenteil ist der Fall.