Mittelalter-Laute lernen Ganz im Gegensatz zur Renaissance-, Barock-, und Gitarrenlaute, gibt es m.W. keine erhältlichen Unterrichtswerke für Mittelalterlaute. Um sich der Zielsetzung zu nähern, muss man erstmal überlegen: - welche Spieltechnik möchte ich spielen (Plec, Hybrid, Orient(Ud)...)? - was für ein Instrument benutze ich (4, 5, 6 -chörige Mittelalter/Renaissancelaute, Gitarre(nlaute)? (wäre zum beginnen möglich) - welche Stimmung? - kann ich schon, z.B. Gitarre spielen, Noten...? Daher sei vorweg erklärt, daß alles was ich hier vorschlage nur eine unverbindliche Auslotung vieler Möglichkeiten darstellt, und nicht den geringsten Anspruch auf Allgemeingültigkeit erhebt. Gehen wir mal davon aus, Du hast überhaupt noch keine Spielerfahrung. Oft wird z.B., wenn man E-Gitarre lernen möchte empfohlen, erstmal Unterricht in klassischer Gitarre zu nehmen. Das schafft eine gute Grundlage, ist aber nicht notwendig, und mancher Metal-Head hat da einfach keine Lust drauf - sehe ich hier genauso. Um also etwas direkter zu beginnen, könnte man sich ersteinmal eine Schule für Renaissancelaute zulegen, z.B. "Neue Schule für Renaissancelaute" von Stefan Lundgren (zweisprachig deutsch/englisch) , oder "Method for Renaissancelute" von Andrea Damiani (in englisch und italienisch erhältlich) - Bezugsquellen einfach ergoogeln. In beiden Schulen wird nach französischer und italienischer Tabulatur, in Renaissancestimmung gespielt. Französische Tabulatur: Auf 6 Linien, welche die Saiten (Chöre) darstellen, sind in Takten angeordnete Buchstaben gesetzt, welche die Bünde der Laute anzeigen. Z.B. ein a auf der obersten Linie = höchste Saite wird leer gespielt. Ein c auf der dritten Linie (von oben) = 3. Saite (Chor) wird im 3. Bund gegriffen. Über den Buchstaben stehen Rhythmuszeichen, welche die Tondauer angeben. Italienische Tabulatur: Gleiches Prinzip, nur werden Zahlen verwendet. 0 = leere Saite, 4 = 4. Bund. Hier ist die höchste Saite jedoch auf die unterste Linie gesetzt - also spiegelbildlich zur französischen. Es gibt noch die Tabulatur des spanischen Vihuelisten Don Luis Milan: Analog zur italienischen mit Zahlen, jedoch ist die oberste Saite wie bei der französischen oben gezogen - also im Prinzip wie die moderne Gitarrentabulatur mit Rhythmuszeichen. Die deutsche (ältestüberlieferte) Tabulatur ist die komplizierteste und heute kaum in Gebrauch. Sie wird von einigen Autoren dem blinden Nürnberger Organisten Conrad Paumann (1409/10/15 - 1473) zugeschrieben und ist mit der Orgeltabulatur verwandt. Hier hat jeder Bund auf jeder Saite ein eigenes Zeichen. Es werden keine Saiten auf dem Notenblatt symbolisiert. Interessant ist die Verwendung von Klein-, und Großbuchstaben im Rahmen ihrer Entstehung: Vom ersten (höchsten) bis zum 5. Chor verwendet sie für die Leersaiten Zahlen, und für gegriffene Bünde Kleinbuchstaben (sowie die Extrazeichen "et" und "con"). Als dann gegen Ende des 15. Jhd. der 6. Lautenchor (der "große Prummer") beigefügt wurde, wurden Großbuchstaben für ihn gesetzt. Also eine Ergänzung eines schon im Spätmittelalter entstandenen Systems. Wer sie dennoch lernen möchte, dem empfehle ich "Hans Judenkünig Ain schone und kunstliche vnderweisung auff der Lautten vnd Geygen 1523". Es gibt eine Ausgabe mit faksimiliertem Originaltext, deutscher Tabulatur, Gitarren-, und Klaviernotation von Helmut Mönkemeier bei Friedrich Hofmeister (Verlag) - viel Spaß
Der Vorteil der Tabulatur ist, dass man gleich sieht wo die Finger hin müssen. Bei der Klangnotierung (Noten) kann man hingegen den Verlauf der Melodie besser erkennen. Die Stimmungen der erwähnten Schulen, sind entweder G,c,f,a,d',g' oder A,d,g,h,e',a'. Diese sind beide
relativ gleich gestimmt: Eine zwischen den mittleren Chören stehende Terz, wird von zwei Quarten umgeben. Wie im Guidonischen Hexachord (siehe Faden mittelalterliche Musiktheorie) finden wir wieder eine Symmetrie vor. Architektonische Symmetrien hatten einen Bezug zur angestrebten Perfektion. Dabei war aber keine absolute Tonhöhe gemeint. In der Praxis wurde die höchste (Darm)saite gezogen "als sies lyden mag" - also ca. einen Halb-, oder Ganzton unter die Zerreissgrenze. Der so entstandene Ton wurde in Deutschland a, und in Italien, Frankreich, England... g genannt. Um diese relative Stimmung auf der Gitarre zu erreichen, zieht man einfach die g-Saite auf fis ab, und erhält so E,A,d,fis,h,e' - damit sind die Renaissancetabulaturen auf der Gitarre spielbar. Wenn man nun einen Kapodaster auf den 2.,3.,4., oder 5. Bund klemmt, kommt man dem Klang der Renaissancelaute näher - es gab aber auch früher schon Lauten mit großer Mensur (schwingende Saitenlänge). Nun wollen wir ja mittelalterlich, und nicht renaissancig spielen. Trotzdem leistet ein Arbeiten mit der Renaissanceschule (in Ermangelung einer mittelalterlichen) gute Dienste: - die verwendete Musik ist zeitlich näher dran, als z.B. klassische Gitarrenmusik - die ersten Kapitel beschäftigen sich ausschließlich mit dem Melodiespiel unter Verwendung der Renaissancetechnik, welche ja durch den Daumen/Zeiger - Wechselschlag noch mit dem mittelalterlichen Plektrumspiel verwandt ist. Methodisch gehen wir vor, wie in den Schulen beschrieben und legen den kleinen Finger auf die Lautendecke auf, nur daß wir ein Plektrum/eine Feder zwischen Daumen und Zeiger nehmen. Bei einem Daumenschlag (keine Kennzeichnung) schlagen wir mit dem Plectrum nach unten (Abschlag), bei einem Zeigefingerschlag (ein Punkt über/unter dem Tabulaturzeichen) nach oben (Aufschlag). Damit können wir die ersten Kapitel gut durcharbeiten. Der Abschlag sollte unter Ausnutzung der Schwerkraft etwas stärker erfolgen, so dass ein Anschlagsmuster von schwer/leicht beim Wechselschlag entsteht. Die Übungen auf leeren und gegriffenen Saiten sehr gut durcharbeiten, stets wiederholen und auch mit geschlossenen Augen üben. Wenn es dann mehrstimmig wird, bieten sich zwei Möglichkeiten an: - beide Stimmen nur einzeln spielen (oder im Duett zu zweit musizieren, oder eine spielen und die andere singen/summen). Man kann sie in der Tabulatur durch farbige Hervorhebung differenzieren. - die oben beschriebene Hybridtechnik anwenden und die Oberstimme mit dem Mittel-/Ringfinger ausführen (wer auch spätmittelalterlich spielen will) Im drei-, (einiges geht da auch noch mit Hybrid), spätestens im vierstimmigen Bereich, wird man damit aber an seine Grenzen geführt, was dann auch im historischen Kontext so gesehen werden sollte, dass man dies wohl mit der Hybridtechnik nicht kultiviert hat. Wer schon Gitarre spielt, der kann mal folgende Ausgabe probieren: "Flatpicking Medieval Music for Guitar" von Allan Alexander.
www.guitarandlute.com Eine Ausgabe für den "Flatpicker" (Stahlsaitengitarre wird mit Plectrum gespielt). Hier werden mittelalterliche Tänze und Melodien meist mit einem Bordun unterlegt. Die Notierung ist in Gittarennoten und moderner Tabulatur - diese hat gelegentlich ein paar Druckfehlerchen, denen man aber rasch auf die Spur kommt. Auf einer beigefügten CD kann man alles auf einer Stahlsaitengitarre gespielt anhören. Es wurde also gar nicht versucht "A" zu sein, jedoch ist diese Spielweise grundsätzlich schon gar nicht so weit davon entfernt - würde ich sagen - obwohl in Gitarrenstimmung. Oft wird das tiefe E nach D runtergestimmt, was einen schönen fetten Bordun ergibt. Ich empfehle hier, den Bordun nur anfangs wie notiert zu schlagen, und sich dann allmählich etwas mehr improvisatorische Freiheit zu geben. Unter dem Link gibt's Hörproben. Alles relativ leicht zu spielen. Mit etwas Recherche, findet man im net und in Bibliotheken etc. viele Texte zu den Stücken, und kann sie dann gleich mitsingen. Zur Angleichung der Stimmlage evtl. einen Kapodaster benutzen. Wer sich die Stücke so zu eigen machen möchte, dass sie auf einer 4-, oder 5-chörigen Mittelalterlaute umsetzbar wären, muss in höhere Lage ausweichen, und eben nur 4 oder 5 Saiten/Chöre benutzen. Für die Stimmung der 4/5-chörigen Laute, gibt es keine festgeschriebene Überlieferung. Es kommen in Betracht: - Renaissancestimmung, nur ohne den tiefsten (6.)Chor - alles nur in Quarten - alles in Quinten - Quinten und Quarten - Renaissancestimmung mit
Abzug (der tiefste Chor wird auf den Bordun, der zweittiefste auf seine Quinte gestimmt) - eigene dem zu spielenden Stück entgegenkommende Stimmungen (im Orient sind auch Sekundschritte überliefert) - jedoch keine auf harmonischen Akkorden basierenden Stimmungen wie z.B. die der Barocklaute Frohes Schaffen
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