die Schlüssel Frage

This site may earn a commission from merchant affiliate links, including eBay, Amazon, and others.

4403

Well-known member
Registriert
04. Okt. 2011
Beiträge
2.689
Reaktionspunkte
665
Durch eine Frage bei Facebook wurde ich angeregt eine Sache zu überdenken. Die Frage war: “Wieviele Schlüssel tragt ihr?“ Gut dachte ich, einen quasi als Symbol für meine Hausmacht..... und dann begannen meine Gedanken zu kreisen. Mir war bei der Zusammenstellung der Funde in meinem favorisierten Gräberfeld aufgefallen, dass dort nur ein Schlüssel gefunden wurde. Material: Eisen. Also in 1% der Frauengräber. Ein Blick in Birka II:3 brachte mir die Erkenntnis, das dort nur in 7% der Frauengräber Schlüssel gefunden wurden. Insgesamt 143 Schlüssel. Teilweise oberhalb des Kopfes, auf Taillienhöhe oder bei den Füßen. Die auf Kopf- und Fußhöhe lagen wohl ursprünglich auf Trugen bzw. Kästchen. Jetzt ist es ja so, dass alle Frauen bei ihrer Frühmittelalterlichen Tracht (Skandinavien) Schlüssel an den Fibeln tragen.... Ich frage mich jetzt: Szenemythos weil es alle so machen oder gibt andere Gründe? Bei meinem Gräberfeld ist die Datierung auf folgende Jahre erfolgt: -850 -900 (Schlüssel gefunden) -950 -1000 Modeerscheinung? Die Gräber mit Schlüssel in Birka werden auf die JBS datiert. Also ca. 10. Jhd. Oder wurde der Schlüssel von der Hausherrin weitergegeben zu ihren Lebenszeiten, wenn der Hausherr verstarb und die Schwiegertochter (Beispiel) quasi durch ihren Mann die Hausmacht übernahm? Einige der Bronze Schlüssel, die in Birka gefunden wurden weisen Abnutzungsspuren auf. Meiner Meinung nach keine reinen Zierschlüssel. Wie sieht es mit Haithabu und Gotland aus? Auch so “wenige“ Funde? Wie verhält es sich in den Folgejahren? Oft sieht man Frauen in Hochmittelalterlichen und Spätmittelalterlichen Kleidern auch mit Schlüssel am Gürtel. Belegbar die Trageweise? Auch außerhalb der vier Wände?
 
Für 1300 bis 1350 kann ich eine Antwort geben: Es gibt eine Unmenge an Schlüsselfunde für diese Zeit, aber halt nie im Bestattungszusammenhang da das kirchlich nicht mehr erwünscht war. In den Buchmalereien taucht der Schlüssel so gut wie nie auf und wenn nur als Symbol. Ähnlich ist es bei den Effigien: Beutel und Messer ja, Schlüssel sehr selten. Trotzdem wird die Bedeutung des Schlüssels für die weibliche Hausgewalt auch im ausgehenden Hochmittelalter noch in der Dichtung erwähnt. Aber auch da ist von einem starken Symbolismus auszugehen. Bleibt also die Frage: Trug man zu der Zeit Schlüssel am Gürtel? Nun, wenn der mann nicht zu Hause war und die Hausherrin mit der Mgd irgendwo hin musste blieb ihr wohl nichts anderes übrig. Aber das so gerne vorgelebte Stereotyp des am Gürtel hängenden Schlüssels halte ich für eine klassische Szeneübertreibung, das geben die Quellen (leider) nicht her.
 
Danke Niklas. Klar im Hochmittelalter und Spätmittelalter sind die Bestattung gänzlich anders. Ich tendiere auch mehr und mehr zum Szene Mythos.
 
Also mir sind auf Bildquellen jetzt Schlüssel nicht in dem Masse aufgefallen wie man sie auf manchen Veranstaltungen so an den Trägerinnen so sieht. Würde da auch eher auf einen Mythos abzielen.
 
Eine interessante Frage. Ich muss zugeben, dass ich auch zu diesen Schlüsselträgerinnen gehöre. Allerdings bin ich mir je länger je unsicherer ob das überhaupt so gemacht wurde. Den Schlüsselbund den ich geschenkt bekommen habe werde ich wohl nicht mehr so oft tragen. Ich kann nur für die Zeit um 1300 etwas sagen. Im Codex Manesse hat es ein einziges Bild auf dem ein Jäger etwas ähnliches wie einen Schlüssel am Gurt trägt. Es ist aber nicht klar ob es sich wirklich um einen Schlüssel handelt. http://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/cpg848/0787?sid=8c119b0f56fc703c75108b0d87c001ce&zoomlevel=5 (Quelle: http://digi.ub.uni-heidelberg.de/ ) Der Armbrustschütze hat so eine Art "Haken" das ein Schlüssel sein könnte mit einem Riemen am Gurt befestigt. Ob das wirklich ein Schlüssel ist, ist schwer zu sagen. Fazit von meiner Seite: Dass Schlüssel am Gürtel getragen wurde ist wohl wirklich ein Mythos. Zumindest in der Zeit um 1300.
 
Dieser Haken ist mit Sicherheit eine Spannhilfe für die Armbrust und kein Schlüssel.
 
Mit Armbrüsten kenne ich mich nicht aus, aber mir ist dieses Haken-Ding eben auch irgendwie seltsam vorgekommen und ich hab mich gefragt ob das wirklich ein Schlüssel sei oder nicht. Danke ihr Fachkundigen für Aufklärung!
 
Es ist schon interessant, wie schnell man einem solchen Mythos aufsitzen kann. Ich bin bisher nämlich immer der festen Überzeugung gewesen: Schlüssel muss sein. :whistling: Ich hätte die Trageweise nie in Frage gestellt, wenn nicht jemand anderes gefragt hätte und ich es nochmal nachgelesen habe. In den nächsten Wochen werde ich mich mal an Haithabu und Gotland machen, denn dann dürften die Bücher eintreffen. Mal sehen was die beiden Fundplätze so ergeben. Ich erwarte keine großen Überraschungen, sondern eher den Tenor: wenige Schlüssel - kaum bis keine Belege für die Trageweise.
 
Ich hab ein Bild wo mal mehr als ein Schlüssel drauf ist. Aber das ist aus der zweiten Hälfte des 15. Jahrhundert. https://www.pinterest.com/pin/142989356893323372/
142989356893323372
Quelle: https://www.pinterest.com/pin/142989356893323372/
 
Wenzel Hollar, Pariser Bürgersfrau, 1. Hälfte 17. Jahrhundert, also keinesfalls mehr MA. Die Bürgerin trägt an langem Gürtel ein ganzes Schlüsselbund (Leider habe ich das Bild nicht im Netz gefunden, bei Bedarf könnte ich es einscannen). Albrecht Dürer, Tanzende Bauern, 1514 http://de.wikipedia.org/wiki/Datei:Tanzendes_Bauernpaar.jpg (Quelle: Wikipedia) Auch kein MA mehr, aber der Schlüssel bzw. deren mehrere sind deutlich zu erkennen. Andere Darstellungen hab ich jetzt auch net gefunden. Allerdings ist es erst seit etwa dem 16. Jahrhundert überhaupt üblich, "einfaches Volk" abzubilden, ohne es in einen mehr oder weniger stilisierten Zusammenhang mit Herrschern oder Heiligen zu bringen. Die Darstellung der "Schlüsselgewalt" durch sichtbar getragenen Schlüssel dürfte in diesem Kontext ein Selbstbewusstsein der "dienenden Schicht" implizieren, das von der Bildaussage her nicht immer erwünscht sein dürfte. Und dass adlige Frauen Schlüssel trugen, glaube ich auch nicht. Bei diesen herrschte die Muntehe vor, die keinerlei Entscheidungsbefugnisse vorsah. Bei den Kelten gab es auch Schlüssel. Meist für Kästen und Truhen, seltener für Haustüren. Aber mir ist ad hoc kein Schlüsselfund in einem GRAB bekannt. Hier gehörten die Schlüssel zu den Kästen, Truhen und Häusern. Diese waren nicht persönlicher Besitz und Statussymbol eines Einzelnen, sondern dienten ganz alltäglichen Zwecken, so dass sie nicht mit ins Grab gegeben, sondern von den Hinterbliebenen weiterbenutzt wurden.
 

Neueste Beiträge

Oben