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La Veuve
Guest
Aloha! Um hier mal das Eis zu brechen und euch zur Abgabe eurer Berichte zu animieren, gebe ich hier einen alten Bericht von mir aus 2006 ab ... ich war vom Marktbesuch dermaßen erschüttert, dass meine hundsgemeine Schreibe sich durchsetzte und eine ganz witzige Glosse ergab: Albaxen, 16. September 2006 Und es trug sich zu, dass die teure Witwe ihren Pilgerpfad verließ, das Fuhrwerk anspannen hieß und gen Norden zog, um ihre werten Altvorderen in den heimischen Burggemäuern zu besuchen. 200 Pferde zogen nun das silbrig glänzende Fuhrwerk stetig voran - ein jeder, der die Kasseler Höhen zu überwältigen hat, weiß starke Zugkraft und den Antrieb aller vier Räder zu schätzen. Wohlan, auf Höhe der Warburg denn ließ die Reisende die Pferde verschnaufen und legte ein kleines Päuschen ein - es galt Dünnsäure zu verklappen und die innewohnenden Alviolen neu zu teeren. Dieses erledigt und ein bewundernder Blick auf die örtliche Höhenburg geworfen (wenn auch aus der Ferne) verhieß ein eiliges Weiterreisen. Stand doch die Aussicht, alsbald mit einem stärkenden Frühstück aus der Burgküche derer von Severnstein gesättigt zu werden! Es mag die achte Stunde des jungen Tages vergangen sein, als die Witwe nun endlich die Burg der Eltern erklimmte. Der Altgraf selbst ließ es sich nicht nehmen, das Entladen des Fuhrwerks unter Einsatz seines höchstpersönlichen Lebens zu ... beaufsichtigen. Die Witwe, zwischenzeitlich aus der mütterlichen Umarmung wieder befreit, suchte zunächst ihre Kemenate auf und erfreute sich an einer breiten und gemütlichen Bettstatt, welche nun für die kommenden Tage die ihre sein sollte. Das ist doch mal was anderes als die ewigen verlausten Herbergsbetten entlang des Pilgerwegs! Ein kurzes Dankgebet dem Himmel entgegen gesandt, ergab sich die weit Gereiste nun den Freuden des heimatlichen Umsorgtwerdens. Am Folgetag verkündeten Boten: Auf dem Flecken Albaxen in der Nähe von Höxter, am schnell fließenden Flusse Weser gelegen, findet ein Marktgeschehen und Spectaculum statt. Rasch bestand Einigkeit: Das wird angesehen. Von den Höhen des Weserberglandes (die altehrwürdige Siedlung Hameln, um genau zu sein) bewegte der Altgraf sein Fuhrwerk sogar selbst, und das mit erstaunlicher Geschicklichkeit. Doch ein alter Recke, der in seinem Leben so manche Meile auf dem Pferderücken oder auch mal in einem Fuhrwerk sitzend erlebt hat, übernimmt diese Aufgaben doch leichten Mutes. Ankommen im Flecken Albaxen ging zunächst einmal der gute Rat flöten: Ja, wo ist es denn, das Treiben? Spekulationen zum Spectakulum brachten auch nicht wirklich nennenswerte Ortskenntnis. So befragte man einen einheimischen Pöbel, jung an Jahren, welcher erstaunliche Manieren an den Tag legte und höflich den Weg wies. Zum so groß angepriesenen Marktereingnis ist zu sagen: Etwa 14 Minuten lang war recht gutes Hochmittelalter vertreten. Dann verließ ich die Veranstaltung. Der Veranstalter verzichtete auf kein Klischée. Wirklich nicht ein einziges. Am Tor bereits mit "Holde Maid" angesprochen, schoss die Witwe (eingedenk der die Maidenschaft unmöglich machenden Faltentiefe) zurück: "Mit 'Hohe Frouwe' darfst du mich ansprechen, Pöbel!" Der war dann erstmal ruhig. Es ist nicht zu fassen, dass ein Eintrittsobolus von 5,- € erhoben wurde! Ein paar wenige Verkaufsbuden boten nicht nur den üblichen Tand, sondern auch noch ziemlich üblen Esoterik-Kitsch an. Jeder Blick zog eine Gänsehaut nach sich. Die örtliche Restauration befand es nicht einmal für erforderlich, das allgegenwärtige Plastik ein bisschen zu verstecken. Die doch sehr überschaubare Lagerecke bot zumindest bei der Überfülle der Steckstühle ein gerüttelt Maß an unterschiedlichen Holzarten und den verschiedensten (nicht ganz den auf diesem Planeten gewesenen Epochen zuzuordnenden) Schnitzereien an. Da! Plötzlich ein gar durchdringendes Geräusch! Ein Schreck fuhr den Marktbesuchern in die Knochen ... ereilt uns das jüngste Gericht? Hat Gott der Herr ein Einsehen und tilgt diese Schmach vom Erdboden? Wobei - eine neue Sintflut kommt den edlen Gewändern nicht wirklich gelegen ... hm. Nun, des Rätsels Lösung: Es war nicht eine Horde kriegerischer Böhmen, hoch zu Ross und auf Plünderung aus. Es war auch nicht der weise Ratschluss Gottes, dem Treiben durch ausreichend Flüssigkeitszufuhr und angemessener Sintflut ein Ende zu bereiten. Es war nur das Quäken eines Dudelsacks, an dessen anderem Ende ein Dudler von Cultus Ferox hing. Die spielen ja mittlerweile auch auf, wenn es sich nur um die Eröffnung eines Briefumschlags handelt. Wissend, welch Gedröhn und Getrommel und Gedudel nun sogleich anheben wird, ward die Witwe ihrer töchterlichen Pflichten gewahr und scheuchte die verehrten Eltern zum Ausgang ... und in Sicherheit. Rasch waren die Pferde angespannt! Und flugs trat die glücklich vereinte Familie den Rückweg in die heimischen Gemäuer an. Eine gepflegte Tasse dampfenden Tees, dazu ein Stück vom Pflaumenküchlein, und der Nachmittag wurde bis zum Abendgebet, zu welchem der heimische Pfaffe durch ununterbrochenes Geläut seiner Glocke rief, doch noch ein vergnügliches Beisammensein. Eines zumindest versprach der Bote nicht zu Unrecht: Nach Besuch des Marktes hätte man etwas, worüber man noch für Tage sprechen könnte ... Wie gesagt, es ist ein alter Bericht. Aber vielleicht zaubert er dem einen oder anderen Leser doch ein herzliches Lachen aus der Kehle. Es lächelt (wie immer diabolisch) die Witwe