Essen - Frage des Standes oder des Geldes?

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Felibejo

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Grüß euch alle ganz herzlich. Danke für die Aufnahme in eurem Forum. :) Im Buch "Alles Mythos - 20 populäre Irrtümer über das Mittelalter" von Karin Schneider-Ferber kann man lesen, dass wohlhabende Bauern danach trachteten, sich zu kleiden wie die adlige Oberschicht und sich dies auch finanziell leisten konnten, aber durch Kleiderordnungen daran gehindert wurden. Die Bauern sollten schließlich nicht "übermütig" werden. Meine Frage: Galt das auch für das Essen? Soviel ich weiß, unterschied man damals zwischen der Bauern- und der Herrenküche. Aber wenn nun ein Bauer oder Handwerker wohlhabend genug war, um sich auf dem Markt z.B. auch mal exotische Gewürze wie Safran kaufen zu können oder edles Wildbret, konnte er dies dann tun? Oder gab es auch hier wieder Gesetze, die dafür sorgten, dass solche Leckereien dem Adel vorbehalten blieben?
 
Das stelle ich mir vor wie es sich heute auch regelt : Du darfst Dir heute natürlich frische Austern aus Arcachon kommen lassen, die Frage ist wie oft kannst Du Dir das leisten ? Das ist eine Frage die vermutlich schwer zu beantworten ist, und Du musst die Frage eingrenzen : welche Epoche des Mittelalters, welche Region und was verstehst Du unter Bauern ? Evtl kommt man über die Analysen von Latrinen und Abfalgruben näher, aber da bin ich leider nicht im Thema. Kennst Du dieses Blog ? Die Schreiberin hat sich tief in die Materie eingearbeitet und experimentiert, ob sie aber klären kann und will, wer was gegessen hat, glaube ich nicht : https://friedrich-und-hildegard.at/ (Quelle : https://friedrich-und-hildegard.at/)
 
Wie Silvia schon sagt: Das Mittelalter ist 1.000 Jahre lang, da gilt nicht zu allen Zeiten dasselbe. Schon der Buchausschnitt, den du genannt hast, ist falsch, wenn man das fränkische Frühmittelalter hernimmt. Ein freier Franke, ob Bauer, Handwerker, Adliger oder sonst was, durfte sich kleiden, wie er wollte. Die angebliche Kleiderordnung Karls des Großen, die in späteren Zeiten immer als Legitimation für eigene Kleiderordungen herhalten musste, war gar keine. Sie war eine Höchstpreisverordnung, mit der insbesondere die friesischen Stoffhändler an überzogenen Nepperpreisen gehindert werden sollten. Es ging da ganz konkret um den Stoff- und Färbebedarf verschiedener Mantelmodelle. Kommt immer wieder lustig auf Modenschauen, wenn ich den Leuten erkläre: Das da: ist ein Bauer!
 
Ich kenne nur sog. Kleiderordnungen aus dem späten MA oder der ganz frühen Neuzeit... die eigentlich als Luxusverordnungen bezeichnet werden müssten. In ihnen werden auch die Regeln für maximale Speisengaben bei Taufen/Hochzeiten u.ä. Festivitäten genannt... je nach Stand in der städtischen Gesellschaft. Das es solche VO geben musste, ist eigentlich ein Zeichen dafür, dass öfter und gern dagegen verstoßen wurde 8o In der Karfunkel 7/94 gab es mal einen Artikel "Speisen im Mittelalter - Spiegelbild der sozialen Verhältnisse"... der aber auch recht flach ist.
 
Aus dem stegreif weiß ich jetzt, daß es mal eine Regelung gab, wer Wildfleisch essen und jagen durfte, das dieses dem Adel vorbehalten war. Zumindest bestimmte Tiere Quelle müsste ich suchen gehen.
 
Und dann gab es ja auch Regelungen wer seine Schweine zur Mast in den Wald treiben durfte. Bei den Fastenregeln könnte evtl auch etwas zu finden sein. Wie war das ? 2 Fastentage je Woche (Dienstag und Freitags ?) dazu bestimmte Feiertage und die längeren Fastenzeiten zu Weihnachten und Ostern. Wobei ich mich schon immer gefragt habe wie man dazu kommt Schnecken oder Frösche zu essen - obwohl die Römer haben schon gefüllte Mäuse und Krähen gegessen ? Aus der Generation meiner Oma kenne ich vom Hörensagen den Dachhasen (Katze). Zu Zeiten von Erntemisserfolgen wird man sich zu helfen gewusst haben. Aber es ging gar nicht um Fleisch an sich. Mir fällt gerade die Tasche aus dem Bergwerk Altenberg (12tes) ein, die wohl für Knabberkram gedacht war, aus dem Gedächnis fällt mir aus der Publikation der Begriff Speziosen ein. Da geht es natürlich auch nicht um Bauern, sondern zu dieser Zeit waren die Bergleute wohl gut gestellte Fachkräfte. @Panzerreiter wie definierst Du Bauer ? Deine Kluft ist mit der Seide für die Feldarbeit eher ungeeignet. Das ist immer das was die Menschen als erstes denken wenn sie Bauer hören. Das ist aber schon Sonntagsstaat/Festkleidung ? Und vielleicht auch nicht der Mann der die Schweine in den Wald treibt und den Pflug führt? Die Seiden in der Reliquienlade aus St.Severin in Köln datiert auf das 11te (Packdatum der Lade) weist Seidenstoffe auf, die aufgrund von Abnutzung und Ausbleichung mehre Verwendungen hatten, bevor sie die heiligen Gebeine umhüllen durften, was für die Kostbarkeit und auch für die Nichtalltäglichkeit der Stoffe spricht.
 
@Silvia Samstag war auch fleischfrei ;) Genau dann noch an bestimmten Feiertagen und Fastenzeit sowie Advent. Ausgenommen davon waren kranke und schwache, also ältere Menschen sowie Kinder bis... puh ja, erwischt :saint: Gott hab ich lange nimmer mittelalterlektüre gelesen :whistling: Das ganze kann man jetzt noch nach Orden aufdröseln weil selbst da gab es Unterschiede und auch innerhalb der Orden nach Rang. Das würde jetzt den Rahmen sprengen
 
Deine Kluft ist mit der Seide für die Feldarbeit eher ungeeignet. Das ist immer das was die Menschen als erstes denken wenn sie Bauer hören.
Richtig. Und genau das ist der Denkfehler, den die Leute haben. Läuft der Müllfahrer den ganzen Tag in seiner Warnweste rum? Der Polizist auch am Wochenende in seiner Uniform? Der Arzt geht in seinem grünen OP-Kittel zum Italiener essen?
Und vielleicht auch nicht der Mann der die Schweine in den Wald treibt und den Pflug führt?
Richtig. Der abgebildete Bauer ist ein reicher Bauer, aber immer noch ein Bauer. Er hat viele Mansen (oder Hufen, je nachdem welche Quelle man hernimmt) Land und normalerweise bauert er auch nicht mehr wirklich selber, sondern lässt seine Knechte bauern. Wie gesagt - ein reicher Bauer halt, aber trotzdem ein Bauer. Genau so ein Freier, wie er in den Kapitularien als heerespflichtig mit Brünne und Pferd beschrieben wird. In und auf denen er auch nicht den ganzen Tag herumläuft bzw reitet.
Das ist aber schon Sonntagsstaat/Festkleidung ?
So ist es. Nicht jeder, so die Quintessenz aus der Vermittlung in den Modenschauen, der Geld hat, ist adelig. Im Gegenteil, die meisten Geldsäcke der Frankenzeit waren ganz normale, freie, aber eben erfolgreiche Leute. Im Gegenstatz etwa zu einem Grafen, der zwar auch Geld, Erfolg und sogar einen Titel hat, aber u.U. sogar unfrei ist. Das frühe Mittelalter ist sehr differenziert und vielschichtig, es entspricht in vielem so gar nicht den Klischees, die über "das Mittelalter" kursieren. Aus Seide sind übrigens ausschließlich die Borte und die Applikationen darauf. Der Rest ist Wolle, das Untergewand Leinen. Vielleicht, ganz vielleicht, stiftet der Bauer eines Tages, kurz vor seinem Tod, dem örtlichen Kloster eine Reliquie. So um sicherzugehen... Dann wäre er sicherlich sehr geehrt, wenn diese in "seiner" Seide eingeschlagen würde. Wenn die Reliquie für immer von etwas berührt würde, das auch er in seinem Leben berührt hat, dann muss das doch geradezu eine Eintrittskarte ins Himmelreich sein, oder? ;)
 
siehste das meine ich in Post 2 : was versteht man unter einem Bauern :) (Ja das "nur" die Borte aus Seide ist habe ich gesehen)
 
Schönen Dank für eure Antworten. Hätte nicht gedacht, dass man zu meiner Frage so viel schreiben kann. Aber ihr habt ja recht, das Mittelalter war lang, doppelt so lang wie das, was wir Neuzeit nennen. Um 700 war Vieles ganz anders als um 1400, und in Spanien anders als in Russland, und Manches war bereits von Stadt zu Stadt anders. Das vergesse ich manchmal, wenn ich das Wort Mittelalter höre, und ich glaube, das geht nicht nur mir so. Noch mal schönen Dank und euch allen eine gute N8.
 
schönen Dank für die kluge Frage ... und Du darfst gerne mitdiskutieren und weiter fragen. Wir sind ganz froh aus dem Dämmerschlaf raus gerissen zu werden, ist ja wenig los in der letzten Zeit.
 
Aus dem stegreif weiß ich jetzt, daß es mal eine Regelung gab, wer Wildfleisch essen und jagen durfte, das dieses dem Adel vorbehalten war. Zumindest bestimHi
Hier in der Region - genauer:dem damaligen Oberstift Münster - gab es (ich habe im hiesigen Stadtmuseum mal eine Quelle dazu gesehen) während des HoMi zeitweilig eine Vorschrift,dass nur der Adel Rehe usw. jagen durfte. Umgekehrt hiess das,dass auch der "kleine Mann" Nieder(-Klein)wild wie Hase,Kaninchen usw. jagen durfte und es auch tat.
 
Niederwild galt ja z.T. auch als Ernteschädling, das war also keine "Jagd", das war Schädlingsbekämpfung.
 
Im Großen Freien bei Hannover durfte das Volk Rot- und Schwarzwild jagen und Fischen. Das galt ab dem 12 Jhdt. Somit sollte der Tisch auch beim kleinen Mann gut gedeckt gewesen sein.
 
Im Großen Freien bei Hannover durfte das Volk...Fischen. Das galt ab dem 12 Jhdt.
und war hier im Westmünsterland so,dass es zeitweise sogar Regelungen gab - sogar noch im 19.Jahrhundert (ich weiss,ist kein Mittelalter mehr) - wie oft in der Woche man den Knechten usw. Heringe zu essen geben durfte (damit es nicht zu oft vorkam). Nicht weil sie zu teuer waren sondern weil es zu viele Heringe auf dem Markt gab (die günstig aus Holland geliefert wurden).
 

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