Farbbedeutung von Wadenwickel

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Edro

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mich interessiert die Farbe der Wadenwickel/Wickelgamaschen im FrühMi Skandinaviens da die mir vorliegende Literatur (Valdemars Ginters) keine Auskunft dazu gibt, kann ich bis jetzt leider nur Wikipedia zitieren: "Die für die Franken am häufigsten genannte Farbe der Wickelgamaschen ist Rot.[10] Von derselben Farbe waren auch die Wadenbinden der nach Germanien eingewanderten Wenden, welche dieses Textilstück übernahmen. [...] Die der langobardischen Tracht zugeschriebenen weißen Wadenwickel[12], ..." Ich schätze mal, das stammt von römischen Chronisten. Jedenfalls könnte ein ähnlicher "Farbenkodex" der Wadenwickel auch bei den Wikingern (als Nachfahren der Nordgermanen) erhalten geblieben sein. Jemand ne Idee dazu?
 
Ich halte es für schwierig von einem Farbkodex zu sprechen. Dafür müßte man ja hunderte von Wickeln in entsprechenden Kulturen gefunden haben um solche vergleiche sicher ziehen zu können. Ich denke das sich die Farbe der Wickel nach denn Färbestoffen richteten.
 
Sehe ich auch so. (Krapp)rot war einer der am häufigsten verwendeten Farbtöne in Völkerwanderungszeit und Frühmittelalter. Und wenn es stimmt, dass die Gepiden über die weißen Wadenwickel der Langobarden spotteten, dann kann das nämlich durchaus bedeuten, dass sich da ein Stamm über die Armut des anderen (können sich nicht mal Krapp leisten) oder dessen Geiz (nehmen aus Sparsamkeit ungefärbte Wolle) lustig machte.
 
nun, die Franken haben sicher den Wenden nicht die roten Wadenwickel vererbt, rote Wadenwickel zu nehmen, auf den Gedanken kommen Wenden auch alleine, so sie roten Stoff haben und Wadenwickel tragen wollten. Und das wollten die Wenden. Ein Farbkodex in Form von Tracht ist eher unwahrscheinlich
 
Weiß ist ein dehnbarer Begriff. Waren die Dinger nun ungefärbt oder waren sie reinweiß, was ja auch nicht ohne einen gewissen Aufwand geht? Wenn nun ein Volk über die Wadenwickelfarbe eines anderen spottet, dann scheint das bei diesem anderen Volk offenbar schon eine gewisse, zumindest mehrheitliche Verbreitung gehabt zu haben. Außer natürlich, der Spottende benutzt hier nur ein sprachliches Bild, das mit der Realität nichts zu tun hat. Also so, wie Hexen bekanntermaßen rote Haare, Juden eine Hakennase und Polen ein gestohlenes Auto haben. Ob der Spottende das in diesem Falle nun tut, weiß ich nicht. Tut er es nicht, dann liegt nahe, dass die Langobarden tatsächlich in der Mehrzahl weiße Wadenwickel trugen, mit der o.g. Bemerkung zur Farbe Weiß allerdings. Nehmen wir mal an, das wäre so, dann wäre das nicht unbedingt dumm oder auf Armut zurückzuführen. Es kann vielmehr durchaus pragmatisch sein, denn Wadenwickel dürften ein Teil der Kleidung sein, der besonders schnell und stark verschmutzt, wenn man sie nicht bloß dreimal im Jahr zum Posen auf dem Mittelaltermarkt anzieht. Sie düften also auch oft, intensiv und womöglich auch mal heiß gewaschen worden sein. Da liegt es nahe, auf die Dinger keine empfindliche Färbung zu verschwenden. Womöglich waren die Langobardenwickel auch mal leidlich gefärbt, bleichten aber merklich aus und wurden von den Langobarden, die in diesen Teil der Kleidung vielleicht wenig modisches Engagement legten, nicht ständig erneuert, was dann wiederum Grund für die gepidische Spitze war, die "ausgebleicht" mit dem Wort "weiß" karikierten. Also im Sinne von: "Die Schlamper wechseln ja nicht mal regelmäßig ihre Wadenwickel, die kaufen sich nur einmal im Leben welche!" Wie gesagt, ich war nicht dabei als die Gepiden uns das hinterließen. Jedenfalls sind die Deutungsmöglichkeiten zahlreich. Bei den Franken erfreuten sich offenbar tatsächlich statistisch gesehen die roten Wickel der größten Beliebtheit. Das dürfte aber, wie Eilika und Jungraban schon sagten, allein der normalen Farbhäufigkeit geschuldet sein. Rot war recht leicht herzubekommen und trotzdem eine attraktive Farbe. Wobei auch hier Rot nicht gleich Rot ist. Natülich gab es fürstliche Rottöne, die wohl auch eher auf fürstlichen Wadenwickeln zu finden gewesen sein dürften. Aber das in FrühMi-Hobbyistenkreisen wohlbekannte "Standardrot" ist keine große Sache. Auch darf man nicht einfach übersehen, dass die Wickel, in denen jemand beschrieben, gemalt oder beerdigt wurde, also die Wickel, die wir heute geschichtswissenschaftlich wahrnehmen können, nicht unbedingt die Wickel sein müssen, mit denen er tagtäglich rumlief. Hier haben wir möglicherweise das für jeden Historiker wohlbekannte Problem, dass der unspektakuläre Alltagszustand halt seltenst überliefert wurde, gleich, in welcher Form. Selbst Karl der Große soll ja angeblich, glauben wir seinem Biografen Einhardt, abseits der öffentlichen Empfänge eher einfache, praktische Kleidung vorgezogen haben. Rot mag also auch bei den Franken möglicherweise nur die bevorzugte Farbe für die Sonntagswickel gewesen sein, während die Alltagswickel braun oder ungefärbt waren. Ich denke also nicht, dass man angesichts der dürftigen Quellenlage schon von einem volksbedingten Farbkodex sprechen kann. Was natürlich nicht heißt, dass es diesen womöglich tatsächlich gegeben hat, aber wenn, dann auf jeden Fall nur in Form einer statistischen (modeinduktierten) Häufung. Denn ein Gesetz aus der Frankenzeit, welches besagt, dass jeder Franke als Zeichen seiner Volkszugehörigkeit verpflichtet sei, rote Wadenwickel zu tragen, ist mir nicht bekannt.
 
In den Haithabu-Fundberichten wird von "Farben" geredet, sodass man annehmen kann, dass die gefunden Textilien erstens gefärbt waren und zweitens nicht nur in einer Farbe. :)
 
Vielleicht auch einfach nach verfügbarkeit der Färbemittel oder ganz einfach wie heute auch jeder so wies ihm/ihr gefallen hat?
 
Natuerlich hat es Trachten, bzw. regionale Moden gegeben. Darum unterscheiden sich ja zum Beispiel Fraenkische, Thueringische und Gotische Fibeln (oder auch andere Trachtbestandteile aus Metall, die in ausreichender Menge erhalten sind.) Es ist wahrscheinlich, dass auch Schnitt, Trageweise und Farben sich regional/kulturell unterschieden, so wie es traditionelle Trachten in Deutschland heute immer noch tun. Der Vergelich mit modernen Trachten wuerde auch die Vermutung nahe legen, dass kleine Unterschiede durchaus sehr kleinraeumig auftreten konnten. Unterschiede duerfte es also auch Innerhalb der Alemannia oder unter den Franken gegeben haben. Das laesst sich dann auch auf Skandinavien uebertragen. Ob allerdings fuer die Wikinger die Farbe der Wadenwickel dabei eine Rolle spiele kann ich nicht sagen. Meines wissens nach gibt es keine Schriftquelle, die etwas in diese Richtung erwaehnt. Tatsaechliche Funde, soweit es sie gibt und die Originalfarbe bekannt ist, duerften zu wenige sein um sie statistisch auszuwerten und regionale Unterschiede belegen zu koennen. Dass in Haithabu oder auch in Birka verschiedene Farben belegt sind, spricht absolut nicht dagegen, dass Farben in irgendeiner Art "festgeschrieben" waren. Kann ja durchaus sein, dass eine Tunika anders gefaerbt zu sein hatte als Wadenwickel oder ein Umhang, oder das sich die Farbe nach dem Stand, dem Geschlecht, dem Alter, dem Familienstand etc. richtete, oder dass in Haithabu und Birka einfach Menschen verschiedener Herkunft und somit mit unterschiedlichen Trachten lebten. Fruehmittelalterliche Irische Gesetze schreiben Farben dem gesellschaftlichem Rang entpsrechend vor. Die wenigsten machen einfach das was ihm/ihr gefaellt. Auch wenn heute mehr Freiheit in der Kleidungswahl besteht, an bestimmte Konventionen halten wir uns selbst heute in der Regel auch noch. Oder traegt einer von den anwesenden Maennern Frauenkleidung?
 

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