Fechten mit der Lanze / Speer zu Fuß

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Thorhammer

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Hallo liebe Leute Es gibt wieder einmal eine Frage: Ist es sinnvoll mit einer Lanze von ca. 1,8- 2m in EINER Hand und einem großen Tropfenschild auf dem anderen Arm zu fechten? Ich war bei einer Gruppe die unter der Leitung eines "Trainers" genau das versuchen. Dabei sagt er seinen Leuten, sie sollen die Lanze des jeweiligen Gegners mit der eigenen Lanze blocken, indem sie diese mit der Lanzenspitze auf den Boden stellen. Dann wird die Lanze wie ein "Rührbesen" nach Links oder Rechts bewegt und die Lanze des Gegners abzulenken. Weitere Vorgehensweise ist dann, sich um die eigene Achse drehen, dabei zeigt der Rücken auf den Gegner, die Lanze bleibt auf dem Boden, um sich schließlich mit weiteren Drehungen, und sage und schreibe ZWEI Schritten hinter diesen Gegner zu bewegen und im die eigene Lanze in den Rücken zu stoßen. Dabei macht der Gegner, genau, nichts. Hierüber hatte ich einen Disput mit dem Trainer, da ich diese Vorgehensweise für blanken Nonsens halte. Wozu trage und brauche ich einen so großen Schild, wenn ich diesen nicht als Schutz anwende? Und welchen Sinn macht es, die Angriffswaffe die ich trage mit der Spitze in, oder auf den Boden zu stellen? Und schon gar nicht drehe ich meinen Rücken dem Gegner zu. Davon abgesehen denke ich, eine Lanze von dieser Länge kann kaum sicher mit einer Hand geführt werden. Dies habe ich dem Trainer dann auch demonstriert. Ohne eine Waffe, war es für mich eine Leichtes einen solchen Angriff aufzunehmen, die Waffe zu entreißen, und den Partner zu Fall zu bringen. Nun war er der Meinung, das sei keine historische Herangehensweise. Zu allem Überfluss fragte er mich dann ob ich Quellen wüsste, aus denen man Techniken für den Kampf mit diesem "Eingandspeer" entnehmen könne. Ich erklärte ihm, dass eine Waffe dieser Länge KEIN "Einhandspeer" sei und beide Hände benötige. Auch das eine solche Waffe eigentlich eher für den Kampf im Harnisch gemacht sei. Mir sind Quellen für das, was er da macht nicht bekannt. Er meinte das wäre genau so, wie er das hier macht historisch korrekt und wurde so gemacht. Quellen denen er dies entnimmt hat er jedoch keine, und konnte mir auch keine nennen. Liege ich falsch?
 
Lanze dieser Länge ist mir nur aus dem Harnischfechten bekannt. Drehungen gibt es in der Halben Stange und im Jahr do pau. Welche Quelle hat denn Dein Trainer für seine Interpretation genannt? Ich kann später mal in meine Bücher schauen, ob Jägerstock was hergibt - aber alles, was mir ganz spontan einfällt ist ohne Schild... Vielleicht hat Roland Warzecha dazu was auf seiner Seite oder seinem YT-Kanal - wären dann aber mit Rundschild. Werd das WE mal schauen, was ich im Bücherregal hab...
 
Unser aktuelles Problem als "Paveser"... es ficht sich in der Linie bescheiden mit einer Hand... unser aktuell angewandtes Mittel: Pavese mit Riemen über den Kopf hängen lassen und an der Pavese innen einen Riemen straff nach unten führen und durch diesen den linken Unterarm steckend mit der linken Hand zusätzlich den Spieß führen. Es gibt zwar durch erhaltende Befestigungen an Originalen diese Möglichkeit einer Beriemung, aber keine mir bekannte Darstellung für Pavesen. Immerhin: Es funktioniert ganz gut, die Trefferzone ist minimal. - Zum Thema "Führen des Spießes mit einer Hand" möchte ich den vermutlich deutlich besseren Trainingszustand damals anführen... möglicherweise waren Arme kräftiger und geübter.
 
Ich persönlich halte nichts von der "Rührbesentechnik". Ein beherzter Sprung auf die Lanze und das Ding liegt auf dem Boden ohne das der ehemalige Träger sie wieder schnell genug aufheben kann. Oder die Spitz bricht ab, was auch nicht so toll ist. Meiner Meinung nach ist sie für Leute die sich nicht bewegen wollen, wenig Ahnung von Technik haben und gehörig die Schlupfwinkel der in Deutschland genutzten Regelwerke ausnutzen. Bei Youtube gibt es Videos mit eindeutig besseren Techniken, auch wie bereits erwähnt von Roland Warzecha.
 
Erst einmal danke für eure Antworten. Ich denke nach wie vor, das diese Vorgehensweise, zumindest historisch betrachtet, Mumpitz ist. Zwei Drehungen mit dem Rücken zum Gegner dürfte im Ernstfall niemand überleben. Die einzige Waffe die ich trage auf den Boden zu stellen scheint mir auch eher unsinnig. Womit bitte führe ich dann meinen Angriff. Zumal ich beide Hände gebunden habe. Eine an dem großen Schild, die andere an der Lanze. So wäre wes im Zweifel auch nicht möglich eine dritte Waffe zu nutzen. Einmal davon agbesehen, dass wohl kein Gegner warten würde bis ich mich um ihn gedreht habe. Einmal den Rücken zum Gegner ist für mich ausreichend um ihn auszuschalten. Aus langer Erfahrung z. B. aus dem Karate weis ich, man lässt seinen Gegner niemals aus den Augen. Da der "Trainer" aber wehement behauptet dies sei so historisch korrekt angewandte Technik, habe ich einmal nachgefragt. Man kann nicht alles wissen. Aber ich denke, bei kurzem nachdenken kann man auch ohne Quellen schliessen, dass es so nicht funktioniert. Ich finde es nur schade, dass es Leute gibt die anderen etwas "beibringen" und selbst keine Ahnung von dem haben was sie dort machen. Auch sich nicht die Mühe machen, dies einmal zu prüfen oder nachzulesen. Die, welche bei ihm versuchen etwas über mittelalterlichen Waffenkampf zu lernen, werden hier leider getäuscht. Es ist einfach ärgerlich, wenn Leute hier viel Zeit und auch Geld investieren und Unsinn beigebracht bekommen. Ich wurde hier eingeladen und habe mich zunächst herausgehalten. Aber auf Nachfrage habe ich meinen Standpunkt dann schon geäußert. Werde mich einmal die von euch genannten Videos anschauen und speichern. Vielleicht hilft das ja zu besserem Verständnis.
 
Deine Bedenken und Argumentation kann ich voll und ganz nachvollziehen. Auch ich würde meinem Gegner nicht den Rücken zukehren und meinen Schild quasi nutzlos rumtragen. Ich kämpfe selbst mit einhändig geführtem Speer und Rundschild. Mein Speer ist normalerweise etwa 2,3 m (außer bei VAs, bei denen eine kürzere Länge (meist 1,8-2 m) vorgegeben ist) und mit einem Schaft von etwa 3-4 cm Stärke. Daher halte ich den Speer nicht am Schaftende, wie es die meisten tun. Ich fasse mindestens ein Drittel vor. Auch tragen sehr viele Speere, die einen maximal 2 cm dicken Schaft haben und eine Spitze tragen, die von ihrer Größe eher wie eine Pfeilspitze wirkt. Wenn man am Schaftende anfässt, darf das ganze Teil eben nicht mehr so schwer sein. ;-) In den Psaltern sind einige Abbildungen von Kämpfern mit Speer und Schild, deren Speere deutlich übermannshoch sind. Daher mein Ansatz, einen längeren Speer auch einhändig zu nutzen. Funktioniert in der Linie recht gut. Im Einzelkampf, wenn man nicht gerade mit Maske spielt, eher weniger.
 
[...] Er meinte das wäre genau so, wie er das hier macht historisch korrekt und wurde so gemacht. Quellen denen er dies entnimmt hat er jedoch keine, und konnte mir auch keine nennen. [...]
Sagt eigentlich schon alles. :) Hier liegt wieder einmal das Problem vor, dass von heutigem modernen "Marktkämpfen" auf historische Kriegsführung geschlossen wird, was so natürlich nicht funktioniert. Im Grunde hat der heutige Gebrauch des Speeres (wie hier ja bereits ausgeführt wurde) nicht sonderlich viel damit gemeinsam, schon allein dadurch, dass nicht ins Gesicht gestochen wird (was sich beim Speer ja eigentlich anbietet). Quellen für den Kampf mit dem Spieß liegen uns aus dem SpäMi einige vor, u.a. wurde das in diesem Buch ganz nett aufgearbeitet: David Lindholm/Peter Svärd: Sigmund Ringeck's Knightly Arts of Combat. Sword and Buckler Fighting, Wrestling, and Fighting in Armor (Boulder 2006). Besonders extrem wirken die Größen einiger Speere etwa bei den friesischen "Sprungspießen", die offensichtlich in Verbindung mit einem Buckler eingesetzt wurden (unter anderem auf dem Upstalsboomsiegel gut zu erkennen). Besonders in Italien sind sicherlich auch die Pavesarii ein Begriff, welche mit Schild und Speer unter anderem das Ziel verfolgten, die Armbrustschützen beim Nachladen zu decken. Hier liegt es natürlich nahe, dass diese Kämpfer eben nicht für den Einsatz in dichtem Schlachtgetümmel gedacht gewesen sein dürften, sondern ehr um die Schützen gegen Reiter usw. zu verteidigen. Das "Rühren" mit dem Speer bei heutigen Freikämpfen halte ich persönlich für ein Kind ebenjener Freikampfszene, da es u.a. in einer dichten Formation wohl ehr die eigenen Mitstreiter behindert bzw. gefährdet haben dürfte. Besonders anschaulich wird dies bei den mit Spießen ausgestatteten Gewalthaufen des 15. und 16. Jhds., bei denen ein "Herumfuchteln"/Schlagen/"Rühren"/o.ä. im Prinzip eine Lücke in der eigenen Formation bildet, die nicht durch einen Spieß "geschützt" ist. Wobei wir da natürlich nicht mehr bei einhändig geführten Waffen und schon gar nicht bei Schilden wären. :)
 
Den einhändigen Tanz um die Lanze findest du tatsächlich in der Handschrift 1430 Anonym, Gladiatoria Wien KK 5013. Dort sind zwar Harnische abgebildet, doch diese dienen maßgeblich dazu die gezeigten Lehrstücke in einen sauberen Kontext zu stellen. Erst zweitrangig geht es darum, eine exakte Situation darzustellen, für die genau diese Fechttechnik gemacht ist. Letzeres betrifft etwa 2-3 Folien des gesamten Buches. Ich kann natürlich nicht über deinen "Lehrmeister" urteilen und will es nicht. Es gibt genügend Stücke, die mit dem Langstock und auch damit dem Langen Speer oder der Lanze fechtbar sind. Diese sind auch absolut glaubwürdig und anwendbar. Doch im Allgemeinen gilt der Grundsatz, dass man das Beste aus seiner Wehr machen sollte. Wenn ich zwei schwere Wehren mit mir führe und nicht auf einem Pferrd sitze, sollte ich mir grundsätzlich Gedanken machen, ob das denn so sein muss.
 
Ich kann zu den Techniken nichts sagen. Mit Quellen für die Stange oder Speer habe ich mich wenig beschäftigt. In der Bologneser Tradition gibt es aber Quellen für eine Partisane in Kombination mit einem Schild. http://wiktenauer.com/wiki/Achille_Marozzo (runtescrollen zur "Fourth Book (Pole Weapons)") Wie schwer waren denn die Lanzen, bzw hatten sie irgend eine Form von Gegengewicht am hinteren Ende? Bei den Gladiatoren haben wir ja den Hopplomachus, der mit Speer und Rundschild kämpft und obwohl ich dass immer ganz furchtbar zum handeln fand, gibt es Leute die das verdammt gut können. Da habe ich aber auch schon alles von super dünn und leicht, bis hin zu 2m lang und ordentlich schwer gesehen. Wir haben so mannslange Speere mit Speerfuß, in Kombination mit dem Rundschild im Zweikampf ausprobiert und solange aufs Gesicht gearbeitet werden darf war das kein Problem die mit einer Hand zu führen und dabei auch halbwegs erfolgreich zu sein. Eine Drehung um die eigene Achse gibt es soweit ich weis beim Montante oder Spadone, da gegen lange Piken.
 
möglicherweise waren Arme kräftiger und geübter.
Das waren sie sicher. Trotzdem, der lange Hebel macht wahnsinnig viel aus. Was mir beim Hantieren mit Waffen immer wieder auffällt, ist, dass die Gewichtsverteilung viel relevanter ist als das Gesamtgewicht. Vor allem, je länger der Hebel wird. Ein Gegengewicht am andern Ende dürfte das Problem also weitgehend lösen. Hat auch den Vortteil, dass das Gesamtgewicht höher wird, und damit das Gerät beim Stechen besser durchs Ziel durchträgt. Spricht aber alles gegen die Rührbesentechnik. Aber für die Defensive hat man dann ja den Schild. :)
 
Hab jetzt doch einen Hinweis auf diese "Rührbesentechnik" bei Fiore dei Liberi gefunden - allerdings in Kombination mit dem Dolch....
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