Zwei Literaturempfehlungen zur Kleidung im frühen Mittelalter mit Schwerpunkt Kontinentaleuropa: - Die Kleidung nach Quellen des frühen Mittelalters von Mechthild Müller, erschienen im Walter de Gruyter Verlag, 2002; es behandelt den Zeitraum 800 - 1050 mit Schwerpunkt Karolinger. Mit Abbildungen aus diversen Codices. - Kleidung im Mittelalter von Katrin Kania, erschienen im Böhlau Verlag, 2010 Die beiden Werke habe ich mal nach deiner Frage Thirk durchgeblättert. Das Wer von Frau Müller geht nicht großartig auf die Unterbekleidung ein. Sie verweist allerdings in einem Punkt auf ihre Tafeln im Anhang. Tafel 3 Abb. 10 zeigt eine Szene aus dem Stuttgarter Psalter (online verfügbar).
http://digital.wlb-stuttgart.de/index.php?id=6&no_cache=1&tx_dlf%5Bid%5D=1343&tx_dlf%5Bpage%5D=49 (Quelle: Württembergische Landesbibliothek) (Cod. bibl. 2° 23, fol 23r) Die Autorin interpretiert die Szene so, dass die Untertunika des Kriegers zu sehen ist. Die Untertunika ist reich verziert. Achtung! Es handelt sich um die Interpretation der Autorin. Möglicherweise (so habe ich an anderer Stelle gelesen) deutet sie das Bild "falsch" und der Zeichner zeigt das Verrutschen eines Mantels oder einer Übertunika. Dann wäre das rote Kleidungsstück eine Übertunika, die hellere eine Obertunika und darunter würde sich für den Betrachter versteckt noch die Untertunika befinden. Katrin Kania kommt in ihrem Werk zu dem Ergebnis: "Inwiefern heute aus den epischen Texten auf das tatsächliche Aussehen der Unterkleidung und die Tragegewohnheiten der damaligen Menschen geschlossen werden kann, bleibt unklar." (S. 121) Bzgl. "Hemden" geht sich nochmals gesondert ein: "Für Abbildungen von Hemden gelten ähnliche Regeln wie bei den Bruchen, so dass Hemden vor allem an Unterarmen, Saum und Halsausschnitt sichtbar werden, also dort wo die Oberbekleidung den Blick darauf freigibt. Unbedeckte hemden sind nur selten, meist in Zusammenhang mit erotischen oder demütigenden Szenen, dargestellt." (S. 128) Weiter schreibt sie: "Schriftliche Quellen sind etwas ergiebiger, da "hemd" sowohl in der Frauenkleidung als auch in der Männerkleidung vorkommt. Bei epischen Texten dient die Beschreibung des Hemdes dazu, bei Kleidergaben die Vollständigkeit zu unterstreichen oder um erotische Vorstellungen hervorzurufen." (S. 128) Bei letzterem geht es hauptsächlich um die Unterkleider der Frauen, die aus einem sehr fein gewebten Leinenstoff sind, und damit fast transparent sind. "Lange Untergewänder, d.h. mehr als knielang, mit langen Ärmeln lassen sich auch auf Darstellungen des 10. bis 12. Jahrhunderts in der Männerkleidung finden." Bsp. für sichtbare Hemden: die Miniatur der heimkehrenden Pilger im Stundenbuch der Herzogin von burgund, 1450 (Musée Condé, Chantilly). Textbeispiel: "Wessen Hemd unter dem Rocke um eine Elle heraussteht, das ist ein Tor." Übersetzung von K. Kania aus dem Lehrgedicht "Der welsche Gast" von Thomasîn von Zerclaere. Im Katalogteil führt K. Kania folgende Stücke auf: - das Untergewand der Arnegunde -
Hemd (?) des Raimond, Graf von Toulouse --> Datierung vor 978 - Hemdenfragmente aus Birka - Hemd des hl. Remaclus - Hemd von Skjoldehamn --> Wolle -
Leinenhemd von Viborg, Datierung um 1050 - Hemd des hl. Thomas Beckett, Datierung: Ende 12. Jhd., Länge des Hemdes in der Mitte. 160 cm ... die weiteren Stücke sind alle später datiert. Zum Viborg Hemd:
http://www.personal.utulsa.edu/~marc-carlson/cloth/viborg.html (Quelle: Some clothing of the Middle Age) Ich komme bei der obigen Zeichnung des Viborg Hemdes auf eine jeweilige Länge von 100 cm für das Vorderteil. Das man die Unterkleidung nicht sehen sollte wird oft damit begründet: weil es sich nicht geziemt. Vermeiden lässt sich manchmal eben nicht. Alles eine Sache der Perspektive. Was heißt das jetzt für dich Thirk. Es kommt darauf wieviel von deiner Untertunika zu sehen ist. Wenn es lediglich der Saum ist, finde ich es zunächst nicht weiter tragisch. Es ist schwer einen Wert festzulegen, ab wann eine Untertunika zu lang ist. Praktischer Lösungsansatz: in die Hose stopfen oder die Obertunika verlängern. Und bei der zweiten Garnitur darauf achten, dass die Obertunika halt ein bißchen länger als die Untertunika ist.
Wirklich festlegen, wie lang eine Untertunika sein darf kann ich nicht.