Handschuhe bei den Wikingern?

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Hendrik1975

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Hallo zusammen! Meine Recherche hat leider nichts konretes ergeben, deswegen die Frage an die Schwarmintelligenz ;-) Gibt es Belege für Schutzhandschuhe bei den Wikingern, die im Kampf getragen wurden? Oder eine andere Art von Schutz für die Hände?
 
Zumindest in der Historischen Fechterszene ist der Konsens, dass die Art wie die großen Schilde geführt wurden den Schutz für die Hände lieferte. EIn Beispiel dafür siehst du hier beim langsamen Sparring [media]https://www.youtube.com/watch?v=TpasbWBhQH8[/media] Die Hand ist da fast immer vom Schild gedeckt und kommt erst zum Angriff vor, wenn die Angriffslinie gesichert wurde. Quelle: Youtube, ROland Warzecha/Dimicator
 
@Astyanax Danke Dir für das Video, das ist hochinteressant. Bislang kannte ich von den Märkten nur das dramaturgisch höchst wirkungsvolle Klingen-möglichst-laut-gegeneinander-schmettern (Asche auf mein Haupt). Aber hier sieht man sehr schön, dass die Klingen selbst sich kaum berühren, und schon gar nicht aktiv danach geschlagen wird. Auch die Parierstange wird eigentlich gar nicht ihrem eigentlichen Zweck zugeführt, sondern eher zufällig mal leicht touchiert. Das erklärt auch sehr deutlich die Aussage in einem anderen Beitrag: "die Klinge wird im Schaukampf deutlich mehr belastet als unter realen Bedingungen". Ja, das habe ich nun auch visuell verstanden ;-) @Wolfram von der Oerz Hm, das hatte ich schon befürchtet. Von Textilresten hatte ich mal irgendwo was gelesen, ja. Natürlich dann als Schutz gegen Kälte und nicht gegen mechanische Fremdeinwirkung.
 
Auch wenn Roland wirklich gute Arbeit macht, muss man bedenken, dass er seine fechterisch en Wurzeln aus späteren Quellen zu Schwert und Buckler hat, die eine Zweikampfsituation beschreiben. Er überträgt erstklassig Grundprinzipien, um frühere mögliche Kampfweisen zu rekonstruieren. Man muss aber auch davon ausgehen, dass diese elaborierten Techniken auch später nicht unbedingt die Regel waren und es wahrscheinlich stumpfes Gekloppt stellenweise gegeben haben mag. Späte Quellen sprechen von "Büffeln", die sich nur auf Kraft vrrlassen. Er zeigt also eine sehr wahrscheinliche Waffennutzung von gut ausgebildeten Berufskämpfern. Soweit ich weiß, gibt es über das Erlernen von Kampftechniken im Frühmittelalter nur Aussagen wie "...möchtest du kämpfen lernen, such dir jemanden, der einen Krieg überlebt hat...". Das spricht natürlich für eine Art natürliche Selektion der guten Lehrer, ist aber dennoch nicht als vollkommen gesichert zu bezrachten.
 
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[...]Das spricht natürlich für eine Art natürliche Selektion der guten Lehrer, [...]
*grins* Fein formuliert ;-) Meine Eingangsfrage rührt im Grunde von was anderem her. "Die waren ja nicht doof damals..." (ja, ich weiss, der Spruch ist vielfach schon missbraucht worden). Handschuhe aus Textilien gab es damals. Schuhe aus Leder ebenfalls. Grundidee und Material waren somit vorhanden. Ungeschickt waren die Menschen auch nicht. Und wer auf die Idee kommt und in der Lage ist, sich Handschuhe aus Stoff zu fertigen, kam garantiert auch dahinter, dass Lederhandschuhe im Kampf einen besseren Schutz darstellten als 'nix'. Deswegen stellt sich mir die Frage, warum es keine Funde in diese Richtung gibt. Und nein - ich fange jetzt nicht damit an, dass es was gegeben haben könnte, was man nur noch nicht gefunden hat, und dass es deswegen theoretisch authentisch wäre ;-) Gibt keine Funde oder andere Belege, also lassen wir das außen vor. Aber es muss ja einen guten Grund gehabt haben, dass die Menschen damals im Kampf ihre Hände nicht geschützt haben. Da war die Kampfweise mit möglichst wenig direktem Kontakt schon ein guter erster Ansatz. Wobei Dunio mich jetzt wieder ein wenig ins Grübeln bringt. Im Video kämpfen zwei Menschen mit der gleichen Grundausbildung miteinander, also einen vergleichbaren Stil. War das in der realen Kampfsituation auch so? Gab es damals nur 'den einen' Stil, den alle gleichermaßen erlernt haben, so dass sie mit den gleichen Grundtechniken aufeinander los gegangen sind? Oder gab es doch eher auf einer Seite Stil A, und auf der anderen Stil B? Und - um wieder den Bogen zu schlagen zu den ungeschützten Händen - waren zumindest die Grundtechniken des 'wir verteidigen uns alle eher als dass wir aufeinander ein schlagen' vergleichbar? Denn das würde zumindest teilweise einen fehlenden Schutz der Hände erklären...
 
Versteifst Du Dich mit der Fragestellung nach einem Handschutz eventuell zu sehr auf das verlinke Video? Ich bin in Sachen Schwertkampf in der praktischen Anwendung definitiv Laie, doch fällt mir in diesem Video (wie in einigen anderen ebenfalls) auf, dass dort ziemlich viel "gefuchtelt" wird. Ein paar auffällige Punkte:
  • sicherer, tiefer Stand fehlt
  • das mit der Schwerthand korrespondierende Bein steht hinten, statt für mehr Reichweite vorn
  • Schild viel zu offen statt den Körper UND die Schwerthand zu decken
  • Schild wird beim Stoss oder Schlag nicht linear zur Deckung mit nach vorn geführt
  • Schwert deckt den Körper ebenfalls nicht, zudem wird die führende Hand nicht gedreht um das Parier zur gegnerischen Klinge zu drehen
  • genrell viel zu viel hektische, teils unkontrollierte Bewegung
Liege ich falsch, bitte ich um Erläuterung ^^ So mich meine Annahme nicht trügt hat das Video mit tatsächlich ausgefochtenen Kämpfen nicht viel zu tun. Ich wage die These, die Frage nach schützenden Handschuhen ist mehr dem heutigen Schaukampf mit seinem Sicherheitsgedanken geschuldet. Was nicht unbedingt verwerflich ist, wie wollen oder müssen nach einem schönen Wochenende mit dem Hobby alle wieder den Alltag bewältigen. Mit gebrochener Hand oder abgetrennten Fingern kann das etwas schwieriger werden.
 
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@Thoralf Hiltjuson die von dir kritisierten Punkte sind fechterisch sinnvoll und gehen mit den späteren Quellen konform und folgt allgemeinen Prinzipien. Das alles ausführlich zu erklären würde hier den Rahmen sprengen und man könnte ein ganzes Tagesseminar dazu füllen... Was ich nur sagen wollte, ist dass es nach heutigem Wissen sehr wahrscheinlich ähnlich oder identisch gewesen sein mag, es aber keine verlässlichen Informationen darüber gibt, wie es tatsächlich war.
 
@Hendrik1975 dass die Grundtechniken mit dem Rundschild keinen Handschutz nötig machten, erkennt man auch an der Breite der Parierstange, die erst beim Übergang zum deutlich schmaleren Mandelschild breiter wurde und die sehr kurzen Griffe, die mit Handschuh kaum noch greifbar wären.Daher spricht das neben der fehlenden Fundlage auch gegen Schutzhandschuhe...
 
Was sind das für Schilde in dem Video? Sind die aus Pappe? Scheinen ja nicht wirklich was zu wiegen. Wie realistisch isn das? Macht das Sinn mit so leichten Schilden zu üben? Will mal sehen wie der Typ mit einem 5kg Schild so rumfuchtelt wie mit einem Staubwedel...
 
Schutzhandschuhe - wie schon erwähnt: nein. Zu Dimicator: bei ein paar Sachen hat er schon recht (bzw. stimme ich ihm zu) - also dass der Schild aktiv verwendet werden- und die Schwerthand decken sollte z.B., ABER ...er ist sicher nicht die Koryphäe des frühmittelalterlichen Schwertkampfs, für die er sich zu halten scheint.
Was sind das für Schilde in dem Video? Sind die aus Pappe? Scheinen ja nicht wirklich was zu wiegen. Wie realistisch isn das? Macht das Sinn mit so leichten Schilden zu üben? Will mal sehen wie der Typ mit einem 5kg Schild so rumfuchtelt wie mit einem Staubwedel...
Frühmittelalterliche Schilde waren erschreckend dünnwandig und Rekos sollten - je nach Durchmesser natürlich - nicht über ~3,5kg wiegen. Den Schild auf Dauer mit ausgestrecktem Arm so führen so können, muss man natürlich trotzdem trainieren.
 
...er ist sicher nicht die Koryphäe des frühmittelalterlichen Schwertkampfs, für die er sich zu halten scheint.
Was er macht ist alles deutlich vom I.33 eingefärbt. Sagt er selbst auch in einem seiner Videos, in dem er ein späteres Stück nach Lignitzer rekonstruiert, bei dem wir aus der Liechtenauertradition zu einer etwas anderen Interpretation kommen. Wenn man weiß, woher jemand kommt, kann man gut einschätzen, wie realitätsnah eine Rekonstruktion sein könnte. Und da schätze ich Collin und Roland recht gut ein...
 
Wenn man weiß, woher jemand kommt, kann man gut einschätzen, wie realitätsnah eine Rekonstruktion sein könnte. Und da schätze ich Collin und Roland recht gut ein...
Ich finde, die zwei kann man überhaupt nicht verlgeichen, bzw. halte ich Collins Ansatz (über di Grassi) für viel nachvollziehbarer. Rolands neueste "Erfindung" hingegen - das Binden/Winden mit dem Rundschild - ist einfach Unfug und er scheint nicht bereit, da auf Kritik einzugehen.
 
Was sind das für Schilde in dem Video? Sind die aus Pappe? Scheinen ja nicht wirklich was zu wiegen. Wie realistisch isn das? Macht das Sinn mit so leichten Schilden zu üben? Will mal sehen wie der Typ mit einem 5kg Schild so rumfuchtelt wie mit einem Staubwedel...
Das ist laut ihm eine recht genaue Rekonstruktion eines Wikingerzeitlichen Schildes. Er hat auch Videos über die Herstellung desselben. Was Roland angeht - ich habe ihn auf der Coburg kennen gelernt und mit ihm und Cornelius Schwert und Buckler gefochten. Sie vertreten zwar eine etwas andere Interpretation als die nach der wir uns orientieren (wir halten uns da eher nach Herbert Schmidt), aber was seine Schwert und Buckler Arbeit angeht finde ich ihn äußerst kompetent und da argumentiert er für mich auch sehr nachvollziehbar wie er zu seinen Ansätzen kommt, auch wenn ich mich nicht bei Allem anschließen würde. Seine Arbeit mit größeren Schilden finde ich deutlich disskutierbarer (ein Kollege von mir meinte mal "er ficht immer gleich, egal mit was"), aber die Grundidee dass der Schild immer die Hand deckt ist denke ich ein Prinzip das so stimmt. In fast allen späteren Quellen können wir bei Waffen ohne Korb sehen, dass die Waffenhand weit hinten gehalten wird und im Angriff vom Schild geschützt. Meine Idee dazu warum fast alle Gladiatorengattungen einen Arm und Handschutz trugen ist dass das etwas aggressiveres Vorgehen und spannendere Kämpfe ermöglichte und die Wahrscheinlichkeit eines unrühmlichen, vorzeitigen Endes des Kampfes verringerte. Rolands Idee der Schildbindung macht für mich ebenfalls teilweise Sinn. Zu ähnlichen Ansätzen, wenn auch mit deutlich weniger Winden kommen wir auch, wenn wir mit großen Schilden spielen. Das passiert recht automatisch wenn du versuchst deine Hand zu decken (wozu du äußerst motiviert bist wenn du nur dünne Rapier-Handschuhe trägst). Das funktioniert allerdings meiner Meinung nach nur im Duell. In Gruppenkämpfen wird nach meiner bescheidenen (LARP und bissi HEMA-Melee) Erfahrung die Individuelle Fechtkunst sehr unwichtig im Gegensatz zu Sachen wie Situational Awareness und korrekte Positionierung zu meinen Verbündeten und gegen den Gegner. Aber auch da wird man denke ich in dem Moment wo man Feindkontakt hat die Hand Hinter dem Schild halten und nur kurz und Überlegt zu Schlag vorgeben oder überhaupt mit der Hand dahinter bleibend vorstechen. Ich würde allerdings auch hinterfragen die lange man in einer Schlacht wirklich Feindkontakt (im Sinne von er kann mich und ich ihn treffe) hatte. Ein dauergemetzel mit vollem Einsatz beider Seiten würde rein statistisch (auch der beste Fechter macht mal einen Fehler) schnell dazu führen dass die ersten Schlachtreihen recht schnell draufgehen. Ach ja - Ich finde weite Teile von Rolands Ansatz für die frühere Zeit mit weniger Rüstung nachvollziehbarer als für die Spätere. Bei seinen dreiecks-Schild Sachen würde ich mir mehr Vorwärtsdruck erwarten, einfach weil die verbreitete Rüstung aus meiner Sicht ein derart vorsichtiges Vorgehen etwas überflüssiger (und eine vorgelehnte Haltung recht schwer) macht.
 
(ein Kollege von mir meinte mal "er ficht immer gleich, egal mit was")
...antrainierte Bewegungsmuster halt - das meinte ich mit seinen fechterischen Wurzeln, die man merkt... Trotzdem halte ich seinen Ansatz für sinnvoll. Ich hatte mal eine Interpretation einer chinesischen Quelle zum zweihändigen Schwert im militärischen Kontext gesehen und man hätte mir auch erzählen können, das wäre nach Meyer - etwas anders aber vieles kam mir bekannt vor... Was ich sagen möchte ist, dass Biomechanik und Physik sich in den letzten zwei Jahrtausenden nicht geändert haben dürften. Für Schlachtensituationen könnte man vielleicht noch die Strategien der Bereitschaftszüge moderner Polizei mit betrachten - auch international...
 
Was ich sagen möchte ist, dass Biomechanik und Physik sich in den letzten zwei Jahrtausenden nicht geändert haben dürften.
Was sich geändert hat sind Waffen und Ausrüstung. Und damit verändert sich zwangsläufig auch immer die Kampfweise.
 
I'm Grunde hast du recht und ich wollte sagen, dass Stärke und Schwäche an jeder Waffe sind, weil die Hebelgesetze nicht von der Form abhängen, ein stabiler Winkel im Versatz auch unabhängig von verwendeten Werkzeug ein stabiler Winkel bleibt. Vor, Nach und Indes zu beachten sind, egal was man hat. Und das eigene Überleben das höchste Ziel ist... Und jetzt kommt ein kleines "aber" von mir. Ich habe im Training den direkten Vergleich zwischen langem Schwert nach Liechtenauer, Schwert und Buckler nach Lignitzer und dem langen Messer nach Lecküchner. Die Techniken folgen sind bei allen Waffen dem gleichen Prinzip, dass man den Gegner zum Versetzen zwingt, um Blößen zu öffnen. Der Ablauf ist dabei sogar fast identisch und die Unterschiede sind eher minimal... Das man Danaxt und Korbrapier unterschiedlich benutzen muss ist mir auch völlig klar aber auch hier geht es in beiden Fällen um die gleichen Prinzipien, die nur anders umgesetzt werden. Vergleicht man noch mit den Asiaten fallen einem dort auch starke Ähnlichkeiten auf. Ich habe mal Rekonstruktionen zum zweihändigen chinesischen Schwert nach historische Aufzeichnungen gesehen, die mich sehr an Joachim Meyer erinnert haben. Und unser "Chef" hat seine Wurzeln in einem traditionellen japanischen Ryu, deren damalige Meister im WKII noch praktische Anwendung betrieben hatten und manchmal zieht er Vergleiche zu dem, was die deutsche Schule macht. War jetzt viel Gelaber am Thema vorbei aber vielleicht findet das der ein oder andere doch interessant und nützlich, da die Ausgangslage ja schnell beantwortet wurde...
 

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