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Heribert von Werden
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Der Kriminalfall Anschlag in dem Hohlweg am Gevelsberg Am späten Nachmittag des 7. November 1225 wurde der Erzbischof Engelbert I. von Köln in einem Hohlweg am Fuß des Gevelsbergs zwischen Hagen und Schwelm überfallen und auf brutale Weise erschlagen. Anführer bei dem Überfall war ein Verwandter Engelberts, Graf Friedrich von Isenberg. Der Kirchenfürst mit seiner Begleitung befand sich seinerzeit auf dem Rückweg von Soest, wo er vergeblich versucht hatte, mit Graf Friedrich von Isenberg eine friedliche Einigung wegen der von dem Grafen besessenen und ausgeübten Kirchenvogtei über die Reichsabtei Essen zu erzielen. Die Kirchenvogtei war dem Anspruch nach eine weltliche Schutzherrschaft über kirchliches Gut. Nach zeitgenössischen Quellen missbrauchte Graf Friedrich jedoch seine Vogteirechte und nutzte sie rücksichtslos zur eigenen materiellen Bereicherung und zum Schaden der Reichsabtei aus. Zeitgenössischer Bericht Wir sind über den äußeren Ablauf des Anschlags auf Erzbischof Engelbert für mittelalterliche Geschehnisse tatsächlich sehr genau und detailreich informiert. Es gibt hierüber nämlich den Bericht eines Augenzeugen, des Schreibers Tobias des Grafen Friedrich von Isenberg. Den Bericht des Tobias hat der Biograf und Zeitgenosse Engelberts, der Zisterziensermönch und damalige Prior des Klosters Heisterbach (bei Königswinter), Caesarius, als Quelle für die Schilderung des Anschlags auf den Erzbischof am Fuß des Gevelsberg benutzt. Caesarius von Heisterbach zitiert dabei sogar eine längere Passage daraus wörtlich. Nach der Schilderung des Caesarius ist der Erzbischof unzweifelhaft einem persönlich motivierten Mordanschlag Friedrichs von Isenberg zum Opfer gefallen. Das Motiv war der Groll des Grafen gegenüber dem Erzbischof, weil dieser ihm seine kirchenvogteilichen Rechte über die Reichsabtei Essen wegnehmen wollte. Der Erzbischof war folglich als Verteidiger der kirchlichen Interessen umgebracht worden und somit ein Märtyrer und verdiente es daher auch, heilig gesprochen zu werden. Jahrhunderte lang hat man diese Darstellung des mittelalterlichen Zeitgenossen Engelberts vorbehaltlos geglaubt. Bedenklich stimmt zunächst aber schon, dass Caesarius, wie er selbst schreibt, seine Engelbert-Biografie im ausdrücklichen Auftrag der Kölner Kirche bzw. von Engelberts Nachfolger, Erzbischof Heinrich I. von Molenark, verfasst hat. Die Kölner Kirchenpartei verfolgte aber dabei das erklärte Ziel, Engelbert als Märtyrer zu erweisen und damit auch seine Heiligsprechung zu erreichen. Aber – Engelbert ist von Rom nie, bis heute nicht kanonisiert, also offiziell heiliggesprochen worden. Wusste die Kurie vielleicht mehr über die Vorgänge und wahren Hintergründe der Bluttat, als damals bekannt wurde und uns überliefert worden ist? Engelbert wird lediglich als Diözesanheiliger verehrt. Mord? Gegen einen Mordanschlag spricht auch die recht große Zahl von mindestens 25 an dem Überfall beteiligten Bewaffneten, die in einer zeitgenössischen Quelle erwähnt werden. Zur Ausführung eines Mordes aus dem Hinterhalt auf diesem ausdrücklich als eng beschriebenen Hohlweg hätten aber erheblich weniger Leute genügt, die sich auf den hierauf ja nicht vorbereiteten und daher völlig ungewappneten Engelbert stürzen und ihn hätten töten können. Außerdem wurde das Zeichen zum Losschlagen durch einen grellen Pfiff gegeben. Dadurch wäre aber bei einem geplanten Mordanschlag der Erzbischof und seine Begleitung nur unnötig gewarnt worden. Danach griffen die von Friedrich vorausgeschickten Leute aber, wie der Bericht des Tobias bzw. Caesarius ausdrücklich sagt, nicht den flüchtenden und ihnen zu Pferd entgegen preschenden Erzbischof selbst an, obwohl sie, wie ausdrücklich erwähnt wird, ihre Schwerter gezogen hatten. Vielmehr fielen sie ihm in die Zügel und rissen in der Absicht, sein Pferd zum Stehen zu bringen, dieses mit aller Gewalt herum. Doch gelang es dem Erzbischof offensichtlich, durchzubrechen und den Hohlweg hinab zu fliehen. Ebenso griff einer von Friedrichs Männern zu Pferd, als er den Erzbischof eingeholt hatte, diesen nicht mit der Waffe an, sondern packte ihn am Kragen seines Mantels und riss ihn schließlich mit sich zu Boden. Engelbert gelang es jedoch, sich zu befreien und seitwärts in das Unterholz zu flüchten. Den sich am Saum seines Mantels festklammernden Verfolger schleifte er dabei hinter sich her. Erst danach kam es zum ersten Angriff auf den Erzbischof mit einer Waffe. Als nämlich ein gewisser Giselher hinzukam und den in das Unterholz flüchtenden Erzbischof erspähte, eilte er hinter Engelbert her und versetzte ihm mit dem Schwert einen Schlag gegen den Kopf. Dieser Schlag muss Engelbert das Bewusstsein geraubt, ihn zu Boden gestreckt und schließlich auch seinen Tod herbeigeführt haben. Bei dem Versuch, Engelbert unbedingt an der Flucht zu hindern, mag dieser Mann in seinem erregten Zustand mit dem Schwert (zu heftig) zugeschlagen und dadurch einen vielleicht ursprünglichen Plan zur Gefangennahme des Erzbischofs zunichte gemacht haben.