Landgrafschaft Hessen Kleidung zwischen 1250 - 1350

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Liebe Mittelalterfreunde, ich brauche euren Rat, Fachwissen oder auch die Empfehlung zu diversen Büchern oder Internetquellen, da ich mit meinen Internetrecherchen etwas ins stocken gerate. Als absoluter Neuling im Bereich Mittelalter, zweifle ich gerade etwas an meiner Vorgehensweise :/ Also ich fang einfach mal an. Mein Wunsch ist es mich so zu gewanden, wie es zwischen 1250-1350 in der Region wo ich her komme (Limburg-Weilburg) und derzeit wohne (Main-Kinzig-Kreis), beim einfachen Volk üblich war. Zusätzlich möchte ich mich noch als Bogenschütze kleiden. Wenn ich bei Wikipedia richtig recherchiert habe, ist die Zeit zwischen 1250-1350 die der Landgrafschaft Hessen und Ludowinger Landgrafen zu Thüringen. Daher schwirren mir folgende Fragen im Kopf herum: 1. Wenn ich im Internet nach Gewandungen in Mittelalter-Shops schaue, geht es dort meist um englische oder wallisische Bogenschützen. Gibt es auch Shops die Bogenschützengewandungen typisch für meine Region anbieten oder heißt es da selbst schneidern ? 2. Habe ich vielleicht etwas falsche Vorstellungen von dem "Abwechslungsreichtum" der Gewandungen des einfachen Volkes und diese waren auf dem Gebiet des heutigen Europa nahezu identisch ? 3. Konnte man zu der Zeit als einfacher Bürger dem Militär beitreten oder wurde gar eingezogen zum Dienst ? Tja so steht gerade der Ochse vorm Berg :ups Ich weiß nicht so richtig, was ich mir unter den damaligen Bogenschützen vorstellen soll. Vielleicht hatte ja jeder einen Bogen zu Hause und schoß damit in seiner Alltagskleidung... ?(
 
Ich kann die jetzt nur aus den Analen der Stadt Büdingen berichten, die 1353 mit dem Freiheitsbrief "begnadet" wurde und die Bewohner anschließend selbst mit dem Schutz ihrer Stadt zuständig waren. Jeder Mann unterlag der Wehrpflicht und musst bei Alarmierung seinen zugewisenen Platz auf der Mauer und den Toren einnehmen. Organisiert war das Ganze in Abschnitten. Unsere Stadt hatt um 1350 rund 600 Einwohner. Hier ein kleiner Auszug aus einer von mir anlässlich des 650-jährigen Bestehens der Büdinger Schützengesellschaft erstellten Webseite. Tlw. übernommen aus wissenschaftlichen Arbeiten zur Stadtgeschichte von Peter Nieß, Hans- Velten Heuson, Dr. Peter Decker.
Heinrich von Ysenburg, Herr zu Büdingen, gab 1353 seiner Stadt Büdingen einen Freiheitsbrief -unsere erste Stadtverfassung. Neben der Befreiung der Bürger von gewissen Steuern, Abgaben und Dienstleistungen verpflichtete er sie, Gräben und Wälle, Mauern und Tore in gutem baulichen Zustand zu halten und diese durch ständige Wächter auf den Brücken und Türmen zu bewachen. Die Anfänge der Büdinger Wehranlagen liegen wohl in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts, als man sich anschickte, die Burgmannensiedlung im Tal vor der staufischen Reichsburg zu sichern. Diese frühen Verteidigungseinrichtungen werden bereits 1290 in einem Rechtsstreit zwischen den Herren von Ysenburg und den Herren von Breuberg genannt, die damals die werdende Stadt als Ganerben besaßen Der Wachtdienst gehörte seit eh und jeh zur Wehrhoheit einer mittelalterlichen Stadt. Alle männlichen Bürger waren für die Sicherheit verantwortlich, und jeder mußte grundsätzlich Wachtdienst leisten, wenn die Reihe an ihn kam, sofern er nicht auf Grund besonderer Privilegien davon befreit war. Um den Bürgern diese tägliche unbequeme Last abzunehmen, ging man allmählich dazu über, besoldete Torwächter, Stadtwächter, Nachtwächter oder, -Schützen- in Dienst zu nehmen. Schützen im mittelalterlichen Sinne waren nicht nur die Mitglieder von Schießgesellschaften, sondern alle Schießwaffenträger wurden ganz allgemein so bezeichnet. Zum Unterhalt der besoldeten und meist für ein Jahr angenommenen Stadtschützen mußten die Bürger durch Steueraufkommen beitragen, das in Form eines "Wachtgeldes" erhoben wurde. In friedlichen Zeiten reichte diese kleine Schar völlig aus, um die Sicherheit der Stadt zu gewährleisten und über umherstreunendes lichtscheues Gesindel Herr zu werden. Anders dagegen war die Situation bei drohender Gefahr. Dann lebte die allgemeine Wachtdienstpflicht wieder auf. Wacht- und Stadtordnung geben uns noch heute Auskunft darüber, wie sich der Ausschuß - so werden in Büdingen oft die Schützen genannt - im Ernstfall bei "lärmungen und heylergeschrei" zu verhalten hatten. Für die Stadt Büdingen und ihr Umland sind die Appell- und Lärmplätze seit der Mitte des 16. Jahrhunderts bekannt.
Was die Kleidung angeht ist leider nichts aus dieser Zeit überliefert, dazu findet sich erst 1535 eine städtische Rechnung für - mutmaßlich einheitliche - Schützenkleidung "Tuch und Macherlohn 7 Gulden 3 Tornes und dem Armbroster 2 Gulden 4 Tornes für 3 1/2 Ellen Tuch zu rock und Kappe". Du wirst nicht falsch gehen wenn Du dich auf in der Zeit um 1300 übliche Kleidung verlegst. Bruche, Beinlinge, Leibhemd, Tunika, evtl ein weiteres Übergewand für die kältere Jahreszeit. Haube, Kopfbedeckung. Wendegenähte Schuhe. Bei allem bitte dran denken: 90% der Bevölkrung waren Landbewohner, also Bauern, Knechte, Mägde, Viehhirten usw. Einfache, durchaus bunte Kleidung. Für eine Anschauung "am Objekt" würde ich die Webseite der IG 14 (Webseite= Quelle) empfehlen. Hervorragende Darstellungen, super umgesetzt. Sie sind zwar im alpenländischen Raum angesiedelt, doch kannst du das dort Gezeigte durchaus übernehmen. Ebenfalls kannst Du bei berwelf.de (Link= Quelle) nachschauen. Dort findest du ein sehr gutes PDF mit einer Einführung zu Kleidung um 1300. Ebenfalls nachschauen kannst Du im Blog von Benjamin Lammertz (Link= Quelle), der eine Darstellung um 1300 betreibt und zudem sehr fundierte Artikel zu vielen Themen rund ums Mittelalter schreibt. Bevor du Geld für fertige Klamotten von der Stange rausschmeißt und dich anschließend ärgerst frage lieber. Nähen lernen ist nicht schwer. Das bekommt jeder mit der Zeit und Übung hin. ;)
 
Der Zeitrahmen von 100 Jahren scheint mir etwas zu groß... Ich kenne mich 1250-1350 nicht wirklich aus, aber könnte mir vorstellen, dass es da schon "Moden" gab, die zu berücksichtigen wären. Die Tipps von Thoralf sind gut. Wenig vorstellen kann ich mir eine spezielle "Schützenkleidung" in dieser Zeit. Selbst im frühen 15.Jhdt. kenne ich keine spezielle Kleidung für Krieger. Außerdem: Ein Schütze ist man beim Aufgebot oder beim Üben... sonst ist man Bauer, Handwerker o.ä.. Warum sich fürs Schießen umziehen?
 
Kleiner Tip für das Hobby. Verabschiede dich mit der Denkweise des 21 Jdh. Zu Frage 2 Überlege was war 1250-1350 gegeben Politisch, Sozial, Hoheitlich, Regional und dies klärt schon einige Fragen. Zb: Städte Ortschaften?, so gut wie kaum. Ergo Einkaufsmöglichkeiten (Discounter) nicht so Hoch, Folge starkes autarkes Dorfleben. (Selbstproduktion) Entfernungen: Ansiedlungen waren meist Stunden bzw. Tagesmärsche entfernt, Ergo jeder machte meist sein eigenes Ding, Massenfertigung an Kleidung gab es damals nicht. Folge Größtenteils unterschiedliche Klamotte von Ort zu Ort. Zu 3 Frage: Wie war die soziale Struktur, im Ort ? Leibeigenschaft, freie Bauern, Wohlstand? Ergo je nach sozialen Stand war der Beitritt zum Militär. Bürgertum kam erst im Spätmittelalter. Und das wichtigste zu Frage 1 Es gibt keine Mittelalter-Shops die zeitlich und regional zugeschnittene Klamotte anbieten. Dies ist etwa so wie wenn man Fragen würde „Ich hätte gerne eine vegane Wurst vom heimischen Metzger, kennt einer einen Diskcounter wo man diese kaufen kann“. Alternative für Geld nach Wunsch schneidern lassen. Darstellung Bogenschütze: Robin Hood lässt grüssen. Überlege: Wer hatte das Jagtrecht?, war es vom Regenten erlaubt einen Bogen zu besitzen? Uniformierung gab es nicht mal bei den Römern. Jeder hatte die Ausrüstung die er sich leisten konnte. Worauf man wieder auf die soziale Stellung verweisen muss.
 
Vielen lieben Dank ihr drei für die Informationen, jetzt sehe ich etwas klarer :) Dann wird mein nächster Schritt sein, erst mal Recherchearbeit über den Ort zu betreiben, den ich seit ein paar Monaten mein zu Hause nenne. Ich merke schon, ein sehr umfangreiches Thema das Mittelalter. Da brauche ich in der Tat einige Zeit, um mich reinzufühlen wenn ich es etwas ambitionierter und vor allem authentisch erleben möchte. Aber die habe ich ja und kann mir auch gut vorstellen, die Kleidung irgendwann selbst herzustellen, durch diverse Angebote wie bspw. die Bogenbauseminare auf der Ronneburg. :danke
 
Wenn sie denn stattfinden. Ronne ist ein ziemliches Trauerspiel geworden. Märkte offiziell wegen der Seuche nicht, inoffiziell wegen internem Knatsch mit dem Besitzer des Kastens und einer gefeuerten sehr rührigen Dame die die Veranstaltungen der letzten Jahre mit organisierte nicht mehr. Ich muss allerdings gestehen dass ich gerade nicht auf dem aktuellen Stand bin was noch geht und was nicht. Eventuell in der FB Gruppe zur Burg rein schauen, ab und zu kommt eine Info. Vorsicht vor dem Gruppenadmin, er mag keine Diskussionen... und ist sehr von sich überzeugt. ;) Ich habe die Burg quasi in Sichtweite. ronne_02.jpg Das Foto wurde mit einem Huawei P30 Pro von einem Balkon der Büdinger Schildwache erstellt. Das Gebäude davor ist der "Herrenhaag". Recherchiere mal was es damit auf sich hat. Die Grafen zu Isenburg mit all den Nebenlinien hiten es in einer Zeit der religiösen Intoleranz sehr mit Toleranz. Das ist zB der Grund warum die Gründer swr Stadt Neu-Isenburg Hugenotten waren und die Stadt nach dem Fürstenhaus benannt wurde. Wenn du Fragen zur Kleidung hast schau dich erst mal hier im Forum um. Gerade die Anfängerleitfäden sind sehr nützlich und zu speziellen Frage zu öfters genannter Literatur wirst du hier definitiv fündig. Von Büdingen nach Nidderau ist es ein Katzensprung und die wichtigsten Bücher was das Nähen angeht habe ich. Ich kann dir auch anbieten die Grundzüge des mittelalterlichen Schneiderns zu zeigen (die anwesenden Damen denen ich auf die Finger schaute werden es hoffentlich wohlwollend zur Kenntnis nehmen obwohl ich deren Fähigkeiten bei weitem nicht erreiche :D ) um Fehler die jeder Anfänger unweigerlich macht einzugrenzen. Nirnkann ich dir was deinen Zeitraum angeht gar nicht weiter helfen. 1250 bzw 1350 ist nicht meine Zeit, ich habe es eher mit frühem Frühmittelalter. Ganz frühem um genau zu sein. Gerade dein Wohnort war ein Siedlungsort der Merowinger und wenn man sich mit deren Entwicklung beschäftigt kommt unweigerlich die Frage warum in Windecken alamannische Reitersporen gefunden wurden. Ok, Information overflow. Gern mehr dacon wenn Interesse besteht.
 

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(...) die Zeit zwischen 1250-1350 (...)
Wir bewegen uns als Verein im Hochmittelalter bis 1350.
Ich wollte nur noch kurz anmerken, dass (laut Mediävistik) das Hochmittelalter ab um 1250 endet. Alles was danach kommt, zählt streng genommen schon zum späten Mittelalter. Im 14. Jhd. ändert sich dann auch die Kleidung, Mode, Rüstung, Bewaffnung, etc. teilweise deutlich. Das gilt es zu beachten. Wenn du also gerne etwas "hochmittelalterliches" machen wölltest, müsstest du eher vor 1250 schauen. Das frühe Spätmittelalter ist allerdings auch sehr spannend und in der Darstellerszene (meiner Meinung nach) bisher ziemlich unterrepräsentiert.
 
Von Büdingen nach Nidderau ist es ein Katzensprung und die wichtigsten Bücher was das Nähen angeht habe ich. Ok, Information overflow. Gern mehr dacon wenn Interesse besteht.
Danke für das Angebot, vielleicht werde ich noch von Gebrauch machen :) Erst mal ist die nächsten Tage eine Flut von Büchern zu mir unterwegs. Eine Tochter eines Mittelalterfreundes, der wohl vor kurzem seine letzte Ruhe gefunden hat, löste im Internet seine Büchersammlung über das Mittelalter auf, da habe ich zugegriffen. Und mein Verein hat wohl auch einiges an diversen Exemplaren. Da werde ich bei so fast allem dabei sein was angeboten wird, Hauptsache Spaß in der Gemeinschaft 8) Jetzt ist der Fokus auf jeden Fall, erst mal die richtige Figur zu finden, die auch zu mir passt. Ich bin ja auch ein großer Freund von Outsidern, mal schauen was ich so über Wegelagerer und Raubritter erstöber :D
 

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