Mittelhochdeutsch

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Gisla von Goreliz

Guest
Hey, seit einiger zeit hab ich mich ma mit der damaligen "deutschen" sprache auseinander gesetzt, deren Ursprung, Entwicklung usw. das ist sehr interessant, ich frage mich, ob es da auch Kurse für gibt. Oder ob es überhaupt möglich ist mithilfe der Überlieferungen die Sprache zu lernen. Habe zwar neulich ein "mittelhochdeutsches Wörterbuch" in der Bibliothek gefunden aber das war extrem spärlich... Hab auch schon gehört, dass es damals keine Rechtschreibung in dem Sinne wirklich gegeben haben soll. Also, kennt sich jemand damit aus, kennt jemand Bücher, oder gar Kurse die dafür angeboten werden? nun denn, dankeschön schon mal ... tandaradey :p LG Gisla
 
Hallo Gisla, Es gibt an vielen Universitäten, die Germanistik oder Geschichte unterrichten Kurse für Mittelhochdeutsch. Diese kannst du auch als Gasthörerin besuchen. Bitte bedenke daß Mittelhochdeutsch eine eigenständige Sprache ist, die von Grund auf gelernt werden möchte. Wegen der Syntax/ Morphologie kann ich Dir leider nicht weiterhelfen weil meine Kenntisse in dieser Sprache zu gering sind. viele Grüsse, der Viator
 
Mit Mittelhochdeutsch gibt es zwei grundsätzliche Probleme: Zum einen, du hast es schon erwähnt, ist Mhd eher ein Mittelweg zwischen mehreren deutschen Dialekten, die im 12. und 13. jhdt. in Süd-Deutschland gesprochen wurden, weshalb das im Mittelalter auch je nach Region bisweilen ziemlich frei nach Schnauze geschrieben wurde (Bei einigen urkunden wirds echt haarig, rauszufinden, was der Schreiber uns hier mitteilen wollte). Zum anderen ist das "hoch" in Mittelhochdeutsch nicht wie bei einer modernen Hochsprache zu verstehen. Mhd ist die Verkehrs- und Geschäftssprache Hochdeutschlands bzw. Oberdeutschlands, wie man heute eher sagt. Die meisten Deutschen Minnedichter haben auf Mhd gedichtet, weshalb diese Sprache wesentlich populärer ist, als ihr nördliches Gegenstück, das Mittelniederdeutsche, in dem zum Beispiel der Sachsenspiegel verfasst ist. Dennoch, wenn du nördlich des Weisswurst-Equators lebst, ist die Sprache die für deine Darstellung interessant ist, Mittelniederdeutsch.
 
wow von einem mittelniederdeutsch höre ich echt das erste mal, kennst du links oder ähnliches dazu?
 
Kommt drauf an, was du mit der Sprache tun willst. Sprechen zum beispiel ist grundsätzlich schwierig, da die Aussprache nicht vollends erforscht bzw bekannt ist. Da können nur Vermutungen angestellt werden. Leider kommt mein MHD Kurs erst im Sommersemester ;(
 
hm, das hab ich mir gedacht, dass es mit sprechen schwierig wird.
 
Ich habe so einige Wörterbücher im Regal stehen und wenn ich da rein gucken, dann frage ich dich, was du mit der Sprache bewirken willst? Kein Mensch wird dich verstehen können. Beziehungsweise wird es sehr schwierig.
 
dann frage ich dich, was du mit der Sprache bewirken willst? Kein Mensch wird dich verstehen können. Beziehungsweise wird es sehr schwierig.
zb originale primärliteratur lesen. ich würd mir zb gerne mal das doomesday book, oder die angelsächsische chronik im original angucken, hätte beim entziffern jedoch wahrscheinlich üble schwierigkeiten :D
 
Ich glaub mal, dass du es auch ohne Mittelhochdeutschkurs können wirst. So schwer ist das nun auch nicht. Ich kann z.B. kein Niederländisch. Jedoch kann ich Texte lesen und verstehen. Und wenn man dann noch ein ensprechendes Wörterbuch zur Hand hat, dann sollte es so schwer ja nicht sein.
 
Original von Luque
dann frage ich dich, was du mit der Sprache bewirken willst? Kein Mensch wird dich verstehen können. Beziehungsweise wird es sehr schwierig.
zb originale primärliteratur lesen. ich würd mir zb gerne mal das doomesday book, oder die angelsächsische chronik im original angucken, hätte beim entziffern jedoch wahrscheinlich üble schwierigkeiten :D
Ähm ... das Doosday Book und die angelsächsiche Chronik sind aber nicht in Mittelhochdeutsch geschrieben worden ...
 
Ähm ... das Doosday Book und die angelsächsiche Chronik sind aber nicht in Mittelhochdeutsch geschrieben worden ...
:D :D ob mittelhochdeutsch oder mittelhochenglisch, das prinzip ist das selbe. ist beides (ohne vorkenntnisse, oder ohne wörterbuch) schwer zu verstehen. :p
So schwer ist das nun auch nicht. Ich kann z.B. kein Niederländisch. Jedoch kann ich Texte lesen und verstehen.
ich kenn mich mit mittelhochdeutsch nicht wirklich auch, hatte nur ein traumatisches erlebnis mit einem dt. gedicht aus dem mittelalter (nein, keine ahnung wann und wo genau ;) ) , von dem ich zwar den groben umriss und das thema verstanden hab, aber die details mir unverständlich blieben. wenn ich nun eine "wissenschaftliche" analyse einer primärliteratur anfertigen möchte brauche ich aber diese details. natürlich kann man für das grobe ein wörterbuch benutzen, ich glaube jedoch, dass man für ein intensives studium nicht um einen lehrgang, o.ä. herumkommt. ergo: nutzlos ist das lernen durch kurse also nicht, sofern man mehr als nur ein laie in entsprechender materie sein will
 
Da ich das Thema als eines meiner Hauptinteressen bezeichnen darf erlaube ich mir mal diesen Thread aufzuwärmen ^^ Wie bereits sehr richtig erwähnt ist Mittelhochdeutsch an Universitäten prinzipiell recht leicht zu erlernen - soll heißen es wird nach wie vor oft und reichhaltig angeboten, und als Gasthörer kann man problemlos z.B. eine Einführungsveranstaltung in "Ältere deutsche Literatur" besuchen, wo ein Einblick ins Alt- und Mittelhochdeutsche geboten wird. Ich würde aber nicht so weit gehen zu sagen, dass es eine "eigenständige Sprache ist, die von Grund auf gelernt werden möchte". Als kompetenter Sprecher des Neuhochdeutschen (wie wohl jeder von uns ^^) hat man es natürlich deutlich leichter das Mittelhochdeutsche zu erlernen, als es ein Nicht-Muttersprachler hätte. Die phonetischen Unterschiede (z.B. "bayrisch" wirkende Zweilaute wie etwa in guot) zur Moderne hat man recht schnell verinnerlicht, es ist nur einfach grammatisch und syntaktisch noch vielfältiger, aber auch hier reicht es zu einem grundlegenden Verständnis schonmal, wenn man die wichtigsten Unterschiede zum modernen Deutsch kennt. Benno hat im Prinzip ziemlich recht, wenn er das Mittelhochdeutsche als die Verkehrssprache Süddeutschlands bezeichnet. Wir reden hier aber genau genommen von nichts weiter als einem literarischen Standard im südlichen deutschen Sprachraum, der für uns heute nur deshalb eine solche Bedeutung hat, weil in ihm die wichtigsten Literaturdenkmäler der Zeit verfasst sind. Daher sind unsere modernen Textausgaben des Mittelhochdeutschen auf einen im 19. Jahrhundert definierten süddeutschen Standard hin normalisiert. Die tatsächlichen damaligen Texte zeigen aber weit größere dialektale Vielfalt. So findet man z.B. auch aus Mitteldeutschland (Hessen, Thüringen, Sachsen) viele Texte in "Mittelhochdeutsch" die teils doch deutliche Unterschiede zu Texten aus Bayern/Österreich oder dem allemannischen Raum haben - ebenso zeigen auch die Texte von norddeutschen Schreibern teils deutlichen Einfluss ihrer muttersprachlichen mittelniederdeutschen Dialekte, nur wird sowas in den Textausgaben eben meist "glattgebügelt" zu diesem Standard-Mittelhochdeutsch, das es in der Form nie so wirklich gegeben hat. Ich für meinen Teil arbeite beispielsweise gerade mit Texten aus dem Mainzer Raum um 1300, und hier ist beiderlei festzustellen: Man strebte einen Standard an und orientierte sich vermutlich an südlicheren Dialekten (es ist allerdings schwer zu sagen, wo dies der Fall ist und wo man einfach noch Schreibungen findet die in dem gesprochenen Dialekt eigentlich bereits veraltet waren). Und dennoch sind eben auch einige Unterschiede festzustellen, die deutlich zeigen, dass wir es mit einem Text aus Mitteldeutschland zu tun haben und es lassen sich auch einige Dinge ablesen, die auf die Aussprache dieser Region und Zeit hinweisen. Denn es ist mitnichten nicht so (wie DaniC oben annimmt), dass die Aussprache nicht ganz erforsch ist. Die meisten Leute interessieren sich nur nicht sehr dafür, und so lernt man auch heute an der Uni noch immer nicht gerade den neuesten Stand der Forschung. Und entsprechend wenige Quellen gibt es auch. Aber wenn man sich mal reinkniet und sich mit den nicht-normalisierten Original-Texten auseinandersetzt, dann kann man ein erstaunlich hohes Maß an Details bezüglich der Aussprache des jeweiligen Dialektes aus den Texten herauslesen. Man weiß daher z.B. recht gut, dass vor dem 13. Jahrhundert der Buchstabe s noch nicht wie heute gesprochen wurde, sondern vermutlich eher wie etwas zwischen sch und ch (ungefähr wie im Japanischen), dass man in Mitteldeutschland z.B. wol schon mit langem Vokal sprach, wo man in Bayern noch einen kurzen Vokal hatte, etc.pp. Ich könnte da eine recht gute Quelle für den Einstieg empfehlen, wenn es jemanden interessieren sollte. Zum Thema Wörterbücher gibt es nicht viel zu sagen, da eigentlich fast alles, was auf dem Markt ist auf dem Wörterbuch von Matthias Lexer beruht. "Der Lexer" ist und bleibt der Standard auf dem Gebiet und ist in einer umfassenden Form komplett online einzusehen: Online-Lexer. An den Stil mit allerlei Belegen und Abkürzungen muss man sich allerdings erstmal gewöhnen. Auch ist daran eher schräg, dass die Übersetzungen ins moderne Deutsch nicht in aktueller Rechtschreibung sind, sondern so, wie Lexer sie vor 140 Jahren aufgeschrieben hat (er schreibt z.B. alles klein).
 
Ich könnte da eine recht gute Quelle für den Einstieg empfehlen, wenn es jemanden interessieren sollte.
Itswayningmanhalleluja.jpg
Wayne interessierts, und mich auch. Bitte sende mir eine Info dazu! Ich habe es dauernd mit Quellen aus dem 14. u. 15. Jhdt. zu tun und oft ist die Aussprache ein wichtiger Hinweis für das Verständnis. Danke, JP
 
Hinter dem unscheinbaren Titel "Geschichte der deutschen Sprache" haben sich sicherlich schon jede Menge gute und schlechte Quellen verborgen, aber das von Wilhelm Schmidt geschriebene Buch dieses Namens kann ich wirklich empfehlen. Darin finden sich recht ausführliche aber anfängerfreundliche und verständliche Kapitel zu Alt-, Mittel- und Frühneuhochdeutsch, die sich zwar größtenteils natürlich mit der Grammatik befassen, die aber durchaus auch auf Schreibung und Aussprache eingehen. Und wenn man die entsprechenden Abschnitte in den Kapiteln zu Mittel- und Frühneuhochdeutsch durcharbeitet findet man allerlei hilfreiche Angaben, wie etwa dass die "frühneuhochdeutsche" Monophthongierung von Mitteldeutschland ausging und dort schon im 13. Jh. abgeschlossen war (während sie ja in großen Teilen von Bayern und der Schweiz bis heute nicht statt gefunden hat), seit wann wir wo von einer Aussprache von "ei" als ai ausgehen können, und derlei mehr. Hat mir auf jeden Fall bei einem grundsätzlichen Einstieg geholfen. Wenn man wirklich erschöpfende, exakte Details braucht wird man sich jedoch immer für die jeweilige Zeit und Region anhand von Originalquellen ein eigenes Bild machen müssen. So hat mir die Arbeit mit Quellen aus dem Mainzer Raum z.B. alles bestätigt, was ich mir vorher aus besagtem Buch für das südliche Hessen herausgearbeitet hatte, doch bin ich dabei noch über einige weitere Details gestolpert.
 

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