Da ich das Thema als eines meiner Hauptinteressen bezeichnen darf erlaube ich mir mal diesen Thread aufzuwärmen ^^ Wie bereits sehr richtig erwähnt ist Mittelhochdeutsch an Universitäten prinzipiell recht leicht zu erlernen - soll heißen es wird nach wie vor oft und reichhaltig angeboten, und als Gasthörer kann man problemlos z.B. eine Einführungsveranstaltung in "Ältere deutsche Literatur" besuchen, wo ein Einblick ins Alt- und Mittelhochdeutsche geboten wird. Ich würde aber nicht so weit gehen zu sagen, dass es eine "eigenständige Sprache ist, die von Grund auf gelernt werden möchte". Als kompetenter Sprecher des Neuhochdeutschen (wie wohl jeder von uns ^^) hat man es natürlich deutlich leichter das Mittelhochdeutsche zu erlernen, als es ein Nicht-Muttersprachler hätte. Die phonetischen Unterschiede (z.B. "bayrisch" wirkende Zweilaute wie etwa in
guot) zur Moderne hat man recht schnell verinnerlicht, es ist nur einfach grammatisch und syntaktisch noch vielfältiger, aber auch hier reicht es zu einem grundlegenden Verständnis schonmal, wenn man die wichtigsten Unterschiede zum modernen Deutsch kennt. Benno hat im Prinzip ziemlich recht, wenn er das Mittelhochdeutsche als die Verkehrssprache Süddeutschlands bezeichnet. Wir reden hier aber genau genommen von nichts weiter als einem literarischen Standard im südlichen deutschen Sprachraum, der für uns heute nur deshalb eine solche Bedeutung hat, weil in ihm die wichtigsten Literaturdenkmäler der Zeit verfasst sind. Daher sind unsere modernen Textausgaben des Mittelhochdeutschen auf einen im 19. Jahrhundert definierten süddeutschen Standard hin normalisiert. Die tatsächlichen damaligen Texte zeigen aber weit größere dialektale Vielfalt. So findet man z.B. auch aus Mitteldeutschland (Hessen, Thüringen, Sachsen) viele Texte in "Mittelhochdeutsch" die teils doch deutliche Unterschiede zu Texten aus Bayern/Österreich oder dem allemannischen Raum haben - ebenso zeigen auch die Texte von norddeutschen Schreibern teils deutlichen Einfluss ihrer muttersprachlichen mittelniederdeutschen Dialekte, nur wird sowas in den Textausgaben eben meist "glattgebügelt" zu diesem Standard-Mittelhochdeutsch, das es in der Form nie so wirklich gegeben hat. Ich für meinen Teil arbeite beispielsweise gerade mit Texten aus dem Mainzer Raum um 1300, und hier ist beiderlei festzustellen: Man strebte einen Standard an und orientierte sich vermutlich an südlicheren Dialekten (es ist allerdings schwer zu sagen, wo dies der Fall ist und wo man einfach noch Schreibungen findet die in dem gesprochenen Dialekt eigentlich bereits veraltet waren). Und dennoch sind eben auch einige Unterschiede festzustellen, die deutlich zeigen, dass wir es mit einem Text aus Mitteldeutschland zu tun haben und es lassen sich auch einige Dinge ablesen, die auf die Aussprache dieser Region und Zeit hinweisen. Denn es ist mitnichten nicht so (wie DaniC oben annimmt), dass die Aussprache nicht ganz erforsch ist. Die meisten Leute interessieren sich nur nicht sehr dafür, und so lernt man auch heute an der Uni noch immer nicht gerade den neuesten Stand der Forschung. Und entsprechend wenige Quellen gibt es auch. Aber wenn man sich mal reinkniet und sich mit den nicht-normalisierten Original-Texten auseinandersetzt, dann kann man ein erstaunlich hohes Maß an Details bezüglich der Aussprache des jeweiligen Dialektes aus den Texten herauslesen. Man weiß daher z.B. recht gut, dass vor dem 13. Jahrhundert der Buchstabe
s noch nicht wie heute gesprochen wurde, sondern vermutlich eher wie etwas zwischen
sch und
ch (ungefähr wie im Japanischen), dass man in Mitteldeutschland z.B.
wol schon mit langem Vokal sprach, wo man in Bayern noch einen kurzen Vokal hatte, etc.pp. Ich könnte da eine recht gute Quelle für den Einstieg empfehlen, wenn es jemanden interessieren sollte. Zum Thema Wörterbücher gibt es nicht viel zu sagen, da eigentlich fast alles, was auf dem Markt ist auf dem Wörterbuch von Matthias Lexer beruht. "Der Lexer" ist und bleibt der Standard auf dem Gebiet und ist in einer umfassenden Form komplett online einzusehen:
Online-Lexer. An den Stil mit allerlei Belegen und Abkürzungen muss man sich allerdings erstmal gewöhnen. Auch ist daran eher schräg, dass die Übersetzungen ins moderne Deutsch nicht in aktueller Rechtschreibung sind, sondern so, wie Lexer sie vor 140 Jahren aufgeschrieben hat (er schreibt z.B. alles klein).