Nikolaus-Legende des Cäsarius von Heisterbach

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Heribert von Werden

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Im Dorf Leichlingen, ungefähr zwei Meilensteine von Köln, ist vor sieben Jahren geschehen, was ich erzählen will. Ein einfacher Knabe hütete dort das Vieh einer Frau. Dieser liebte den heiligen Nikolaus so sehr, daß er täglich die Hälfte seines Brotes ihm zu Ehren an die Armen verteilte. Auch rief er fortwährend im Gebet sein Erbarmen an. Da der heilige Bischof an diesem frommen Dienst Gefallen fand, erschien er ihm eines Tages auf dem Felde, in Gestalt und Kleidung eines ehrwürdigen Greises, und sagte: Lieber Knabe, führe die Herde heim. Er antwortete: Herr, es ist noch zu früh, täte ich es, so würde meine Herrin schelten. Darauf der Heilige: Tu, wie ich gesagt habe, denn heute vor Sonnenuntergang wirst du sterben. Der Knabe erschrak bei diesem Wort und fragte ihn: Herr, wer bist du? Er antwortete ihm: Ich bin der Bischof Nikolaus, zu dem du immer betest und mit dem du dein Frühstück zu teilen pflegst. Ich bin gekommen, um dich zu belohnen. Geh also nach deiner Herberge, nimm den Leib des Herrn und bereite dich, denn heute, wie gesagt, wirst du sterben. Darauf verschwand er. Als der Knabe mit den Schafen heimkam und seine Herrin fragte, warum er so früh komme, antwortete er: Ich mußte, denn vor der Nacht soll ich sterben. Darauf jene: Du faselst. Führe die Herde wieder auf die Weide, du wirst nicht sterben. Er aber legte sich gleich zu Bett und verlangte nach einem Priester. Dieser kam, und die Frau sagte zu ihm: Ich fürchte, dieser Knabe hat irgendeinen Spuk gesehen, fragt ihn sorglich, was er gesehen hat, was ihm fehlt und warum er so redet. Der Priester tat so, und der Knabe erzählte ihm das Gesicht. Er empfing aus seinen Händen das Abendmahl und starb zur vorhergesagten Stunde. Quelle: Der „Dialogus Magnus Visionum Atque Miraculorum” des Cäsarius von Heisterbach
 

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