Ich erkläre mal, stark verkürzt, weshalb diese Preisgeschichte im Frühmittelalter so diffizil ist: Zum Ersten haben wir massive Schwankungen, was den Wert einzelner Münzarten betrifft, ganz besonders die "Leitwährung" der Spätantike und des Frühmittelalters, des
Solidus.
(Quelle: Wikipedia, deren Bilder und Artikel allerdings gemeinfrei sind und dehalb eigentlich nicht als Quelle angegeben zu werden brauchen) Der Solidus wurde als Ersatz für den alten Aureus geprägt, der durch einen schleichenden Verlust an Goldgehalt massiv an Wert und Vertrauen verloren hatte. Der Solidus wurde erstmalig im Jahr 309 von Kaiser Konstantin geprägt. Der Wert war auf 40 (Silber)Denare festgelegt, ein Verhältnis, das sich trotz unterschiedlicher Prägungen verschiedener Kaiser und nichtrömischer Herrscher bis etwa um das Jahr 1000 hielt (Dann ereilte auch ihn das Schicksal des alten Aureus, dass durch schleichende Verringerung des Goldgehalts der Wert massiv verfiel). Somit ist der Solidus
vermeintlich eine sichere und stabile Referenz bei der Abschätzung von Preisen und Werten. Aber: Solidus leider nicht Solidus. Bei den Germanen war, wohl in Ermangelung von Gold einerseits und derart wertvollen Handelsgütern, als dass man dafür Goldmünzen gebraucht hätte andererseits, eine Silberwährung vorherrschend. Seit etwa 700 AD wird diese Silberrechnung von den Arnulfingern auf das ganze Reich, also auch die Gallorömischen Provinzen, übertragen. Von Karlmann wird der fränkische Silbersolidus als theoretisches Konstrukt (eine tatsächliche Prägung scheint zu keiner Zeit wirklich erfolgt zu sein) zu einem Wert von 12 Denaren festgelegt und von Pippin schließlich per Gesetz als Grundalge für alle Strafgelder festgelegt. Das Verhältnis Silbersolidus zu Goldsolidus ist also (auf Denarbasis) 3,3 : 1 Da viele heutige Wertschätzungen sich aber auf eben jene Strafgelder beziehen, ist das eine Möglichkeit für Missverständnisse. Da in den fränkischen Gesetzen nur von "Solidi" die Rede ist, werden diese oft fälschlich als die klassischen, wohlbekannten Goldsolidi angenommen, mit dem Ergebnis, dass die angenommenen Werte sich verdreifachen. Auch ist natürlich der Zeitpunkt der Texte wichtig. Es ist nicht trivial, wenn man einen Text aus dem 6. Jahrhundert (goldsolidusbezogen) leichtfertig auf das 9. Jahrhundert (silbersolidusbezogen) projiziert. Da unter den Karolingern weite Teile insbesondere Norditaliens fränkisch waren, muss man gerade hier vorsichtig sein, wenn man in Quellen mit "Solidi" hantiert. Besser, man setzt auf den Denar, der vorher wie nachher aus Silber war. Zum Zweiten ist aber auch das nicht ganz problemlos, denn der Wechselkurs zwischen Gold und Silber schwankte, gewichtsbezogen, also reiner Materialwert, unabhängig von irgendwelchen Münzbezeichnungen, beträchtlich. Die Gründe sind nicht völlig klar, aber wahrscheinlich wurde die Verfügbarkeit der natürlichen Goldvorkommen immer knapper (Spanien: unter maurischer Herrschaft, Cevennen und Aquitanien: seit etwa 750 AD erschöpft, Böhmen: unter slawischer Herrschaft) während Silber sich immer mehr ansammelte. In der folge kam es, je nach Standpunkt, zu einer massiven Wertzunahme des Goldes oder zu einer Wertabnahme des Silbers: Um 400 AD 1 Pfund Gold = 6 Pfund Silber Um 550 AD 1 Pfund Gold = 7 Pfund Silber Um 700 AD 1 Pfund Gold = 11 Pfund Silber Um 750 AD 1 Pfund Gold = 13 Pfund Silber So gesehen war also auch das nominelle Verhältnis von Goldsolidus zu Silberdenar (1 : 40) in der Realität nicht wirklich haltbar. (Möglicherweise ein weiterer Grund für die fränkische Einführung des Silbersolidus, da wegen Silber zu Silber
dieses Problem wenigstens wegfiel.) Wenn es tatsächlich stimmt, dass dieser Wechselkurs Goldsolidus / Silberdenar über Jahrhunderte konstant blieb, dann ist das eigentlich nur über einen entsprechend sinkenden Goldgehalt im Solidus zu erklären. Ist also der konstante Wechselkurs auf den ersten Blick ein Indiz für Währungsstabilität, so zeigt er doch nur den relativen Wert von Münze zu Münze, nicht jedoch von Münze zu Ware. Anders ausgdrückt: Das Geld unterlag einer langsamen aber deutlichen Inflation. Zum Dritten ist dieses Verhältnis Geld/Ware zeit- wie regionsabhängig. Um das Jahr 530 kosteten auf dem Markt zu Neapel (Quelle: Rechnungsbücher des Klosters Monte Cassino, aus (Literatur): Otto Zierer, "Von Gottes Gnaden / das karolingische Zeitalter 700 - 900 n. Chr."): Ochse : 40 Denare Scheffel Weizen: 5 Denare Panzerrüstung : 50 Denare Um das Jahr 800 herum kosten die gleichen Waren: Ochse: 24 Denare Scheffel Weizen: 3 Denare Panzerrüstung : 216 Denare Unabhängig von einer eventuellen Inflation in diesen Jahrhunderten kann man einen direkten Vergleich anstellen: Um 530 (spätrömisch, quasi vorindustrielle Rüstungsproduktion) kostet eine Panzerrüstung nicht viel mehr als ein einziger Ochse, zu Zeiten der Karolinger (landwirtschaftlich bäuerliche Wirtschaftsstruktur) kostet eine Panzerrüstung etwa 9 Ochsen. Das Verhältnis von Ochse zu Weizen indes bleibt mit 1:8 exakt gleich. Da aber nun die Quellenlage aus diesen frühmittelalterlichen Zeiten sehr dürftig ist, werden gerne Quellen aus verschiedenen Zeiten und Regionen miteinander verglichen. Das ist aber, wie wir gesehen haben, fast unmöglich, da Gesellschaftsstruktur, Währungsunterschiede, Begrifflichkeiten, Symbolismen, Intentionen (Gesetzestexte!) und vieles mehr berücksichtig und eingerechnet werden müssten. Zwar mag es möglich sein, Preislisten aus einer Zeit in einer Ecke Europas und Einkommen, etwa von Handwerkern, aus anderen Zeiten in anderen Ecken Europas aufzutreiben, aber sie sind nicht einfach vergleichbar. Fazit: Wert- oder Preisangaben sind im Laufe der Geschichte regionalen, gesellschaftlichen, politischen und sonsotgen mannigfaltigen Einflüssen unterworfen, dass man nur sehr schwer eine seriöse Einschätzung abgeben kann. Eine Hochrechnung gar auf heutige "Werte" oder "Preise" ist nahezu vollkommen unmöglich.