Quellenkritik bei Bildern

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Hallo Gemeinde... ich hatte heute einen schweren Anfall von "GroMi-sein-ist-schön"... Da rief ich meine Sammlung von Gemälden aus der wunderschönen Zeit des ausgehenden 15. Jhdt auf, in der Hoffnung auf Heilung.Und wie ich da so Bild für Bild betrachtete, senkte der Scheitan einen Samen des Zweifelns in mein Herzelein: Was, wenn die Künstler sich so manchen Streich ausgedacht, die Kleidung absichtlich verfälscht und das eine oder andere so wie dargestellt malten, weil es eine Symbolik hatte und es somit nicht entsprechend a la mode gezeigt wurde. Und mir fiel ein schönes Beispiel ein... das einen 20.Jhdt- Reenactor des Jahres 2500 deutlich aufs Glatteis führen würde: http://t2.gstatic.com/images?q=tbn:ANd9GcTQOGe2eB6ggCcjDz1czzmnyqY6stKO173ZoiymzM5aDomLLVwZ Der würde ein völlig falsches Bild von den "damals verwendeten" Uhren haben!!! Also: Wie geht ihr in unserem Hobby um? Sind die Gemälde wirklich das Non-Plus-Ultra?
 
das ist eine gute frage ich denke die bilder sind geschönt , heist einwenig freigeist des künstler ist immer mit dabei, wenn mächtige leute sich malen liesen und es gefiehl nicht war die gesundheit des künstlers stark gefärdet heist der person wurde mit den kunstwerk geschmeichelt
 
@ Richard Es geht nicht daraum, ob die gemalten Leutz mit feister Gesundheit oder wie in Realität hohlwangig siech gemalt wurden, sondern darum, ob in der Darstellung der Realien möglicherweise symbolhafte Darstellungen verwenden wurden. Beispiel: Bürger wird mit einer Waffe gezeigt... diese war zum Zeitpunkt total veraltet und der Künstler wollte damit die Rückständigkeit des Gemalten darstellen. Wir sehen uns das Bild an und meinen: Zeitraum passt, also passt auch Waffe für den Darstellungszeitraum.
 
Grundsätzlich kann man das in Bildquellen natürlich nicht ausschließen! Zum einen wurde gerade bei bildern sehr viel, nennen wir es mal Romantisiert. Was ich damit sagen möchte, ist der Maler z.B. seinen Auftraggeber größer, schöner, stärker gemalt hat, als dieser tatsächlich war. Hilft uns jetzt hier aber auch nicht, weil die Bildquellen noch nicht so auf Portraitbilder zielen. Aber dennoch wird es sicherlich so sein, dass Maler, einen gewissen Freiraum hatten und nicht nur einen den langsamen und menschlichen Fotoapparat darstellten. Deshalb müssen ja auch viele Bilder hinterfragt werden, ob das war dargestellt wird, tatsächlich den zeitlichen und sachlichen Kontext passt. Immerhin wurde damals ja auch schon der Guttenberg gemacht, wenn ich an den Eadwine Psalter denke, der eine "Abschrift" des Uetrechter Psalters ist. Und da liegen mal eben 4 Jahrhunderte zwischen. Daher sollte man ja auch darauf achten, wann wurde das Bidl gemalt und welche Zeit soll es darstellen. Da treten auch schon mal Ungereimtheiten auf. Ob und inwieweit eine gewisse Symbolik in Bilder eingebaut wurde, vermag ich nicht zu beurteilen, da ich mich bislang nicht damit beschäftigt habe. Dennoch kann ich mir gut vorstellen, dass die Symbolik auch in der Kunst einen gewissen Stellenwert hatte. Muss ich demnächst mal wieder in die Bücherei schauen, ob ich da was zu finde.
 
Meiner Meinung nach darf man Bilder einfach nicht nur für sich betrachten. Man kann leider die damaligen Künstler nicht mehr fragen, was die Intention des Bildes war. Insofern bleibt jede Interpretation des Bildes immer auch ein guter Teil Spekulation mit dem Wissen unserer heutigen Zeit. Je mehr Informationen man aus der betreffenden Zeit aus anderen Funden / Literaturstellen etc. hat, umso höher ist die Wahrscheinlichkeit, daß man das Bild richtig interpretiert. Aber mit 100% Sicherheit kann man das nie sagen. Und selbst wenn man mehrere Bilder von verschiedene Personen hat, weis man nie wirklich, ob das der Realität entsprach oder ob nicht mit den Bildern eine damalige Stimmung in der Gesellschaft ausgedrückt wurde. Insofern gibt es sowieso nichts Authentisches sondern immer nur Interpretationen mit entsprechend hohen Wahrscheinlichkeiten (und das betrifft meiner Meinung nach nicht nur Bilder sondern auch Funde, Texte etc.) Grüße, Tannjew (dem man seinen nihilistischen Ansatz verzeihen möge)
 
Der würde ein völlig falsches Bild von den "damals verwendeten" Uhren haben!!!
Kein falsches, aber ein total verschwommenes oder verzerrtes Bild *grins* Ich wünschte mir auch manchmal, das es eigene schriftliche oder bildliche Aufzeichnungen der "Antiqui Saxones" gegeben hat. Leider ist das nicht der Fall.
 
Sicherlich sollte man mit Bildquellen vorsichtig umgehen. Wir beschäftigen uns schon seit Jahren mit dem Blidenbau und wenn man die Abbildungen von damals nimmt, stellt man sehr schnell fest, dass vieles so gar nicht funktioniert haben kann. Mark Feuerle weißt in seinem Buch daher darauf hin, dass die Maler die Bilder oft verfälscht haben, indem sie dass, was ihnen wichtig erschien deutlicher hervorgehoben haben, teilweise sehr überzogen, als das, was in Wirklichkeit wichtig war. Bei der Darstellung von Bauern ist oft auch mehr dem Auge des Betrachters gehuldigt worden, als der Wirklichkeit. Oft tragen sie Kleidung, die ihrem Stand nicht entspricht. Ich denke, dass es bei Gebrauchsgegenständen ähnlich war und auch auf bestimmte Symboliken eingegangen wurde. Man sollte daher immer schauen, ob der abgebildete Gegenstand noch woanders aufgetaucht ist, in Bildern oder Schriften und sich nicht mit einer einzigen Abbildung zufrieden geben. LG Martina
 
Wir beschäftigen uns schon seit Jahren mit dem Blidenbau und wenn man die Abbildungen von damals nimmt, stellt man sehr schnell fest, dass vieles so gar nicht funktioniert haben kann.
Das ist mir bei anderren Abbildung im Bereich von Pfeil und Bogen auch schon häufig aufgefallen. Hier wird es wohl der Tatsache geschuldet sein, dass der Maler zwar malen konnte, aber keine Ahnung von dem hatte, was er da malt, sondern lediglich seinen "subjektiven" Blick auf Papier oder was auch immer gebracht hat.
 
Ist es nicht auch so dass einige Bilder "aktualisiert" wurden? Also, jemand aus dem 14. Jahrhundert malt eine Szene aus dem ersten Kreuzzug und stellt die Personen auf dem Bild in Kleidung aus dem 14. Jahrhundert dar. Da gibt es eine Darstellung von Jonas und dem Wal. Der Maler wusste nicht wie ein Wal aussieht, nur dass es ein grosser Fisch ist. Forellen kannte er, also hat er Jonas kurzerhand in eine gigantische Forelle verfrachtet.
 
Ein schönes Beispiel ist auch der Fries im Paradies vom St.-Paulus-Dom zu Münster. Dort sind in Stein gehauene Weinreben zu sehen, die eher Brombeeren gleichen. Die Steinmetze in Münster hatten aber zu der Zeit noch nie Wein gesehen. Sie haben es sich allenfalls von Reisenden erzählen lassen oder haben ihrer Fantasie freien Lauf gelassen. Und so wird es auch den Malern ergangen sein. Ich glaube nicht, dass ein Buchmaler der ottonischen Zeit die abgebildeten Personen je selbst gesehen hat und genau wusste, welche Gewänder diese trugen, insbesondere welche Verzierungen diese genau hatten. So etwas dürfte wohl eher die Wirklichkeitskonstruktion des Malers darstellen (siehe auch von Foerster/Pörksen "Wahrheit ist die Erfindung eines Lügners" oder Watzlawick: "Wie wirklich ist die Wirklichkeit?"), die auch die bereits erwähnten Merkmale wie Symbolik usw. beinhaltet. Sehr schön lässt sich das z. B. an Keuzesdarstellungen durch die Jahrhunderte hindurch erkennen: Christus als König (Sieger) am Kreuz in der Romanik, Christus als Leidender, der die Sünden der Menschheit trug in der Gotik ... Bei der Betrachtung sollte man also stets im Hinterkopf haben "Welche zentrale Aussage wollte der Künstler (oder der Auftraggeber) mit dem Bild machen?" Aber das Gesamtbild wird trotzdem stimmig sein und dem Eindruck des damaligen Betrachters entsprechen, denn die Darstellungen sollten die Wirklichkeit schließlich nicht vollkommen verfremden. Grüße, Ewaldt
 
ob in der Darstellung der Realien möglicherweise symbolhafte Darstellungen verwenden wurden.
DAT iss ja mein Problem mit meiner roten Kutte. Da haben 1000e von Leuten Bordeaux-Farbene Gewänder an, und dann erfährt man hier, dass man einen Witz darstellt. :heul Wie erfährt man denn was WIRKLICH getragen wurde. Da scheints ja nicht viel zu geben ausser so´n paar olle Wandtepiche. :bye02
 
Hatte letztens mal nach Bildern von Robert the Bruce gesucht. Auf Bildern aus dem 13 Jahrhundert sieht er "A" aus, im 16. hat er dann so eine Art Kürassierrüstung, in der Neogotik entspricht er dem idealisierten Ritterbild usw...
 
Ja und? Man muss eben Quellenkritik egal bei welcher Quellengattung betreiben (sowie quellenattungsübergreifend vergleichen), um wenigstens die gröbsten Missinterpretationen vermeiden zu können. Das ist auch schon mal anstrengend und ein ordentlicher Restzweifel bleibt immer bestehen (was auch gut ist). Nicht umsonst ist Interpretation von Quellen ja ein Kernbereich verschiedener Studiengänge. Ist halt so. Gehört zu dem Teil des Mittelalterhobbies, der sich mit dem Mittelalter beschäftigt irgendwie dazu. Kann man nichts dran machen. Cosi è la vita. Live with it. Mehr als sorgfältig auf Basis der Interpretationen und Erkenntnisse anderer die eigenen Quellen interpretieren und möglichst viele Quellen miteinander vergleichen und in Zusammenhang bringen kann man nicht machen. Wem das zu schwammig ist, der sollte bedenken, dass eine Ablehnung dieses Systems einer Ablehnung aller Wissenschaften und Erkenntnisse über alles ist, was länger als drei Tage zurück liegt. Vergangenheit ist ein Konstrukt. Wiederbeleben von Vergangenen ist ein doppeltes.
 
Richtig Heidensohn, du hast es wieder mal treffend auf den Punkt gebracht.
 
Was mir bei der Recherche immer wieder in den Weg gerät, ist das Verwenden anderer Stilrichtungen - im "Antiphonar von St. Peter" (mitte 12. Jhdt) z.B. sind die Farbtafeln im griechisch-orthodoxen Stil, im selben Band in den Zeichnungen ist die Kleidung noch eher salisch (in Österreich war man wohl etwas hinterher mit der Mode ...) oder noch schlimmer, die religiöse Farbsymbolik. Über die kann man sich zwar mit einigem Aufwand weiterbilden, aber es ist nun mal gefährlich, wenn ich eine Frauendarstellung aus dem 12. Jhdt sehe und diese Frau ist Maria. Ich kann nicht davon ausgehen, dass alle Frauen so angezogen waren, sondern muss mir Abbildungen mit normalsterblichen Frauen suchen. Aus diesem Grund habe ich ein waidgefärbtes großes Wolltuch wieder beiseite gelegt, das ich eigentlich über den Kopf und die Schultern tragen wollte. In diese Falle bist du, @Petrus, eben auch voll reingetreten. Nein, nicht das mit der Maria :D sondern mit der religiösen Farbsymbolik.
 
Was wird man wohl in einigen Hundert Jahren über diesen Ritter zu berichten wissen? ;)
bismarck.jpg
Wie bei dieser Statue müssen wir auch bei mittelalterlichen Bildern und Skulpturen davon ausgehen das es sich erstmal um Auftragsarbeiten handelt. Zum einen verfolgt man damit meist ein bestimmtes Ziel und zum anderen heisst es dann auch ganz schlicht und ergreifend: "Wer zahlt bestimmt was zu sehen sein soll!" Wir hatten den Gedanken schon mal aufgegriffen in einem Thread um den Bajeux Teppich, der ja so ca. zwanzig Jahre nach Hastings entstanden sein soll. Man vermutet zwar das es einen "technischen Berater" gab der an der Schlacht teilgenommen hat aber kramt mal selbst 20 Jahre alte Erinnerungen raus wenn ihr keine Bilder mehr davon habt. Bedingt dadurch entstehen gleich zwei neue Probleme. Entweder ist das auf dem Bild gezeigte schon ein "Erinnerungsmix" in dem Elemente aus verschiedenen Jahrzehnten zusammen kommen könnten oder es ist für die zugeordnete Zeit einfach schon Uralt und bei Erstellung des Werkes selbst schon historisch.
 
Das mit dem Teppich ist ein gutes Beispiel, wir hatten doch vor Kurzem eine Diskussion über die auf dem Teppich dargestellten Kettenhemden.
 
Hallo Lorb dat is halt der Krux mit den recherchen. Gerade was Farben, bzw. Farbenvielfalt angeht. Bilder sehe ich sehr zurückhaltend. Die Gründe sind von den anderen schon niedergeschrieben. Dazu kommt noch war der "Maler" überhaupt fähig eine genaue Abbildung des damaligen Menschen wiederzugeben. http://www.e-codices.unifr.ch/en/csg/0022/39/small Hier zum Beispiel ein Bild aus der Stiftsbibliothek aus St. Gallen. Sind es Stiefel ja oder nein. ?( Habe dazu noch ein Bild gefunden. Der Jerusalem Psalter von Königin Mellesinde (Hoffe Name ist richtig geschrieben). Ihre Söhne sind mit dem gleichen Schuhwerk abgebildet. 8| Ich vermute das es Stiefel sind weil in der Literatur der damaligen Zeit folgendes gefunden wurde "In dem Roman de la Rose von Guillaume de Lorris von 1230 wird dem Mann geraten geschnürte Schuhe und zierliche Stiefel zu tragen. Außerdem soll er auf persönliche Hygiene und Kämmen achten. Auf`s Schminken soll er verzichten. " Also alles sehr schwierig :huh:
 

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