Kurzer Einwurf vom Seitenrand: Das ritterliche Ideal hat sich im Laufe des Mittelalters ziemlich geändert. Von den frühmittelalterlichen Miles bis zum Ritter des Spätmittelalters ist es ein weiter Weg und in der Zeit hat sich nicht nur die Bewaffnung geändert. Mein Gebiet ist nun das 12. Jahrhundert, in dem sich von Frankreich ausgehend ein höfisches Ritterideal durchzusetzen beginnt. Als Rittertugenden werden in dieser Zeit Reiten, Bogenschießen, Schwimmen, Faustkampf, Beizjagd mit Falken, Dichtkunst und Schach genannt. Lesen und Schreiben nicht. Wozu auch? Für Verwaltungsaufgaben und Buchhaltung war der Kämmerer zuständig und die Korrespondenz wurde über die Kanzlei oder einen Schreiber abgewickelt, d.h. man ließ sich die Post vorlesen und diktierte die Antworten. Die Fähigkeit zu lesen und zu schreiben war im 12. Jahrhundert noch vor allem ein Kennzeichen des Klerus, auch wenn längst nicht alle Kleriker "Literaten" waren, d.h. über diese Fähigkeiten verfügten. Auch die bereits erwähnte Hildegard von Bingen bezeichnet sich immer wieder als "illiterata". Ob das nun eine Demutsgeste war oder nicht, entzieht sich meiner Kenntnis. Fakt ist aber, dass auch sie einen Schreiber hatte, dem sie ihre Schriften diktierte.