Schwedischer Waräger, Birka, ca. 950 AD

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user8288

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Hallo! Ich möchte euch hier in diesem Thread meine Interpretation eines schwedischen Warägers aus Birka präsentieren. Ich versuche, Einflüsse des Ostens (der Rus) mit denen der schwedischen Oberschicht zu verbinden. Diskussionen, Anregungen und Fragen sind gerne gesehen :)
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Die Svita ist von Funden aus Birka und dem östlichen Raum (Gebiet der Rus) inspiriert. Konkret ist dies eine Interpretation der in Birka, Grab 716 gefundenen Knöpfe als Kittel/Oberteil. Sie besteht aus Wollstoff (hellblau/gelb) in Leinwandbindung.
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Ebenso wie die Svita ist auch der Kaftan von östlichen Funden inspiriert. Auch er beruht auf einer Interpretation der Knöpfe aus Grab 716, dieses Mal als Kaftan/Mantel gedeutet. Er besteht aus Wollstoff (Dunkelblau/Rot) in Leinwandbindung und ist mit rotem Leinen gefüttert.
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Die Pluderhose ist nach einigen Bildsteinen und Fragmentfunden interpretiert. Die Beinröhrern sind umstrittig, ich persönlich finde sie jedoch überaus praktisch und angenehm und möchte deshalb nicht auf sie verzichten.
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Da die "Zipfelmütze" eine sehr kontroverse Interpretation einer Mützenspitze ist, habe ich mir dieses Schmuckstück zugelegt: Eine kopfrunde Mütze aus Seide und Seidenbrokat, mit Leinenstoff gefüttert und Wieselfell umsäumt.
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Links: Tarsoly (Gürteltsche) nach Fund aus Rösta, Jämtland (Schweden). Rechts: Gürtel nach Birka, Grab 716.
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Geldbörse nach Birka Grab 904. Sie besteht aus Leder und ist mit blattvergoldeten Rohhautstreifen verziert.
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Wikingerschwert Typ Y nach Petersen, inspiriert von Birka, Grab 832. Ich hatte vor einer Weile schon einmal ein Bild hochgeladen. Das Schwert wurde auf meinen Wunsch hin nach Rücksprache mit dem Schmied noch einmal etwas abgeändert.
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Magyarische Reiteraxt ("Fokosch"). Ohne konkreten Fund, ähnliche Äxte wurden jedoch auch in Birka gefunden. Die Schaftlänge ist mit einem Meter relativ lang, dafür kann sie aber hervorragend als Gehstock zweckentfremdet werden. Die Lederumwicklung ist eine Idee meinerseits, da das Metall im Winter etwas kalt zum greifen ist, wenn man einen Gehstock haben möchte :) Disclaimer: Eine Lamellarrüstung nach Birka-Lamellen sowie ein Helm nach einem Fund in Großpolen sind in Arbeit und folgen in den nächsten Monaten!
 
Das ist mal eine echt ausführliche Interpretation, Hut ab :thumbsup: Welches Schuhwerk verwendest du denn für die Darstellung?
 
Haithabu Typ 7, gefertigt von @Haypalef. Ich reiche gerne ein Foto nach, sobald ich daheim bin.
 
Gefällt mir alles sehr gut, obwohl ich eigentlich kein Birka-Fan bin. Aber jetzt noch ein kleinwenig Kritik/Fragen: Der Einfluss östlicher Steppenvölker ist in der Oberschicht Birkas natürlich erkennbar, aber was hat das mit Warägern zu tun? Wie ähnlich sind die in Birka gefundenen Äxte deiner? Wurden in Birka viele Waffen östlichen Ursprungs gefunden?
 
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Zuerst mal noch die Schuhe. Haithabu Typ 7.
Gefällt mir alles sehr gut, obwohl ich eigentlich kein Birka-Fan bin.
Was nicht ist kann ja noch werden... ;)
Aber jetzt noch ein kleinwenig Kritik/Fragen: Der Einfluss östlicher Steppenvölker ist in der Oberschicht Birkas natürlich erkennbar, aber was hat das mit Warägern zu tun?
Mit "Waräger" beziehe ich mich hier nicht auf die Warägergarde des byzantinischen Kaisers Basileios II., sondern auf deren "Vorfahren, die eigentlich als Waräger bezeichneten skandinavischen Ostfahrer, die Handelsrouten entlang Don, Dnjepr, Wolga und Dwina erschlossen und sich dort teilweise niederließen.
Wie ähnlich sind die in Birka gefundenen Äxte deiner? Wurden in Birka viele Waffen östlichen Ursprungs gefunden?
Es gibt eine Fund einer Hammeraxt (Grab 644), meine kommt der von der Form her recht nahe. Ansonsten gibt es noch drei Doppeläxte, eine Bartaxt sowie mehrere Pfeilspitzen, die ebenfalls als östlich einzuordnen sind.
 
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Er ist da! Da es im Skandinavien der Eisenzeit nur einen einzigen Helmfund gibt (Der berüchtigte "Gjermundbu") und der wohl auch weniger zum Kämpfen gedacht war, habe ich mich für etwas östlicheres entschieden. Der Olomuc-Helm hätte auch noch nahegelegen, war mir aber etwas schnöde. Und da sich meine Darstellung ohnehin Einflüsse aus dem Osten holt, ist der Helm auch von dort. Ein slawischer/russischer Helm inspiriert von einem Fund im Chernaia Mogila, dem schwarzen Grab in Chernigov, datiert auf's 10. Jahrhundert. Das Original hatte kein Nasal, ich habe mich bei meinem zum Schutze meines geliebten Riechorgans für eines entschieden. Gefertigt wurde der Helm von Wojmir. Außerdem hab ich noch dieses hübsche Kleinod gefunden und konnte nicht widerstehen:
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Ein Kreuzanhänger aus Byzanz. Anhänger in dieser Form wurden in Byzanz einige gefunden und sind zwischen dem 9. und dem 14. Jahrhundert datiert. Also in meinem Fall sowohl von Ort als auch von der Zeit her vielleicht etwas gewagt, aber es ist so schön!
 
Der Grjermundbu Helm war nicht zum Kampf? Das ist spannend, habe ich noch nicht gehört. Warum/ wieso? Aus der Eisenzeit im Norden gibt es viele Helme (Vendelzeit). Aus der Wikingerzeit dann noch Nasal- und Augenbrauenfragmente, sowie den hl. Wenzelhelm der auch dem skandinavischen Kulturkreis zugeschrieben wird. Ein wenig Auswahl ist schon da, aber der östliche Typ ist sehr chic!
 
Brillenhelme sind zeitlich eigentlich früher einzuordnen (Vendelzeit). Eine Quelle kann ich leider nicht liefern, ich stieß jedoch mal auf einen Artikel, der den Gjermundbu-Mann als eine Art "Reenactor" der Vendelzeit beschrieb und den Helm als Prunkhelm deutete. Daher meine ich, dass er wohl eher nicht zum Kampf gedacht war. Ist viel Interpretation. Die Vendelhelme sind mir alle viel zu früh.
 
Der Gjermundbu Helm ist Gegenstand von Spekulationen und Vermutungen. Zuerst einmal ist er von der Form her ein völlig isolierter Einzelfund, der überhaupt nicht zu den anderen zeitgenössischen Funden passen will. Zudem haben ihm einige Materialkundler und Schmiede, die ihn näher in Augenschein genommen haben, zu dünne Materialstärken, miese Verarbeitung und ergonomische Fragwürdigkeit attestiert. Das brachte einige zu der Theorie, es könnte (Achtung, Konjunktiv!) sich eventuell nur um ein reines Begräbnisaccessoire gehandelt habe, nach dem Motto: "da wollte jemand beerdigt werden wie die Altvorderen" Dem steht allerdings gegenüber, dass der Helm offenbar tatsächliche Kampfschäden aufweist, als da wären ein Hieb mit einer scharfen Waffe und ein Loch, das aussieht, als wäre es von einem Pfeil verursacht worden. Das lässt vermuten, dass er womöglich sehr wohl im Kampf getragen wurde.
 
Tja, vielleicht ist aber auch genau das der Grund warum der Träger damit beerdigt worden ist, er ist mit seinem Prunkhelm in den Kampf gezogen. ^^
 
Richtig. Möglich ist sehr viel, auch durchaus abstruse oder sonstwie ungewöhnliche Erklärungen. Rein theoretisch könnte man auch dem reinen Begräbnishelm noch schnell ein paar Schmisse verpasst haben, um mehr "Credibility" zu erreichen. So nach dem Motto: Eigentlich ist er ja im Bett gestorben, weil die Kondition der jungen Gespielin einfach nicht mehr gewachsen war, aber das macht sich bei der Aufnahmeprüfung in Walhall so schlecht. Wir stecken da nicht drin und ich bin sicher, dass unsere ganzen "seriösen" Standarderklärungen und Interpretationen oft genug nicht zutreffen. Die Leute damals hatten wie wir heute auch ihre kleinen Besonderheiten. Finden die Archäologen in 1000 Jahren mal einen Manta mit Fuchschwanz an der Antenne, werden sie auch grübeln, welchen technischen Zweck das Ding hatte. Für uns wichtig ist in erster Linie der Umstand, dass es sich - zumindest nach momentanem Stand - rein stilistisch um einen völlig aus der Zeit fallenden Helm handelt. Und das hat Thorkell ja schon erwähnt.
 
Wobei Tjele und Kyiv ebensogut Nasalhelme sein könnten.
 
Könnten, ja. Aber sehr wahrscheinlich ist das nicht, zumindest wär mir kein Nasal mit einem Fortsatz an der Spitze bekannt. Beim Tjele-Fragment sieht man ja sogar ein Nietloch unten an der "Nase".
 
= 4 Belege für Brillenhelme Gnezdovo ist raus, das ist kein Helm sondern eine Verzierung an einem Messer. Das ist kein Beleg für solche Helme zur Zeit des Messers. bleiben 3 Kyiv ist Ukraine, kann man jetzt nicht als Skandinavien zählen, ist aber in der Tat (süd)östlicher Rus. Also für Thorkell interessant, aber nicht auf meinem "Wkinger-Radar". Sorry. Tjele ist interessant, weil Dänemark. Beide aber sind nur Fragemente, die sich theoretisch zu einem Brillenhelm ergänzen lassen, aber nicht müssen. Es gibt auch andere Gründe, weshalb solche Fragmente im Fundgut auftauchen können. Da wäre jetzt der Fundzusammenhang interessant, den kenne ich leider nicht. Soll heißen: Indiz ja, aber noch kein Beweis. bleibt Gjermundbu als einziger, eindeutiger Helmfund.
 
Klar, die Suppe ist dünn. Aber immerhin besser belegbar als andere Helmtypen.
 
Belegbar auf jeden Fall, aber besser nur dann, wenn man die auslegbaren Umstände auch zu seinen Gunsten auslegt. Das wäre aber eine Art Zirkelschluss. Sind das in dem Link wirklich alle wikingerzeitlichen Helmfunde? Und :eek:ff1 : Du hast so eine interessante Auflistung nicht zufällig auch für Schuppenpanzer? ;)
 
Zumindest alle Bekannten, die mit dem skand. Kulturkreis in Verbindung gebracht werden können. Aus Europa insgesamt gibt's natürlich noch ein paar Helme mehr aus dem 9.-11.jh.
 

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