Fridebarth
Well-known member
Am Tage des heiligen Silvester im Jahre des Herren 1212 zogen meine Herrin, ihr Sohn und der Knecht (ich) auf schlammigen Wegen entlang der Grenze hoch oben im Nordosten. Als unser Wagen auf uraltem Pfad eine Anhöhe querte, lag vor uns im Tal die Sammlung von Häusern und Hütten eines Herrensitzes. Der Rauch der Herdfeuer lag in der Luft und Stimmen drangen von Ferne herüber. Über allem thronte ein mächtiger, eichener Turm der Schutz und Wehr für die Nacht verhieß. Eine Motte, eine jener für diese Region typischen Grenzfestigungsburgen von den aus ein Ministerial, oder anderer hoher Herr über die Ländereien rings umher wacht und richtet. Am mächtigen Tore angekommen, bat ich in Dienste meiner Herrin um Einlass und ein Lager für die Nacht. Ob unserer kleinen Zahl und unserer durchnässten, von langer Reise ermüdeten Gestallt hegte man wohl keinerlei Argwohn gegen uns und so wurde unsere Bitten sogleich gewährt. Der Herr dieser Feste war nicht am Ort, doch sein Truchsess und dessen Weib kümmerten sich in vorzüglicher Weise um uns. So hatten wir für diese Nacht nicht nur einen Platz am wärmenden Feuer und konnten unsere Kleider wieder von klammer Feuchte befreien, sondern auch ihre Speisen teilten sie mit uns, sowie mit zahlreichen anderen Gästen die wohl zu dieser Nacht am Ende des alten Jahres erwartet worden waren. Dazu ein weiches Lager für die Ruhe und sogar noch eine warme Decken aus bester Wolle für Jeden von uns, gedachten diese braven Christenmenschen uns an. Auch wenn wir dafür gaben, was unsere begrenzten Mittel vermochten, so bete ich doch, dass der Herr diesen Seelen ihre Güte dereinst vergelten möge. Da es aber die Nacht der heiligen Silvester war, saßen wir Alle noch bis tief in die Finsternis bei guten Speisen, reichlich Wein und Kräutersud zusammen am Feuer und warteten darauf, dass die Glocke des Gotteshauses das neue Jahr verkündete. An Feuerholz und Lampentalg wurde an diesem Abend nicht gespart. Geschichten wurden erzählt, Lieder angestimmt und viele Erinnerungen aus den Leben der hier an der wärmenden Glut versammelten Männer und Frauen in die Runde getragen. Als die Stunde da nun gekommen war, setzten wir an zum guten Brauch des Sprunges in das neue Jahr, umarmten uns und sprachen gegenseitig die besten Wünsche für ein gottesfürchtiges Leben und Gesundheit in der nun vor uns liegenden Zeit aus. Die weitere Nacht war dann mit Sturm und Regen reich gesegnet, als ob uns der Herr der Folgen eines Bruches unserer guten Vorsätze gemahnen wollte. Doch schliefen wir tief und fest und wohlig warm unter dem sicheren Dache dieser Burg. Als nun am nächsten Morgen nach neuerlichem, reichlichem Mahle die Zeit des Aufbruchs kam, machte uns dies die Herzen schwer und sowohl wir, als auch so Mancher der anderen Gäste hätte wohl noch gerne in diesen gastlichen Mauern verweilt. So wart dann auch schon die Höhe des Tages lang überschritten, bis der Wagen gepackt und angespannt, reihum ein Jeder verabschiedet und die Pferde wieder auf weiten Weg gelenkt waren. Wir fanden hier nicht nur ein neues Jahr, sondern auch Freunde und einen sicheren Platz der Rast in dieser oft so unsicheren Welt. Dafür habt Dank. Gegeben an Basilius im Jahre des Herren anno domini 1213 Fridebarth