Spiegelpolitur bei Plattenharnischen (15.Jhd.)? Tatsächlich Wahr oder nur ein Mythos?

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Thomas W.

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Guten Morgen zusammen. Da mir bisher noch keinen einziger wirklicher Beleg (sei es ein Artefakt oder ein Bild- oder Schriftbeleg) für spiegelpolierte Rüstungen des 15. Jhd. unterkam (ich kannte es bisher nur vom Hörensagen), war ich sehr froh als Dr. Daniel Burger dieses Bild im FB postete. Nochmal von dieser Stelle aus ein herzliches Dankeschön an ihn. Wir hatten das Thema mal vor kurzem in einem anderen Thread angeschnitten, als es eher beiläufig um geschwärzte und polierte Rüstungen ging. Hier das eigentliche Thema SpäMi - Paveser mit Spieß aus dem die unten eingefügten Zitate stammen.
Ich hatte mal in einem Bericht die Theorie gelesen, dass der Glanz, den man heut mit diesen Rüstungen verbindet, eigentlich übereifrigen Restauratoren zu verdanken wäre, da vor ein paar Jahren in vielen versteckten Stellen der Geschübe Farbpigmente gefunden werden konnten und es plausibel wäre, dass einige Exemplare bunt angemalt gewesen sein könnten. Ich muss mal suchen, wo mir das untergekommen ist - oder jemand von euch hat das schneller im Kopf....
Die Story mit dem Polieren habe ich eher andersrum im Kopf, dass die Rüstungen mit falschem Polierzeug eher matt poliert wurden. Gibt ja ein paar Stücke wo man Verstärkungsplatten entfernt hat und drunter ein Spiegelfinish zum Vorschein kam.
Nun zu dem Foto des Gemäldes von Daniel. Es zeigt Details eines volkreichen Kalvarienberges, um 1470. (aus dem Museum Thyssen-Bornemisza in Madrid) und wurde wohl von Derick Baegert, Wesel, 1477/78 gemalt. Man erkennt in dem Ausschnitt eine Art Hirnhaube, in der sich die Nase und Zunge des Pferdes und der Kopf der nebenstehenden Person spiegeln. Für mich (der zu Themen des 15. Jhd. noch nicht soooo bewandert ist) ist es ein erstes brauchbares Indiz für sehr feine Polituren an spätgotischen Harnischen. Hier ein Bild des Gemäldeausschnittes: Polierte Rüstung 1.jpg (Bildquelle: Daniel Burger, Facebook) Hier noch das Gemälde in der Totalen: Polierte Rüstung 2.jpg (Bildquelle: Daniel Burger, Facebook)
 

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Es gibt doch irgendwo eine Schaller mit Stirnverstärkung, an der man die Stirnverstärkung abgenommen hat und drunter kam eine spiegelpolierte Oberfläche zum Vorschein. Kann mich nicht mehr erinnern, wo die rumsteht...
 
Ich füge hier gerne einen Beitrag der "Kurfürstlich Sächsischen Kriegsknechte 1475" ein, den ich für dieses Thema sehr passend fand. Vom Zustand guter Rüstung: Um 1415 erschien „Der Ritterspiegel“, in dem der Eisenacher Rats- und Geschichtsschreiber Johannes Rothe in einigen Versen u.a. auch beschreibt, wie gute Rüstung auszusehen hat. Diese Verse richten sich zwar primär an den ritterlichen Adel, dennoch dürften die Ausführungen für allgemeingültig angesehen werden. So finden sich in diversen Musterungsverzeichnissen des 15. Jahrhunderts immer wieder Hinweise, die die Angaben Rothes bestätigen. Wir geben hier eine, durch uns etwas angepasste, Übertragung von Christoph Huber und Pamela Kalnig wieder: „Der Harnisch eines guten Ritters soll gut gefegt (poliert) sein, sodass daran weder Rost noch Asche sei. Sein Feind erschrickt davon, wenn er so schön und rein ist und er in einen Spiegel blickt, dann achtet er den Ritter sehr. Niemand glaubt, dass ein Ritter stark, kühn und auch streitbar sei und in seinem Herzen mutig und frei, wenn sein Harnisch ganz verdreckt ist, schwarz und rußfarben aussieht, als ob er im Kot gefunden worden sei, dazu zerrissen und alt, als habe er sich diesen aus Armut angelegt.“ Weiterführende Literatur: Johannes Rothe: Der Ritterspiegel. Herausgegeben, übersetzt und kommentiert von Christoph Huber und Pamela Kalnig. Walter de Gruyter, Berlin 2009 Hier der Originaltext aus „Der Ritterspiegel“: „Vegecius der wel ouch segin Von des gudin ritters harnasche, Her sulle ez laßin schöne fegin, Daz darane si weder rost noch asche. Sin fient darvon irschrickit, Wan ez schone ist und reyne Und ez also eynen spigil anblickit, So achtit her den ritter nicht kleyne. Wer gloubit, daz eyn ritter sy Starg, kune und ouch stritbar Und sines gemutis freidig und fry, Wan sin harnasch ist unfrutig gar, Swarcz und ruezfar gestalt, Also es in dem quate si fundin Und zcurißin und ouch alt Und habe sich dez ermelich undirwundin?“ Harnischpolitur.jpg(Text & Bild: Kurfürstlich Sächsische Kriegsknechte 1475)
 

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Gestern Abend schaute ich ein Video von einem Vortrag zu Harnischen von Tobias Capwell auf YouTube an. Er erwähnte darin einige interessante Punkte zu den Kosten einer Spiegelglanzpolitur im späten 15. / frühen 16. Jhd. Heute kostet nach seinen eigenen Erfahrungen eine solche Politur bei einem namenhaften Plattner im Schnitt ca. ein Viertel des Gesamtbetrages für die Rüstung (sein Beispiel: 20.000,- Gesamtpreis = 5.000,- Politurkosten). Im ausgehenden 15. & frühen 16. Jhd. betrugen die Kosten für eine Spiegelglanzpolitur bei einem ganzen Harnisch ca. Dreiviertel des Gesamtbetrages. Absoluter Wahnsinn...
 
8| wow ... das ist ja dann fast zu schade zum benutzen. Sehr interessant, vielen Dank!
 
Im ausgehenden 15. & frühen 16. Jhd. betrugen die Kosten für eine Spiegelglanzpolitur bei einem ganzen Harnisch ca. Dreiviertel des Gesamtbetrages.
8o =O :schock1 Wahnsinn....! Danke für die Info, damit hätte ich tatsächlich nie gerechnet.
 
Es gibt doch irgendwo eine Schaller mit Stirnverstärkung, an der man die Stirnverstärkung abgenommen hat und drunter kam eine spiegelpolierte Oberfläche zum Vorschein. Kann mich nicht mehr erinnern, wo die rumsteht...
Ja, das war hier: ("A Visit to the Armor Galleries 1924" auf Youtube, Metropolitan Museum).
 

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