Stiefel: Buchmalereien versus Funde 9.-11. Jh.

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Cistarius

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Hallo allerseits, auch wenn das Thema schon „ausgelatscht“ sein sollte, mich interessiert Eure Meinung. Bei der Recherche stoße ich immer wieder auf Buchmalereien. Besonders interessiert mich die Zeit der Ottonen, schau aber auch gerne bei den Karolingern. Glücklicherweise waren die Buchmaler ziemlich aktiv, so dass viele Werke noch heute für unser Hobby als gute Quellen herangezogen werden können. Doch so manches kann ich nicht richtig deuten, ich schreib einfach mal drauflos: Im Perikopenbuch Heinrich des II, um 1012, ist hier ein Hirte mit Stiefeln zu sehen. Doch sind das wirklich Stiefel? In einem anderen Bild klick, das vom schlafenden Josef, stehen Schuhe und Beinwickel auf einer Bank. Zumindest wird das immer so interpretiert. In der Malerei der Reichenauer Schule ist das Schuhwerk oft so als Stiefel gemalt, auch in der Bamberger Apokalypse, um 1000, klick. Das Ganze zieht sich durch weitere Bücher, wie im Sakramentar Heinrich des II, um 1002, klick. Dort sogar mit einer eindeutigen Naht auf der Vorderseite. Auch in karolingischer Zeit gibt es ähnliche Bilder: Im Sakramentar Karls des Kahlen, um 870, klick ist Karl in blauen Stiefeln zu sehen. Man könnte das ganze aber auch als stilisierte Beinwickel ohne Schuhe deuten, wie die Männer neben Karl in der Vivian Bibel, um 846, klick. Wenn man dann noch im Stuttgarter Psalter, um 801, klick blättert, ist man gänzlich verwirrt. Es gibt ja glücklicherweise auch Bilder, die den Schuhen aus Funden einigermaßen entsprechen, wie im Codex Auereus, um 1035, klick im Bild unten. Weil ich einfach nicht genau weiß, wie man die Abbildungen deuten kann, hab ich meine Schuhe dann nach dem Vorbild der linken Person auf dem Buchdeckel des Codex Aureus gemacht. Dort würde ich Beinwickel reininterpretieren, die durch die Riemen der Schuhe gehalten werden. Zu Funden: Ich kenn die aus Haithabu, Haus Meer und von der britischen Insel. Da ich aber ein Franke im Oberlahngau bin, bringen mich die meist nordischen Funde nicht wirklich weiter. Zurück zu meinem Verständnisproblem: Sind die Waden- bis Kniehohen Fußbekleidungen jetzt Schuhe, Stiefel, Strümpfe oder Beinwickel? Und aus was sind sie gemacht? Wolle, Leinen oder Leder? Fragen über Fragen. Ich freu mich auf Eure Meinungen. Cistarius
 
sehr schwieriges Thema würde ich sagen! Bild zwei würde ich jetz auch als knöchelhöhe Schuhe mit Beinwickel auslegen, bei den meisten anderen Bildern würde ich jetzt von halbschuhen??? ( eventuell Bundschuh ????? ) mit Strümpfen bzw. Stulpen ausgehen. Meistens sind sie ja in Farbe und mit Mustern dargestellt wie in der Stuttgarter Psalter , könnten also Stoffstulpen sein. Ist jetzt mal mein Vorschlag zu den Thema. Gruss vom Pazl
 
Servus, das Tema hat mich und einige andere mit denen ich im Austausch stehe auch schon sehr intensiv beschäftigt. Mal meine Meinung von vorne an In der Vivianbibel und im Sakramentar Kahl des Kahlen sowie im Stutgarter psalter kann an verschiedene Fußbekleidung erkennen. 1.Fußwickel, teilweise sind die Zehen frei und gut zu sehen, schwieriger wird es mit den komplett gewickelten Füßen. Dort können teilweise auch Stiefel interpretiert werden. Diese mit Bändern umwickelten Stiefel stehen jedoch in Römischer Tradition wobei es einzelfunde aus dem 7. Jahrhundert davon gibt. 2.Stiefel teilweise mit "blumigen" Wülsten, dazu sind mir keine Funde bekannt, jedoch hat der Panzerreiter sich so ein Paar machen lassen. 3. Dann Halbschuhe, Teilweise sehen sie aus wie Slipper, diese Schuhe sind durchaus im Klerikalen Bereich überliefert, 4. und normale Halbschuhe wie wir sie aus der Wendschuhtradition kennen, dazu gibt es verschiedene Funde vom 7.Jahrhundert bis ins 11.Jahrhundert wobei hier die Schwerpunkte im Nördlichen Deutschland liegen. In den neueren Buchmalereien sind die Fußbekleidungen durchaus plakativer dargestellt was die Identifikation erschwierigt. Jedoch in den südlichen Malereine wie Seon, Salzburg sind die Schuhe deutlich zu erkennen. Was uns immer Schwierigkeiten bereitete war das Männer neben dem König häufig ohne Schuhe, (auch im Freien) jedoch in Beinbekleidung dargestellt werden. Durch einen Vergleich mit den verschiedenen Malschulen zeigt sich das jedoch als "Normalzustand" (Meine Persönliche Meinung seht euch mal die Historischen Überlieferungen von Zeremoniellen vor Herrschern an, dort werden bis heute noch in vielen Kulturen die Schuhe abgelegt bevor man ins Haus (Tronsaal) tritt) Also nach meiner Meinung findest du vor dem 11.Jahrhundert vor allem Beinwickel in Kombination mit Halbschuhen bzw. Stiefel, und danach überwiegen Beinlinge mit Halbschuhen, wobei hier aber auch noch Beinwickel auftauchen. Soweit mal kurz meine persönlicher Senf ;)
 
Danke Pazl und Gerald. Das mit den abgelegten Schuhen im Haus bzw. im Beisein des Herrschers / Höhergestellten hab ich mir auch schon gedacht. Ist schließlich in anderen Ländern immer noch üblich, dass man ein Haus nicht mit Schuhen betritt. Die Beinwickel, wo man die Zehen sieht, hab ich auch gesehen, das ist eigendlich klar. Nur dass man immer so rumläuft würde mich wundern. Wenn, dann wohl nur in ganz armen Schichten, die sich keine Schuhe leisten konnten. Dazu dürfte man die Personen auf den Bildern aber nicht zählen... Die Slipper kommen, soweit ich das gesehen habe, wirklich nur bei Klerikern vor. Damit fallen sie für mich aus. Interessant ist, dass man in der Zeit fast alles tragen und (wenigstens mit Bildern) belegen kann. Da ich ja nur ein Handwerker bin, kann ich also nur mit Hose und barfuß, Hose und Beinwickel und barfuß, Hose und Schuhe / Stiefel, Hose mit Beinwickel und Schuhe / Stiefel tragen. Wenn das mal nicht eine große modische Vielfalt ist. :D Bitte korrigiert mich, wenn ich hier falsch liege. Grüße Cistarius
 
Hallo Cistarius, als einfacher Handwerker würde ich von Stiefel eher Abstand nehmen, die sind schon allein von der Ledermenge eher was für die Höhergestellten. Also im Sommer laufe ich auch gerne Barfuß rum, da brauch ich keine Wickel. Ansonsten Schuhe und Wickel, oder auch mal blos Wickel du hast aber eine Variante die man auch sieht vergessen, Tunika und nichts (also ohne Schuhe und Hose) , kommt zumindest bei den Damen sehr an 8) Und was drunter ist bleibt der Fantasie der Frauenwelt überlassen.
 
Tunika und nichts (also ohne Schuhe und Hose) , kommt zumindest bei den Damen sehr an 8) Und was drunter ist bleibt der Fantasie der Frauenwelt überlassen.
Stimmt, hab ich vergessen. :D Wenn man im Stuttgarter Psalter, Folio 1r, die rechte Person anschaut, na ja. Viel ist da nicht zu sehen... Ein Rätsel wie beim schottischen Kilt.
 

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