Die leichte Kavallerie war die "schwere Infantrie" zu zeiten Karls.
Dafür habe ich eben keinen Beleg, auch wenn in der einschlägigen Tertiärliteratur (Osprey...) immer wieder gerne unterschieden wird als Scola = Reiter / Scara = berittene Infanterie oder andere berittene Infanterie beschrieben wird. Auf diese leichtfertige Klassifizierung gehe ich jetzt nicht näher ein, aber ich halte von ihr nichts. Die Ausrüstung der Panzerreiter, die ja beim Fulrad-Brief recht ausführlich beschrieben wird, lässt darauf schließen, dass die schwere Reiterei wohl universell ausgerüstet war und damit sowohl auf- wie auch abgesessen in jeder Rolle eingesetzt werden konnte. So wahrscheinlich auch die leichte Reiterei. Selbst wenn man nun die leichte Reiterei nur als berittene Infanterie ansehen möchte, dann weiß ich nicht, was sie als schwere Infanterie qualifizieren könnte. Ihre Austattung unterscheidet sich, abgesehen vom Pferd, in nichts von der Infanterie, außer der Lanze. Und was hilft es mir, wenn ich die "schwere Infanterie" auf Pferden mobil mache, wenn die leichte Infanterie dies nicht ist. Solange ich in Ermangelung konkreter Belege auf meinen gesunden Menschenverstand angewiesen bin, stehe ich der
dedizierten Rolle der ungepanzerten Reiter als schwere Infanterie skeptisch gegenüber. Genauso, wie ich bei der vorgeschriebenen Ausrüstung der Fußkrieger etwas skeptisch bin. Es ist (bei den Langobarden, für die Karolinger habe ich derzeit noch nichts, Pip hat versprochen, mir die Seiten aus dem 799er Buch zu scannen) die Rede von "Schild, Pfeil und Bogen". Von einer Nahkampfwaffe steht da nichts, weshalb ich weiter oben mal die [Lanze] interpoliert habe. Hat die gesamte Standardinfanterie keine Nahkampfmöglichkeit? Das irritiert. Zumal mir nicht ganz klar ist, was ich, bei Verwendung von Pfeil und Bogen, mit einem Schild anfangen soll. Zumindest im FMA, ohne spätere Pavesen. Sinn würde das in der Tat nur dann machen, wenn es in der Liste eine andere Gattung gibt, welche die Rolle der infanteristischen Nahkämpfer und den Schutz der Bogenschützen übernimmt. Wenn das wirklich, wie Du sagst, die leichte Reiterei ist, diese also eng mit den Bogenschützen zusammenarbeiten muss, warum ist dann die schützende Infanterie auf Pferden mobil, nicht aber die Bogenschützen? Wenn die leichten Reiter somit an die Bogenschützen gebunden sind, weil diese keinerlei andere Schutzmöglichkeit haben, dann sind die Pferde doch für den Arsch. Dann kann ich gleich beide zu Fuß gehen lassen. Die Lanze allein ist nicht so schwer, dass die Leute ein Pferd bräuchten, die Mannausstattung wiegt bei beiden etwa dasselbe. Zum Strategikon: Ja, natürlich ist das Werk weder fränkisch noch aktuell. Es ist byzantinisch und recht alt, mindestens 200 Jahre zu Zeiten Karls. Vieles darin ist auf byzantinische Verhältnisse zugeschnitten, so etwa die taktische Rollenverteilung von Infanterie und Kavallerie, aber auch die administrative wie logistische Organistaion der Streitkräfte. Diese Aspekte sind nicht einfach so auf die karolingische Armee übertragbar. Gleichzeitig ist aber doch einiges zu bedenken: Erstens mag zwar das Werk in der Tat 200 Jahre alt sein, was gerne etwas hämisch damit verglichen wird, man könnte ja somit für die Bundeswehr auch die Dienstvorschriften Napoleons anwenden. In den 200 Jahren damals hat sich aber die Waffentechnik überhaupt nicht weiterentwickelt. Die Truppengattungen, mit denen die Karolinger operieren mussten, sind noch viel älter als 200 Jahre. Vom Grundprinzip ist das Buch damit durchaus relevant und theoretisch sogar real anwendbar. Zweitens sind darin, geht man von den typisch byzantinischen Aspekten einmal weg, einige absolut grundlegende Formationen und Taktiken beschrieben, die man sogar 250 Jahre nach KdG in Hastings wieder beobachten kann. (Der Schildwall der Angelsachsen, der dem Fulcon des Strategikon sehr nahe kommt). So unaktuell scheinen die beschriebenen Taktiken und Formationen also nicht per se zu sein, im Gegenteil. (Ironie der Geschichte: Hätten die Angelsachsen sich an die Empfehlungen des dann fast 500 Jahre alten Strategikon gehalten, wären sie nicht aufgerieben worden) Drittens ist das Frankenreich im Vergleich zu Byzanz kulturell, administrativ und militärtechnisch ohnehin eher rückständig. Selbst wenn das Strategikon für Byzanz also veraltet gewesen sein sollte (was ich im Detail akzeptiere, aber im Kern bezweifle), ist es das nicht automatisch für die Franken auch. Viertens: Bei der bekannten Byzantophilie der Franken (sie kopierten Byzanz eine Zeit lang, wo es nur geht, was wir auch an vielen Psaltern erkennen können, die regelrecht von byzantinischen Originalen abgemalt sind) ist es nicht unwahrscheinlich, dass gebildete Franken, zumindest solche, die militärisch aktiv waren, dieses Buch kannten. Fünftens: Wo sind denn die alternativen fränkischen Heeresvorschriften? Waren fränkische Heerführer nur ungebildete Haudraufs, die keine militärische Ausbildung brauchten? Gab es in Franken keine Militärtheoretiker? Die wilden Horden aus uneinheitlich bewaffneten, undisziplinierten Stammeskriegern, deren einzige taktische Finesse es war, vor dem Zusammenprall ihre Franziskas zu schmeißen, waren sie schon lange nicht mehr. Es erscheint mir nicht unwahrscheinlich, dass die fränkische Kriegsführung gewisse Parallelen zum Strategikon aufgewiesen haben dürfte. Jedenfalls in den Bereichen, wo es zu ihrer Organisation und Truppen passte. Das alles heißt natürlich nicht, dass der fränkische General das Strategikon in der Tasche hatte, wenn er auf Kriegszug ging. Aber einige der darin beschriebenen Taktiken und Formationen dürften wohl bei den Franken nicht viel anders ausgesehen haben, schlicht und allein aus einem einzigen Grunde: Wie denn sonst? Ich verwende das Strategikon als eine Grundlage, um mich mit frühmittelalterlicher Kriegskunst generell zu beschäftigen, nicht als fränkische Quelle. Ich würde natürlich ein fränkisches Kriegshandbuch oder Dienstvorschriften bevorzugen. Wer da was kennt, ist herzlich gebeten, mich teilhaben zu lassen. Die Kritik am Strategikon kommt für gewöhnlich reflexartig und in seiner Gesamtheit. Das Hauptargument ist regelmäßig, es sei zu alt. Das hat aber als isoliertes Argument gar nichts zu sagen. Einsteins Relativitätstheorie ist auch 100 Jahre alt, und trotzdem wird das Buch deswegen noch lange nicht abgelehnt. Und selbst Clausewitz wird von modernen Militärtheoretikern regelmäßig zitiert. Und wenn ein Kapitel seine Aktualiät verloren haben mag, heißt das nicht, dass deswegen andere Kapitel nicht weiterhin relevant sein können. Welche Strophe unserer Nationalhymne singen wir doch gleich noch mal?