Betrachten wir das Thema einmal von einer positiven, humorvollen aber sachlichen Weise.
1.) Warum kämpfen LARPer mit Polsterwaffen :?: Ganz einfach - weil die meisten LARPer nicht regelmässig trainieren und die Kämpfe im LARP im Vollkontakt (ausgenommen Kopf und Unterleib) ausgetragen werden. Dieser Umstand würde das Verletzungsrisiko bei Stahlwaffen drastisch erhöhen. Persönliche Gespräche zwischen eingefleischten Living History Darstellern, die gleichzeitig als Historiker und archaeologen vom Fach sind ergaben, daß sich hier für alle Freifechter neue experimentelle Möglichkeiten im Sparring (Freikampf) eröffnen, die sonst nur mit einem grösseren sicherheitsrisiko verbunden sind. In wie weit diese genutzt werden, muss jede(r) Freifechter für sich selber entscheiden.
Warum gibt es Klischees zwischen historisch aktiven und phantastisch aktiven Darstellern :?: Weil beide Fraktionen immer wieder auf historischen Festen (sog. grob mittelalterlich orientierten Marktveranstaltungen) zu finden sind und das Ambiente geniessen. Früher; ganz früher kurz bevor ich mit dem LARP angefangen habe (ca. 1994) begegneten sich beide Fraktionen auf einem historischen Fest mit gegenseitigem Respekt und gegenseitiger Achtung. Damals galt es noch für den LARPer als höflich, auf historischen Festen die Polsterwaffe und die Elfenohren zu Hause zu lassen. Mittlwerweile gibt es wieder Spieler(innen), welche sich auf diese Regel besinnen und durch ihren Gewandungsehrgeiz (Stichwort aus der Szene:
Gewandungs - Nazi )angenehm auffallen.
Die Zeiten haben sich in beiden Szenen gewandelt :?: a) LARP Jede(r) Spielercharakter möchte im LARP gewinnen; kaum einer mag auf der "Verliererseite" (NSC - Dasein) stehen. In der LARP - Szene ist der persönliche Anspruch an die Gewandung deutlich grösser geworden. In den 90er Jahren haben sich die Gewandungen im Mittelalter/Fantasy Genre sehr stark an dem historischen Mittelalter orientiert. Dies ist heute noch der Fall; auch wenn mit den vorlagen deutlich freier und spielericher umgegangen wird. Erlabut ist was gefällt und zum Charakterkonzept passt. An diesem Punkt sind die LARPer den historischen einen grossen Schritt vorraus. Wenn du als LARPer Deine Gewandung für einen Charakter vollständig von Hand nähst, bist du (salopp formuliert) liebenswert bekloppt bis vollkommen wahnsinnig aber du hast viel Respekt. :thumbup: .
b) historische Darstellung: Der aktuelle Trend geht immer mehr zur realistischen Vermittlung von Geschichte auf mittelalterlichen Märkten und weg vom idealisierten und romantisieren Mittelalter. Das führt aufgrund der vespielteren Gewandungsinterpretationen eines Liverollenspielers zu vermeintlichen drastischen Konflikten. In der historischen Darstellung z.B. im Living History ist dies im Idealfall ein Mindeststandard, der erfüllt werden
muss. Wer hier darüber hinaus punkten möchte, ist auf Pflanzenfärbung und handgewebte Stoffe angewiesen, welche vorzugsweise mit einer Handspindel versponnen wurden. Das Nähen erfolgte mit einer Messingnadel und handgesponnenen Garn; also eine vollständige archaeotechnische Rekonstruktion, an die sich nur die wenigsten von vorne herrein herran wagen und viele scheitern. Bildlich betrachtet gleicht es einer Besteigung eines Mount Everrest. Ich kenne einen Darsteller aus meiner Region, der sich auf diesem Weg eine Germanendarstellung aus dem 03. Jahrhundert erarbeitet hat und weiss, wie viel Zeit und Geld in diesem Anspruch steckt. Jeder, der diesen Weg geht oder gegangen ist verdient meinen höchsten Respekt und meine grösste Bewunderung, weil diese Arbeit ähnlich viel Energie und Nerven kostet wie eineBesteigung des Mount Everrest.
(bildlicher Vergleich)
Hat das LARP deswegen eine bewusste oder unbewusste Entwertung als Schimpfwort in der Living History und Re-enactment Szene verdient :?: Definitiv Nein! Meiner bescheidenen Meinung nach lässt sich so etwas nur beurteilen, wenn ich als historischer Darsteller ohne bewusste oder unbewusste Vorurteile oder Entwertungen einen CON (LARP Veranstaltung) besucht habe um mir eine eigene Meinung zu bilden. Ich kann mir vorstellen, daß dieser Absatz in den Köpfen der geneigten Leserin/ des geneigten Lesers für viele Kontroversen sorgen wird. Beide Fraktionen leben ein Stück Mystik und Faszination an der Vergangenheit. Die einen auf einen archaeologischen Weg, die anderen auf einen phantastischeren und verspielteren Weg. Ich notiere in diesem förderalistischen Sinn daß LARPer in der Regel einen deutlich höheren und besseren Anspruch auf gute Gewandungskonzepte und Darstellungen haben. Ebenso sind sie im künstlerischen Sinn wesentlich sensibler. Falls jemand ein Beispiel braucht, reiche ich das gerne nach.
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Egal was ihr tut - habt Spaß dabei und geniesst die Vielfalt in der Szene und zwischen den Genres, der Viator LARPer aus Leidenschaft seit den 1990er Jahren, Gewandeter Mittelalterdarsteller seit 2003, reisender Geschichtenerzähler durch seine eigene Entscheidung.