Prinzessinnen im Mittelalter trugen in der Regel wallende rosa Kleidchen mit Glitzerdiadem auf dem Kopf und ritten den ganzen Tag auf Einhörnern umher. Ich bitte dich, das weiß doch schließlich jeder!
Nein, im Ernst. Du stellst da in der Tat eine unbequeme Frage. Denn über "das Leben" adliger Kinder ist so gut wie nichs überliefert. Weder in Bild- noch in Schriftquellen. Die Kurzen wurden chronistisch erst relevant, wenn es an's Dynastische ging. Also wer hat wann wen geheiratet bzw wurde wem versprochen. Das Alltagsleben - Fehlanzeige. Ja, Es gibt Literatur zu der von dir gewünschten Zeit. Aber die bringt dir halt nix. Ich hab grad mal z.B. das empfohlene Europas Mitte um 1000 kurz wieder aus seinem verstaubten Platz im Regal geholt und durchgeblättert. Du wirst da nichts finden, was dir weiterhilft. Da eine direkte ausführliche Beschreibung des Alltagslebens von Kindern allgemein und adligen Kindern im Speziellen fehlt, müssen wir interpretieren, transferieren und extrapolieren. Auch um eine Argumentation nach common sense (eine in der Wissenschaft übrigens anerkannte und nicht ehrenrührige Methode) kommen wir wohl nicht herum. Selbst über eine der bekanntesten Frauen dieser Zeit, die schon erwähnte Theophanu, ist, trotz ihrer Bedeutung, aus der Zeit vor ihrer Heirat mit Otto II nichts überliefert. Wir wissen nicht einmal, wann genau sie geboren ist. Zum Aussehen bzw Kleidung: Es sind schon grundsätzlich aus dieser Zeit sehr wenige Kinder abgebildet, wenn, dann meistens nur ikonographisch. Und die wenigen, die abgebildet sind, sind meist Jungen, die zum Beispiel bei Papis Krönung dabei stehen. Mädchen gaaanz selten. In späteren Zeiten, 14. 15. Jahrhundert, wirst du mehr finden. Was aber auffällt bei allen Kinderabbildungen ist, dass sie in der Regel gekleidet sind wie die Erwachsenen, nur halt in Kindergröße. Das könntest du also schon mal ziemlich sicher hernehmen und machst wohl nicht viel verkehrt. Schau, wie die Mama gekleidet ist - dazu gibt es genügend Abbildungen, wenn auch nicht so viele wie bei den Herren - und lass die Kleine einfach genauso angezogen sein. So weit liegen wir ziemlich sicher aufgrund der kargen, aber doch rudimentär vorhandenen Quellenlage guten Gewissens nicht daneben. Zum Alltag: Hier wird es schwieriger. Da man damals nie wusste, was die Zukunft bringt und speziell adlige Kinder u.U. eine dynastische Funktion hatten, mussten sie recht früh in der Lage sein, den Ausfall der Eltern notfalls weitgehend zu ersetzen. Zwar mit Vormündern bis zum Erreichen eines gewissen Alters, aber dieses Alter kam recht früh. Viele Jungen führten schon im Teenageralter (14 / 15) zumindest Teile der Armee in die Schlacht, Mädchen mussten in diesem Alter teils den Haushalt führen können. Wie gesagt: Unter Umständen. Daher wurden die Kinder schon recht früh mit den Fertigkeiten, die sie als Erwachsene beherrschen mussten, vertraut gemacht. Die Jungen eher mit den männlichen Erfordernissen, die meist eher handfest waren, die Mädchen eher mit den häuslichen, aber auch den musischen Pflichten. Ja, die Mädchen waren, nach heutigen Maßstäben gemessen, in der Regel die gebildeteren. Deine Prinzessin wird also mit einer ziemlichen Sicherheit nicht nur verschiedene Handarbeiten erlernen, sondern durchaus auch Lesen und Schreiben, aber auch die verwaltungstechnischen Bereiche der Haushaltsführung dürften ihr geläufig gewesen sein. Es ist auch nicht unwahrscheinlich, dass sie ein gewisses Repertoire an Liedern und Geschichten, vornehmlich kirchliche, kannte. Vielleicht beherrscht sie auch ein Instrument - oder lernt es zumindest. Theophanu, die ja als Referenz recht trefflich benannt wurde, galt als ausgesprochen gebildet und errang so schon auf der Reise an ihren neuen Wohnort recht schnell die Sympathie und den Respekt ihres Schwiegervaters. Obwohl wir nicht wissen, wann genau sie geboren ist, war sie zum Zeitpunkt ihrer Hochzeit erst ein Teenager. (die von Otto dem Großen eigentlich gewünschte Prinzessin Anna wäre zu diesem Zeitpunkt - 972 - übrigen erst neun gewesen, was aber offenbar kein Grund gegen eine Heirat gewesen wäre). Nun war Theophanu, obwohl keine "Purpurgeborene", sicherlich auch kein einfaches Mädel aus niederem Adel. Insofern ist ihr Bildungsstand also nicht unbedingt mit einer "einfachen" Adligen zu vergleichen (wie schon von anderen empfohlen: Bisschen mehr Info zu dem geplanten Buch wäre schön), aber die Tendenz ist zu erkennen: Bildung adelt ein Mädchen. Wir können also ziemlich sicher annehmen, dass deine Adlestochter - um jetzt mal den offenbar etwas spaltenden Begriff der Prinzessin zu vermeiden - schon recht früh eine umfassende Bildung sowohl in handarbeitlichen, musischen, literarischen und akademischen Fertigkeiten erhält. Die frühe Kindheit: Jetzt wird es gaaanz schwer und wir müssen uns auf dünnes Geäst vorwagen. Die nun mal nicht zu verleugnenden Ralitäten in Bezug auf die kindliche Entwicklung lassen es wahrscheinlich erscheinen, dass die Kleine bis zum Erreichen einer gewissen Schulreife wohl hauptsächlich mit Spielen beschäftigt gewesen sein dürfte. Ob sie nun mit Reifen, mit Bällen, mit Puppen oder was weiß ich gespielt hat? Keine Ahnung, wahrscheinlich aber all das.