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Morgan

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Nachdem ich mich nun durch einige Publikationen meine Region (Oberes Nahetal) gelesen habe, bin ich fast so schlau wie am Anfang. Es gibt speziell für meine Heimatgemeinde fast nur schriftliche Aufzeichnungen ab dem Hochmittelalter. Sicher ist, dass die Talweite schon zu keltischer Zeit besiedelt war und seitdem immer wieder kleinere Ansiedlungen entstanden, die meist nur eine Handvoll Familien Platz boten und nach einer schlechten Ernte plus nachfolgendem harten Winter auch wieder aufgegeben wurden. Nicht einmal das genaue Gründungsdatum Bleiderdingens (des ältesten Ortsteils) ist bekannt. Eine Annahme besagt, dass diese von einem Alemannen namens Blidhard gegründet, dieser aber nach ein paar Jahren (oder Jahrzehnten) wie die restlichen Alemannen im hiesiegen Siedlungsraum von Chlodwig vertrieben wurde, der name aber blieb. Eine andere Annahme ist, dass Bleiderdingen eine "Tochtersiedlung" von Orten aus dem südwestdeutschen Raum aus karolingischer Zeit ist (das Suffix -dingen weist auf alemannischen Ursprung, wie Gimmeldingen, Echterdingen etc. hin). Erst im Hochmittelalter taucht Bleiderdingen (mit den Nachbargemeinden Wolfertsweiler, Baumholder und anderen) in Urkunden auf. Zuvor verschenkte im 6./7. Jahrhundert ein Grimo geheißener Adliger großen Landbesitz (eben jene genannten Weiler) an den Bischof von Verdun. Zu dieser Zeit gab es in Bleiderdingen bereits eine Kapelle, die wohl Eigenkirche dieses Grimo war. Bleiderdingen wird aber nicht genannt, soll aufgrund einer anderen Schenkung - die auf das Grimo-Testament sich beruft - im 8. Jahrhundert an Verdun gekommen sein. Die Kapelle zu Bleiderdingen wurde übrigens im 30-jährigen Krieg völlig zerstört und das ganze Örtchen gleich mit; so gründlich, dass bis 20 Jahre später keiner dort zu siedeln wagte. Die übrigen ortsteile tauchen ebenfalls schriftlich erwähnt im Hochmittelalter, wenn auch noch später als Bleiderdingen, auf. Dafür aber mit einer Selbstverständlichkeit, so dass man davon ausgehen kann, dass auch hier schon eine frühe Besiedlung stattgefunden hat. Im Gegensatz zu Funden in Tholey, Kirn,Idar-Oberstein, wenig in Birkenfeld und Nohfelden ist eigentlich außer Schriftgut in meiner Heimatgemeinde nichts aus dem Mittelalter überliefert worden. Und vorgenannte Städte beherbergen überwiegend Funde keltischen Ursprungs sowie aus dem späten Mittelalter und der beginnenden Neuzeit, als die Adelshäuser Werden, vom Stein (Oberstein) und Oldenburg eine Rolle spielten Lediglich aus dem 14. und 15. Jahrhundert gibt es Listen mit Namen von Bürgern einschließlich ihrer Gewerbe. Die meisten waren Freibauern, es sind aber auch Berufe wie Schmied, Leinenweber, Kesselschmied (Kessler), Tuchscherer und "Lautenschläger" (Spielmann?) überliefert. Ich frag mich also nun, wie ich an Infos über Kleidung in egal welcher Zeit herankommen soll. Kann ich davon ausgehen, dass eine nicht allzu arme Frau - beispielsweise die Frau des Dorfschulzen - in etwa die Kleidung getragen haben wird, wie eine Standesgenossin bspw. in Worms, Trier oder Mainz, wohin ja aufgrund der Lage meiner Heimatgemeinde an den großen Fernstraßen gute Verbindungen herrschten? Oder sollte ich mich eher in die Richtung Metz / Verdun orientieren? Zu diesen Bistümern gehörten die gemeinden aus dem Grimo-Testament ja lange Zeit, bis sie im Hochmittelalter anTrier kamen?
 
nun ja, wenn ich mich recht erinnere, war das früher nicht die reichste Gegend .... Nach Google earth kommt man zu Fuß leichter nach Bad Kreuznach als nach Metz, so das man annehmen könnte, die Mode würde sich eher nach der Gegend richten. Also immer der Nahe nach ....
 
Willkommen in der Recherche. Der Zustand, den Du beschreibst, findet an in grob geschätzt 80% von Deutschland vor. Schriftliche Zeugnisse und archäologische Funde vor 1100 sind seltener und oft weniger aussagekräftig für die eigene Frage, als man glaubt. Ein Großteil der etablierten Heimatgeschichte der meisten deutschen Orte, die sich mit der Zeit vor 1200 beschäftigt sind phantastische Erzählungen orientiert an ganz wenigen festen Fakten. An Vergleichen, Schlüssen anhand von Nachbarn und Verwenden des (zeitlich, örtlich, kulturell) am nächsten liegenden angemessenen Fundes führt oft kein Weg vorbei. Aber solange man den Überblick behält, begründet und weitreichende Schlüsse als solche offen kennzeichnet, ist das kein Problem. Also nur Mut. Immer erstmal lokal und zeitnah anfangen und sich nicht entmutigen lassen, wenn man nichts findet de Kreise vergrößern. Ist wie eine Spirale. :bye01
 
Ja, das war eine sehr arme Gegend. Geld brachten erst die Amis nch dem 2. Weltkrieg. Deshalb gibts ja auch so wenig Funde: Man hat die Sachen benutzt, bis es nimmer anders ging und dann wars immer noch gut zum Anfeuern... Gut, Kreuznach... Zu Anfang gehörte der Ort ja dem Bistum Würzburg, später gelangte es unter die Herrschaft von Sponheim bzw. Veldenz, die für Bleiderdingen auch nachgewiesen sind. Verstehe ich das richtig: Wenn ich aus einer Region, die zwar nachweislich so und so lange besiedelt ist, keine Funde habe, kann ich Funde aus Nachbargegenden der entsprechenden Zeit übertragen?
 
können kannst du, aber ob das dann dem entspricht ,was war, bleibt so lange zweifelhaft, bis Belege auftauchen. Die Leute werden wahrscheinlich nicht nackt durch die Gegend gelaufen sein. aber es ist durchaus möglich, das die entsprechende Gegend nicht durchgehend, sondern immer wieder besiedelt wurde. Also Kelten raus, Römer rein, Römer raus , Alamannen rein, Allemannen raus, Franken rein, Franken raus, Burgunder rein, Burgunder raus, Franken rein. Da bleibt dann nur die Vermutung, das die die Nahe rauf gewandert sind und die Kleidung eben der aus einer bestimmten benachbarten Region entsprochen hat. Irgendwas sollte man schon anziehen, also bleibt Dir nix anderes über
 
können kannst du, aber ob das dann dem entspricht ,was war, bleibt so lange zweifelhaft, bis Belege auftauchen.
Wie immer.
Die Leute werden wahrscheinlich nicht nackt durch die Gegend gelaufen sein. aber es ist durchaus möglich, das die entsprechende Gegend nicht durchgehend, sondern immer wieder besiedelt wurde. Also Kelten raus, Römer rein, Römer raus , Alamannen rein, Allemannen raus, Franken rein, Franken raus, Burgunder rein, Burgunder raus, Franken rein.
Genauso wars. Bis auf den Aspekt, dass die kelten nicht "raus" sind, sondern sich assimiliert haben. "Galloromanen", wie sie in mancher Monographie zur Ortsgeschichte genannt werden. Die interessieren mich aber leider Gottes weniger, obwohl gerade hierzu die Fundlage sehr viel besser ist als von Merowingern bis ins Spätmittelalter.
Da bleibt dann nur die Vermutung, das die die Nahe rauf gewandert sind und die Kleidung eben der aus einer bestimmten benachbarten Region entsprochen hat. Irgendwas sollte man schon anziehen, also bleibt Dir nix anderes über
Da ich langfristig schon irgendwann mal halbwegs "A" werden will, kurzfristig aber aus den Marktgewändern aus Bluse Rock und Schnürmieder raus will und außerdem Fingerübung brauch, werd ich mir wohl als Erstes ein Leinenunterkleid von Hand nähen. Schön simpel, hochgeschlossen, knöchellang und mäßig weit mit engen langen Ärmeln. Ich denk, damit bin ich erst mal beschäftigt. Und wenn ich dann wissen will, ob Ärmelnaht unten oder hinten, frag ich nochmal ;)
 
Da ich langfristig schon irgendwann mal halbwegs "A" werden will, kurzfristig aber aus den Marktgewändern aus Bluse Rock und Schnürmieder raus will und außerdem Fingerübung brauch, werd ich mir wohl als Erstes ein Leinenunterkleid von Hand nähen. Schön simpel, hochgeschlossen, knöchellang und mäßig weit mit engen langen Ärmeln. Ich denk, damit bin ich erst mal beschäftigt. Und wenn ich dann wissen will, ob Ärmelnaht unten oder hinten, frag ich nochmal ;)
Ich weiß, schon jetzt dass ich nächsten Winter wahrscheinlich noch mehr zu tun habe werde, als diesen mit dem Zusammenbau der "Erstausstattung". :D Ich hab den Eindruck, da wächst man schneller raus, als einem lieb ist. Aber was solls, hat man wenigstens Ziele. Unterhemdchen hab ich auch als erstes gebastelt.
 
willkommen im Club. Ich habe mir erstmal zuerst die Finger wundgegoogelt, bis ich dann in die Bibliotheken vor Ort gegangen bin. Da gibt es auch alte Bücher (also vor dem Internetzeitalter ;-) und es ist erstaunlich, was teilweise schon vor 1900 alles ausgebuddelt wurde; ich glaube aber, dass ich mit dem Ausleihen von Büchern bisher nicht vor 1900 gegangen bin), die zumindest ein bißchen mehr Nahrung geliefert haben. Ich nähere mich häppchenweise... Hier eine Info (nein, Alemannen gab es hier schon 600 nicht mehr, ja, Ettlingen hat Funde aus der Merowinger Zeit), da ein bißchen (hier stand dann mal ab dem 8. Jhd. der Weißenburger Hof, in dem das Kloster saß, dass die Steuereinnahmen verwaltet hat). Ettlingen hat zumindest eine gescheite Stadtbibliothek, ich denke, auf dem Dorf wird es noch viel schwieriger... Ich wünsche Dir also ein helles Licht zum Ausleuchten des dunklen Zeitalters und gute Ausdauer... Seitdem ich den Gedanken losgelassen habe, dass ich schon viel weiter sein müsste, geht es mir übrigens wieder prima, und ich freue mich, dass ich die aktuellen Quellen schon viel besser verstehe, da mein Hintergrundwissen breiter ist. Also: manches wird auch einfacher mit der Zeit. Nur Mut.
 
Gaaanz ruhig Mädels, der Winter ist ja noch lang..... :kopfstreichel Ich hab auch mit einem Unterhemd angefangen. Dabei holt man sich den Mut um als nächstes ein Wollkleid zu schneidern.....und einen Mantel....und einen Surcot....und noch ein Kleid....und Kopfbedeckungen....und Strümpfe...und...und...und.... Ansonsten find ich Heidensohns Bild von der "Recherche-Spirale" sehr hübsch und treffend - genauso habe ichs auch gemacht. In der glücklichen Lage, Quellen für die exakte Zeit und den gewählten Ort zu finden ist man doch eher selten.
 
Gallo-Romanen hoert sich toll an. Immer gut wenn Leute mal keinen Wikinger machen. Ich hab zwar nicht viel Ahnung von den Provinzialroemern, aber ich kann dir sagen, dass du dich bei der Recherche grossraeumig orientieren werden musst. Und manche Details wirst du nicht klaeren koennen. Bei juengeren Trachten, wie sie z.B. in Deutschland noch in Trachtenvereienen getragen werden, gibt es sehr Kleinraeumige Unterschiede im Detail. Hinzu kommen dann Details, die zum Beispiel ueber Wohlstand oder Familienstand des Traegers/der Traegerin Auskunft geben koennen. Ueber so was wirst du fuer die Antike kaum Informationen finden. Du wirst dich nur annaehern koennen. Vielleicht wuerde es helfen eine spaete Gallo-Romanen Darstellung zu waehlen, die zu einem Zeitpunkt angesiedelt ist, zu dem sich die lokale Tracht schon mit der allgemein-Roemischen Tracht verschmolzen ist. Dann gibt es auch zeitlich passende Reliefdarstellungen aus der Region oder wenigstens der Provinz. Und das sind vermutlich deine einzigen Quellen fuer die Textilen Bestandteile der Tracht. Moeglich dass du den Rest auch ueberregional suchen musst.
 
Pafnuti, da hab ich mich wohl "verdrückt ausgekehrt". Darstellungsmäßig möchte ich eher in die 2. Hälfte des 13. Jahrhunderts gehen, als Bleiderdingen nicht mehr so allein mit seinem Kapellchen auf dem Hügel stand^^ sondern drumrum schon weitere Ortschaften waren. Das mit den Gallo-Romanen war auf die Bemerkung "Kelten raus - Römer rein". Allerdings halt ich mir so ne spätantike oder auch merowingische oder karolingische Darstellung als Reserve in der Hinterhand, sollte ich fürs HoMi nix finden. Da danke für die Anregung! (Ist auch mal was anderes ;) ) Und wenn alle Stricke reißen, mach ich halt einen auf keltische Bauersfrau, da ist die Fundlage hier in einem Umkreis von gut 100 km wenigstens ordentlich! Jedenfalls vielen Dank für die Anregungen und den Zuspruch - gut Ding will anscheinend wirklich Weile haben. Da ich MA-Märkte bislang nur als Touri besuche, aber unbedingt aus Meister Carbones Gewändern heraus will, wird es wohl nicht schaden, wenn ich aus nicht allzu wertvollen Stoffen einfache Kleidung nähe (die ich dann auch auf nem Markt spazierentragen kann), um die Nähtechnik besser in den Griff zu kriegen. Es gibt ja doch einige Nahtverbindungen, die zur Wahl stehen - aber ausgerechnet nicht den Steppstich! Und bis ich das drauf hab, kann ich in aller Ruhe Quellen suchen und studieren :)
 

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