W
Wenzel
Guest
Vor einigen Wochen kam auf WDR in der Sendung „Service Zeit“ ein „Veranstaltungshinweis“ zu Schloss Burg an der Wupper, in dem es um eine Serie von Burgbelebungen durch die „Wahre Bergische Ritterschaft“ ging. OK, ist nicht weit von hier, Termin checken und wenn gleichzeitig noch annehmbares Wetter, warum nicht einfach mal gucken fahren. Im Internet gab es noch einen Bericht zu der Sendung: http://www.wdr.de/tv/servicezeit/familie/sendungsbeitraege/2008/0416/00_mittelalter.jsp Dort findet man dann so tolles wie: „Auf Schloss Burg wird für wenig Geld viel geboten. Auch ein Vorteil für Familien: gebührenfreie Parkplätze am Fuße der Burg und die Transportmöglichkeit mittels Sessellift. Reizvoll sind die vielen Wanderwege rund um die Burg und entlang der Wupper. Das Ausflieger-Urteil: sehr empfehlenswert!“ und „Bis ins letzte Detail soll alles authentisch sein, vom Schuhwerk über die Essenszutaten bis hin zur Ausstattung der Zelte und Handwerksgeräte.“ Klingt ja ganz witzig, also mal auf der Website des Schlosses geguckt: http://www.schlossburg.de/index.php?id=88 Passenden Termin hat man auch schnell ausgemacht: 4. Burgbelebung - Thema: Kräuter, Gewürze, Heilkräuter 26.07.2008 Samstag & 27.07.2008 Sonntag OK, auf der Burg angekommen kostet der Eintritt 5 Euro (inklusive Museum), also der normale Eintrittspreis ohne irgendwelche Sonderzuschläge für gebotenes Schauspiel oder so...schonmal sehr positiv... ! Nach Links geht es auf einen Burghof, auf dem einige wenige „Zelte“ aufgebaut waren...aber nahezu keine Menschenseele zu sehen...naja, ist auch erst kurz nach Mittag, also erstmal die Schritte nach rechts gelenkt und durch die Museumsräume gestapft. Hier muß ja was los sein, ist ja ne Burgbelebung... Aber, denkste...es sind nur Museumsräume...hier drin findet scheinbar nichts statt, abgesehen von der teilweise recht interessanten Dauerausstellung mit Funden aus den letzten 1000 Jahren... Um von einem Museumsgebäude in ein anderes zu kommen, muß/darf man über die Wehrgänge an der Burgmauer gehen, was einem auch einen ziemlich guten Überblick über den Innenhof mit anfangs erwähnten Zelten ermöglicht: Hier findet also die „Burgbelebung“ statt: Vorn ein Sachsenzelt, vor dem neben einer Räucherschale eine reifere Dame sitzt, die so garnichts mittelalterliches an sich hat. Desweiteren 2 typische Marktzelte Marke Herold oder Tudor, oder wie die Dinger alle heißen (mutmaßlich aus Baumwolle; ich erwähne dies hier, da im WDR-Artikel folgendes zu lesen ist: „Während der Burgbelebung wird in weißen Leinenzelten gearbeitet, geschwatzt und gespielt“...naja, vorsicht vor der Presse sag ich immer...), ein Baldachin, unter dem scheinbar Handwerk ausgeübt werden soll, ein weiterer Baldachin, unter dem wohl getafelt werden kann, da sich darunter, Tische und Bänke befinden. Weiterhin sind noch zwei (Feuerwehr-?)Alexzelte zu finden, die aber verschlossen sind. Naja...da der äußere Schein ja oftmals trügt, wollen wir hier mal nicht von dem Erscheinungsbild auf alles andere schließen... [Auffällig: Wir sind bereits ca. 1 Stunde im Museum rumgetappst, doch hier ist immernoch niemand von den Aktiven zu sehen...] Also flugs noch die anderen Museumsräume besichtigt (unter anderem einige Apotheken aus den vergangenen 4 Jahrhunderten – recht interessant) Zurück vom Museumsrundgang geht´s erstmal zu den Toi´s (Toilettencheck gehört schließlich zu jeder guten Veranstaltungskritik ;oP ), die sind TOP in Ordnung. So, jetzt aber ab in den Burg(seiten)hof zur Belebung. Ich will schließlich die angekündigten Kräuter und Gewürze sehen... Zunächst lenken mich meine Schritte zu dem vorhin erwähnten Sachsenzelt. Von der älteren Dame ist nichts zu sehen. Wie ich später feststelle hat die sich mangels Puplikum mal in den Schatten an der Mauer gegenüber verzogen...ist ja auch Brüllwarm heut... Ich schaue mich also allein um: Zwei Baumarkt-Zink-Pflanzeneimer in denen einige Handelsüblichen Kräuter stehen (krausse Petersilie, Basilikum, etc.), hinten im Zelt auf einer Bank einige Papiersäcke (!) mit getrockneten Kräutern nebst passender Holzschaufel (hat was von Kolonialhandel), dazu vorn noch die Räucherschale (in dem Fall wohl mit Weihrauch) und ein kleines Tischchen mit einigen Seifen, trockenen Kräutern in Reagenzgläsern und einige Heftchen des Karlsgartens in Solingen...erhebt alles den Anschein, als gehöre die Kräuterfrau nicht zu dieser Ritterschaft..aber etwas mehr Mühe bei der Ausstattung für ein so toll angekündigtes Event hätte ich echt erwartet, gerade wenn man sich MA-fremde Spezialisten mit ins Boot holt... Naja...da es hier nicht wirklich etwas zu sehen gibt, mal eben in die anderen Zelte schauen... Die meisten Zelte sind geschlossen oder es gibt darin nichts zu sehen. Unter dem Handwerksbaldachin (mit Seil abgesperrt) liegt etwas...hmmm...naja...Kettengeraffel...([Ironie an:] Kettenringe auf Motorradhandschuhen haben immer wieder etwas erhabenes...[Ironie aus]). Eigentlich siehts hier eher nach einer Abstellfläche aus...im Moment zunmindest...menschliches Leben ist leider keins anwesend, sodass ich auch niemanden Fragen kann, was es hier gibt...ähnlich sieht es bei der Tafel aus...wobei ich anmerken möchte, dass sich Reparaturen an geplatztem Holz mit Eisenbändern und Schmiedenägeln sparen kann, wer statt Baumarkt-Leimholz zu vernünftigen Brettern aus dem Holzhandel zurück greift...egal, immerhin keine Kirmesbänke oder Gebärstühle... Wie ich dann feststelle gibt es nebenan noch einen weiteren Hof: Ein weiteres MA-Zelt, offen aber mit Seil abgespert. Darin findet sich gut sichtbar eine LuMa abgedeckt mit Omis Häckeldecke und einem zusätzlichen Bettschoner. An der anderen Zeltseite ein Tischchen, darauf verschlossene Specksteingefäße und der allseitsbeliebte FIRA von Ikea in der 9 Schubladen Version. Weiter hinten auf dem Hof finden sich auch endlich einige (in-)Aktive im Schatten sitzend...es ist aber auch echt Heiß heut... Da diese nicht sehr auskunftswillig aussehen, lass ich sie sitzen und gehe wieder in den vorderen Hof. Dort belausche ich die Solinger Gärtnerin, wie sie einer interessierten Besucherin etwas über die Anwendung heilender (Kräuter-)Räucherungen der Bauern im Mittelalter erzählt... Ich habe hier aber genug und verlasse mißgestimmt die Burg... Wie ich vor der Burg in einem der zahlreichen Cafes und Andenkenlädchen vor Ort (das Dörfchen Burg besteht fast nur aus Cafes und Gaststätten) mitbekomme, geht es mir nicht allein so. Zahlreiche Besucher sind entäuscht, ja teilweise sogar sehr erbost über das dargebotene. Im Internet und im Fernsehen sah das auch alles anders, viel toller aus...die Presse überschlug sich geradezu im Vorfeld...zu sehen war davon nichts. Wie ich noch von einer Anwohnerin erfuhr, ist für die gesamte Promotion für diese Veranstaltungen der Leiter des Museums verantwortlich. Von einem Museum erwarte ich aber deutlich mehr Niveau, sowohl bei der Erstellung von Pressetexten mit einem Mindestmaß an Wahrheitsgehalt, als auch bei der Auswahl der Gruppen, die für ein solches Event angeheuert werden. Zumal viele Anwohner mit dem Schloss ihren Lebensunterhalt zumindest aufbessern, also ein rein wirtschaftliches Interesse vorhanden sein sollte. Geblieben ist mir davon leider nur der schale geschmack, dass man den Nachmittag durchaus besser hätte nutzen können...z.B. mit besuchen eines Hillermarktes *feix*. Bei den heutigen Recherche für diesen Bericht, bin ich dann auf Bilder der Aktiven vor Ort selbst gestossen. http://www.bergische-ritterschaft.de/fotos/2008/kraeuter1/index.html http://www.bergische-ritterschaft.de/fotos/2008/kraeuter2/index.html Es muß also auch mal jemand dagewesen sein...nur eben nicht zwischen 13:30 und 15:30 gestern Nachmittag.. Hätte mal gern gesehen, ob außer den 3 auf dem hinteren Hof im Schatten sitzenden, jemand in der Lage gewesen wäre, den auf der Website der WBR stehenden Satz zu bestätigen: „Dabei legen wir Wert auf Originalität und Authentizität, d.h. unsere Schwerter sind aus Stahl und wir tragen richtige Kettenhemden – keine Strickpullover.“ Die Bilder zeugen zumindes nicht in vielen Belangen davon... Lustig zu erwähnen: Die Website der WBR wurde erstellt durch funny-art...*gggg* Wie passend.... Ich möchte nochmals deutlich machen: Ich greife hier nicht die Veranstaltende Gruppe vor Ort für Ihr Verständnis von Mittelalter an, auch wenn das dargebotene absolut unter aller Kanone war. Evtl lags am heißen Wetter (womit man bei einem Termin ende Juli auch durchaus rechnen muß) das nahezu niemand der aktiven anwesend war, aber als Besucher, der immerhin auf Grund der Presseberichte 70Km Autofahrt auf sich nimmt, bin ich weit mehr als enttäuscht zumal ich aber auch nichts wirklich als authentisch zu bezeichnendes gesehen habe... Gruß von der Ruhr Wenzel