Gefärbtes Leder im Frühmittelalter

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user8288

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Hallo zusammen! Ich hätte da mal eine Frage an euch: Wie "A" ist denn gefärbtes Leder bei einer europäischen frühmittelalterlichen Darstellung (Haithabu bzw. Birka 850-1000)? Auf den Zeitraum bzw. den Ort kommt es mir gar nicht so genau an, es ist eher generell gemeint. Ist rotes/grünes/schwarzes Leder "A" oder "B"? Danke im Voraus! Gruß, Thorkell
 
Nachträglich gefärbtes Leder ist mir so nur aus dem Spätmittelalter bekannt. Hier haben sich einige Färberezepte erhalten. Für den Nachweis müsste ich erstmal noch nachschlagen, das weis ich nicht auswendig. Man kann Leder jedoch sehr gut schon beim Gerbeprozess durch Zugabe entsprechender Materialien färben. Zu nennen wäre bspw. das sehr berühmte Corduan Leder das es in blau, rot, gelb und schwarz ab dem 11/12 Jhd. gab. Für Haithabu müsste ich mal im Fundkatalog zu den Lederfunden nachblättern. Kann ich nachreichen wenn gewünscht.
 
Danke schonmal! Es wäre wirklich klasse, wenn du das tun könntest. Gruß, Thorkell
 
So, bis auf einige wenige Ausnahmen mit hell-rotbrauner Farbe weisen sämtliche Lederfunde aus Haithabu eine schwarze Färbung auf. Ob diese schwarze Färbung durch die Einlagerung im Boden entstand oder schon davor, dazu schweigen sich die Autoren aus.
 
Das würde ich nicht sagen. Frühmittelalter ist nicht mein Spezialgebiet und nachgeschlagen habe ich nur in den Funden von Haithabu. es kann sehr gut sein das sich in anderen Fundberichten Exemplare mit anderer Färbung zeigen.
 
Ich würde auch noch mal in Richtung Birka forschen. Da kann ich dir leider nicht weiterhelfen. Ich weiß, dass es in der Antike / Völkerwanderungszeit durchaus gefärbte Leder gegeben hat. Das hilft dir im skandinavischen Bereich aber kaum weiter.
 
Aus York gibt es sehr viele Funde aus der Zeit als die Stadt von Dänen und Norwegern besiedelt war. Könnte sich auszahlen auch in der Richtung mal nachzusehen.
 
JORVIK! ... Zu York: Ich erinnere mich nicht daran das im Fundbuch über die Lederobjekte etwas mit gefärbtem Leder vorkommt. Im Yorkshire Museum gibt es eine Postkarte mit einer rekonstruierten Saxscheide. Diese hat eingefärbtes Leder (ich meine grün). Dort hatte auch Hengist mal nachgefragt und die Auskunft bekommen dass dies nach Fund gearbeitet wurde. Sonst sind im wik-zeitlichen Dublin noch sehr viele Lederfunde gemacht worden. Bei den Scheiden kenne ich nichts gefärbtes. Es ist vermutlich nicht verbreitet gewesen, und wenn etwas für die obersten Schichten. Der Nachweis für gefärbtes Leder ist oft schwierig. Die dunkle Färbung bei den Haithabu Ledern kommt eher durch Bodenlagerung und starke PEG-Tränkung.
 
Über die Fundlagen kann ich nichts sagen, aber ich habe mich im letzten Jahr mit einem Lederer (heißt das so) auf einem Markt unterhalten, der meinte, buntes Leder wäre recht einfach herzustellen. Jeder, der Leder gerben kann, könne einige Farben herstellen. Für schwarzes Leder wäre z. B. nur ein Eisennagel im der Gerbflüssigkeit notwendig, für grün ein Kupfernagel. Wenn das so einfach wäre, kann ich mir nicht vorstellen, dass handwerklich geschickte Leute wie die Wikinger, die bunte Kleidung gerne trugen, das nicht nutzte.
 
Wenn das so einfach wäre, kann ich mir nicht vorstellen, dass handwerklich geschickte Leute wie die Wikinger, die bunte Kleidung gerne trugen, das nicht nutzte
Der Punkt ist nicht ob sie es gekonnt hätten. Denn das hätten sie freilich. Der Punkt ist: gibt es Belege dazu? Und da muss man halt in den Grabungsberichten nachschauen. Zumindest dann, wenn man eine historisch korrekte Darstellung machen will und nach Primärquellen arbeitet.
 
Stimmt natürlich. Aber da - wie so nett beschrieben - gerade Leder bei Funden seltenst die Farbe hat, die es nach der ersten Verarbeitung hatte (säurehaltige Böden usw.), fallen die Quellen weg. Blieben also nur Bilder, Schriftquellen und "was war möglich". Interessierte Frage: Kann man bei einer in säurehaltigem Boden gefundenen Leder feststellen, welche Farbe das mal hatte? Überleben die Spuren von Eisen usw. so was? Ich meine mich lau daran erinnern zu können, dass das nicht klappt, da man nicht feststellen kann, ob die Rückstände beim Gerben zugesetzt wurden oder aus dem Boden stammen. Aber das ist echt nur noch verschwommen in meinem Kopf anwesend, d.h. muss aus einer uralten Sendung stammen, die vielleicht nicht mehr State of the Art ist.
 
Pflanzenfarben in Gewebe kann man nachweisen, wie das jetzt bei Leder aussieht entzieht sich meiner Kenntnis. Farbiges Leder wurde durchaus gefunden, wie ich schonmal schrieb in der Antike, in der Völkerwanderungszeit und auch im Hochmittelalter. Rot und blau waren da durchaus en vogue. Wenn in Haithabu kein farbiges Leder gefunden wurde, kann das natürlich an der Erhaltusglage und/oder am Boden liegen. Mir persönlich wäre diese "kann" aber einfach zu dünn, um trotzdem farbiges Leder in einer Haithabudarstellung zu verwenden. Das muss halt jeder für sich persönlich entscheiden.
 
Bin ich eigentlich die einzige, die diese Tatsache frustriert? Ich meine jetzt nicht wirklich das Leder, ich meine diese Quellenlagen? Ich habe immer im Kopf, was Aliens über Menschen denken würden, wenn sie in 1.000 Jahren hier eine Ausgrabung machen und alles, was die Zersetzung überlebt hat, Nylon-Herrn-Strings, Gummistiefel und Plastik-Chiffon-Blüschen a la H&M ist. DIE Living-History-Veranstaltung möchte ich nicht sehen. :back Farbig gegerbtes Leder ist ja was anderes als gefärbtes Leder. Die meisten Haitabu-Wikinger, die ich gesehen habe, bleiben bei braunem Leder. Jetzt mal ketzerisch: Wenn wir nicht feststellen können, in welcher Farbe das Leder gegerbt war - warum dann braun? Jetzt bitte nicht "Naturleder ist immer braun". Wir wissen, dass Farben aufgrund verschiedenen Gerbungen entstehen. WISSEN wir denn, ob man die Braungerbung verwendete? Hat da jemand einen Buchtipp für mich?
 
Stimmt natürlich. Aber da - wie so nett beschrieben - gerade Leder bei Funden seltenst die Farbe hat, die es nach der ersten Verarbeitung hatte (säurehaltige Böden usw.), fallen die Quellen weg.
Das ist so nicht ganz richtig. Es ist richtig das nach aktuellem Stand der Technik (soweit ich weis) keine Technik vorhanden ist um die eigentliche Gerbmethode (im besonderen das verwendete Gerbmittel) bei Bodenfunden zu bestimmen (um deine nächste Frage zu beantworten). Jedoch kann man über Rasterelektronenstrahlmikroskopie in Verbidnung mit der energie-dispersiven Röntgenanalyse sehr gut feststellen ob Farben die Schwermetalle und Metalloide enthalten verwendet wurden. bspw. für Ledermalereien. Auf diese Weise lassen sich auch noch bei Bodenfunden farben feststellen. Eine sehr gute Arbeit die sich mit dieser Thematik beschäftigt ist eine Dissertation der Technischen Universität Bergakademie Freiberg [1]. Außerdem gibt es auch noch andere Lederfunde die nicht aus Bodengrabungen geborgen werden. Bspw. Bucheinbände, Lederteile aus Gräbern, Reliquien, etc. die ebenfalls in einschlägigen Fundkatalogen auftauchen. Jedoch kenne ich mich im Frühmittelalter nicht besonders gut mit den Fundkomplexen abseits der großen aus. Hier noch eine kurze Zusammenfassung aus der Dissertation warum die Gerbmethode bei Bodenfunden schwierig zu bestimmen ist. Zitat: "Viele der Farb- oder Fällungsreaktionen für vegetabile Gerbstoffe führen zu braunen oder gelben Reaktionsprodukten, welche in Eluaten aus Bodenfunden geringe Aussicht haben, als solche erkannt zu werden. Die Methoden beruhen grundsätzlich auf dem Nachweis von Polyphenolen. Huminstoffe des Bodens oder phenolische Verbindungen als Folge einer fungiziden Ausr üstung nach der Bergung können falsche Befunde provozieren. Die übliche Aufbereitung archäologischer Leder mit starken Komplexbildnern, Oxidationsmitteln und/ oder Alkohol-Wassergemischen wirken z. T. entgerbend /80/. Die Folge dieser aggressiven Behandlung kann zudem einen partiellen Kollagenabbau auslösen. Dabei freigesetzte aromatische Aminosäuren (z. B. Phenylalanin, Tyrosin) bilden ebenfalls eine Quelle falscher Gerbstoffbestimmungen. Der Nachweis der vollen chemischen Konstitution vegetabiler Gerbmittel stellt zum gegenw‰rtigen Stand selbst an frischen Pflanzenausz ̧gen eine unlösbare Aufgabe dar. Der kolloidale Charakter, die Instabilität der Gerbextrakte und insbesondere ihre chemische Sensibilität gegenüber der Zusammensetzung des Elektrolyts, Lichteinwirkung, Temperatur und die Vergesellschaftung mit Halb- und Nichtgerbstoffen erschweren selbst einfache Klassifizierungen. Bereits die Feststellung über das Vorhandensein oder Abwesenheit vegetabiler Gerbmittel in archäologischen Funden stellt bislang ein elementares Problem dar /127/. Auch die markante Vertintung von Tanninen mit Eisensalzen (Eisensalztest) als Nachweismethode auf archäologischem Leder, führt selten zu klaren Resultaten" [1] Trommer, B.. Die Kollagenmatrix archäologischer Funde im Vergleich zu k ünstlich gealterten Ledermustern historischer Gerbverfahren. http://d-nb.info/973896922/34
 
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Danke Adalbert. Wow - so viele Fremdwörter, um klar zu machen, dass die Bestimmung von Gerbungsarten nicht möglich ist, da Bestandteile des Bodens sowie der Konservierungsmittel, die in der Archäologie verwendet werden, die Untersuchungen verfälschen. Oder grob: Nicht genaues weiß man nicht. Was für Living History wieder heißt, dass die allgemeine Annahme - das Leder war bis auf wenige Ausnahmen braun - genauso falsch sein kann für "Leder wurde in jeder mit bekannten Naturprodukten gerbbaren Farbe getragen" sein kann. Verdammt - ich brauche ein Buch über Lederbearbeitung ...
 
Wenn wir nicht feststellen können, in welcher Farbe das Leder gegerbt war - warum dann braun? Jetzt bitte nicht "Naturleder ist immer braun". Wir wissen, dass Farben aufgrund verschiedenen Gerbungen entstehen. WISSEN wir denn, ob man die Braungerbung verwendete?
Eine berechtigte Frage. Ich geh halt für meine Darstellung, wenn möglich, den Weg des geringsten Widerstands - bevorzuge also, wenn nicht ausreichend Funde und Hinweise vorhanden sind, möglichst generische Interpretationen mit der kleinstmöglichen Anzahl von Unbekannten. Naturleder kann hellbraun bis beige sein ( wenn wir davon ausgehen, dass beim Gerben nicht extra farbgebende Stoffe zugegeben wurden) und wird dann halt durch Wachsen, Ölen, Fetten oder einfach nur durch Alterung mittel-bis dunkelbraun.
 
Sehr gutes Argument, Nib, ich hätte selbst drauf kommen können. Für Gebrauchsleder schwer zu widerlegen. Nur: Schuhe, Gürtel und Messerscheiden gehören für mich eigentlich zu Mode/Statussymbol. Zumindest heute darf ich erwähnen, dass da logisch und praktisch eigentlich keine Rolle spielt. So nehme ich an, das ein Stoff im Diamantkörper leichter zu weben ist als einfarbiger (des Webens Mächtige mögen mich hier korrigieren). Trotzdem habe ich viele Wikinger in solchen Stoffen gesehen. Der leichteste Weg scheint selten der modische Weg zu sein. Aber natürlich habt Ihr alle so recht - mit braun ist man auf der sicheren Seite.
 
So nehme ich an, das ein Stoff im Diamantkörper leichter zu weben ist als einfarbiger (des Webens Mächtige mögen mich hier korrigieren). Trotzdem habe ich viele Wikinger in solchen Stoffen gesehen. Der leichteste Weg scheint selten der modische Weg zu sein.
Wie kommst du darauf? Diamantköper ist nicht generell mehrfarbig. Du wirfst Bindungsarten und Farben durcheinander. Es kommt auf das Garn an, welches man zum weben verwendet. Mehrfarbige Stoffe entstehen durch unterschiedlich farbige Garne. Von daher verhält es sich ein Diamantköper nicht anders als eine Bindungsart, ob nun Leinwand- oder eine andere Köperbindung.
 

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