Anleitung für den Anfänger im mitteleuropäischen Mittelalter, Do's und Dont's Teil 2: Moderne Schönheitshilfsmittelchen: Makeup auf Veranstaltungen ist ein No-Go, wenn es als solches erkannt werden kann (kosmetische Notwendigkeiten wie Abdecken von Feuermalen oder ähnlichem selbstverständlich ausgenommen), genauso wie starkes Parfüm, Sonnenbrillen, Uhren, moderner Schmuck usw. Natürlichkeit zählt!
Der Trinkhörnermythos: Trinkhörner sind für Mitteleuropäische Darstellungen nicht authentisch! Sie waren allenfalls als Kultgegenstände im nordischen Raum in Verwendung. Wer authentisch trinken will, der kann Holz- oder Tonbecher verwenden.
Was fürs Wärmen da ist: "Elfenumhänge" mit Kapuzen sind in dieser Form nicht belegt fürs Mittelalter, sondern die Kapuze war extra - Gugel bei Männern (sehr selten auch bei Frauen v.a. eher im Spätmittelalter); für Frauen gibt es Abbildungen wo für die kalte Jahreszeit über die normale Schleiervariante noch ein Wolltuch gelegt wurde. Mantelformen mit Ärmeln sind nicht belegt, allerdings eine Art der warmen Tunika für das Spätmittelalter, den Gardekorps. Auch offene Westen (Strick, Filz o.ä.)ohne Ärmel sind nicht authentisch. Mit Ärmel aus Stoff gibt es im Spätmittelalter noch ähnliche Formen in der Herrenbekleidung.
Schuhe: Die heißgeliebten Bundschuhe und Schnabelschuhe welche auf dem Markt angeboten werden sind nur für eine gewisse Zeit des Mittelalters belegt. Nicht für den gesamten Zeitraum Materialien: Einfaches Volk: Ziegen, Schaf, Kaninchen, Katze, Marder,... was sie so gefunden haben oder sich leisten konnten Reiche/Adelige: Ziege, Kalb, Rind, Pferd (Achtung! Pferd wurde von allen Bevölkerungsschichten bei Reitervölkern verwendet) Frauen: Ziege oder kalb weil das Leder weicher ist. Modelle: Es gibt Klassiker, die immer getragen wurden (vom Volk) mehr oder wenig unabgängig von Modeerscheinungen. Männer: ein halbhoher wendegenähter Schuh mit runder oder leicht angespitzter Kappenform
http://www.muenster.de/stadt/denkmalpfle..._1_schuhe_m.jpg Frauen trugen Spangenschuhe. auch wieder mit runder oder leicht angespitzter Kappenform
http://www.die-familia.de/ausruestung/bi...amenschuhe1.jpg Andere Modelle waren Modeerscheinungen und sind zeitlich begrenzt. (zb: Schnabelschuh, Kuhmaulschuh) Farben: Einfaches Volk: alle braun, rot, beige, creme töne die bei pflanzlicher Gerbung entstehen. (ist regionsabhängig, je nach Baum und Pflanzenbestand) Reiche/adelige: kräftige rot, violett, gelb, blau, schwarz töne (und die Farben des Volkes) weiters wurden die Schuhe mit Farben (z.b. gold) bemahlt, Motive eingeritzt, gelocht oder mit bunten Litzen verziert
http://www.schulthess-schuhe.ch/images/i...te/Stiefel9.GIF Nähtechniken: Die Nähmaschine gab es noch nicht im Mittelalter. Wers von Anfang an richtig machen will, sollte gleich per Hand und mit Kappnaht bzw. histor. belegten Versäuberungsarten arbeiten! Als Fäden gilt als Faustregel: Stoffart, Fadenart - Leinen mit Leinenfaden, Wolle mit Wollgarn, Seide mit Seidenfaden. Definitiv NICHT geht moderne Nähseide!
Amazonenanwandungen: Frauen waren an jeglichem Kriegsgeschehen nicht beteiligt. Sie brauchen deshalb weder Schwert, noch Dolch, noch Bogen. Die Realität ist leider, dass die Frau im Mittelalter das Heimchen am Herd war. Information zu den wenigen Beispielen kämpfender Frauen hier:
http://www.lothene.org/others/women.html Die Hurensache: Einige verwendete Kleiderfarben waren in Verbindung mit besonderen Kleidungsmerkmalen (z.B. Tüchern, Kappen) ein Kennzeichen für soziale Randgruppen wie Prostituierte, Juden, etc. - das z.B. gerne als Schandfarbe bezeichnete fahlgelb ist ein grünstichiges Gelb und unterschied sich stark vom beim Adel sehr beliebten Safrangelb. Hier kann aber je nach Zeit und Region nicht pauschalisiert werden. Jemand im gelben Kleid also gleich als Prostituierte abzustempeln ist ein voreiliges Urteil, das jeder Grundlage entbehrt.
Glöckchen und Schellen: Lärm-Machende Kleidung trug nur, wer eine Gefahr für die Allgemeinheit war (Aussätzige, Pestkranke, Geisteskranke) oder im Unterhaltungsgeschäft (Spielmänner, Gaukler) oder Henker. Für normale Bevölkerung also unrelevant, unter Umständen für den Adel denkbar.
Welche Arten des Mittelalterhobby gibt’s eigentlich? So genau und streng wolltest dus eigentlich gar nicht? Kein Problem, das ist kein Grund, warum du nicht an allen Veranstaltungen genauso teilnehmen solltest, wie die die pingelig auf die Authentizität achten! Erlaubt ist, was gefällt (nur, dass es eben dann auch als Fantasy-Kleidung mit historischem Einschlag bezeichnet werden sollte). Es gibt viele Vereine und Gruppen, die sich auch der fantastischen Darstellung erfreuen, hier gibt’s keine Regeln und Grenzen. Vielleicht ist das ja was für dich?
Arten der Teilnahme am Mittelalter-Szenen-Leben: 1.
http://de.wikipedia.org/wiki/Living_History]Living History[/url] Derjenige der LH betreibt stellt eine historische Epoche so genau als möglich dar. Die meisten Mittelaltergruppen die man auf Märkten antrifft, betreiben primär Living History. Die Hauptarbeit besteht in der Umsetzung des theoretischen Wissens in die Praxis, der Rekonstruktion von Funden sowie der Improvisation in den Bereichen, in denen es keine eindeutigen Belege gibt - hier wird meistens die praktische Erfahrung als Ansatz genommen. Probieren geht hier über studieren. Jede Gruppe setzt die Latte ihren eigenen Ansprüchen entsprechend an - manche höher, manche niedriger. Somit sei auch hier vor dem unkritischen "Abschauen" gewarnt - Eigenrecherche ist das um und auf der Darstellung und bleibt einem nicht erspart! 2.
http://de.wikipedia.org/wiki/Reenactment]Reenactment[/url] Ist die Belebung eines histor. Ereignis in all seinen Details. Reenactment findet sich z.b. in Form der Nachstellung histor. Schlachten (z.B. Azingcourt, Hastings etc.) oder Festlichkeiten (z.B. Landshuter Hochzeit). Der Reenactor legt größtes Augenmerk auf alle Details und Abläufe in seiner Darstellung, damit sie korrekt dem dargestellten Ereignis entsprechen. Für Veranstaltungen dieser Art sind die Ansprüche auch bereits von organisatorischer Seite sehr streng. 3.
http://de.wikipedia.org/wiki/LARP]Live Action Role Play[/url] sind Events mit Einflüssen aus der Geschichte und dem Fantasy-Bereich. Die Larper lösen auf diesen in kleinerem oder größeren Stil organisierten Events in historisierender oder fantasyangehauchter Gewandung Questen, welche von einem Spielleiter angegeben und geleitet werden, lagern einige Tage an einem Ort und tauchen so in eine im Vorfeld abgesprochene "Welt" ab. Die Recherchearbeit beschränkt sich primär auf das Ambiente der Welt und den Charakter, denn auf Belege. 4.
http://de.wikipedia.org/wiki/Mittelalterszene]Der Grob-Mittelalterlich Interessierte[/url] sein Interesse ist breit gefächert, es wird ebenso auf Märkten als auch Fantasyevents anwesend sein, oftmals jedoch nur als Besucher. Je nach eigenem Anspruch wird das Mittelalter mit mehr oder weniger Augenmerk auf die Fundlage der jeweils gewählten Zeit umgesetzt. Spaß an der Sache & das gesellige Beisammensein bei Lagerfeuerromantik stehen jederzeit im Vordergrund! 5. Reenlarpment (
http://de.wikipedia.org/wiki/Reenlarpment): Der Reenlarper stellt innerhalb eines gewissen historischen Rahmens einen Charakter dar, der zu einem gemeinsamen Rollenspiel beiträgt, das in seinen Inhalten keine konkreten historischen Ereignisse zum Vorbild hat, einem gewissen Authentizitätsanspruch und „Plausibilität“ aber nicht entbehrt. Fantasy-Elemente spielen hierbei keine Rolle.
Wo gibt’s genauere Infos? Hier im Forum (Einfach mal die Suchfunktion benutzen!)
http://mittelalter-wiki.de/ Zur Recherche:
http://www.mabib.de/ Buch von Xenia Krämer „Stupor Mundi“ Buchprojekt:
http://pallia.net/index.html Ganz wichtig: das alles hat ebenfalls die fleissige Milchmagd erstellt, ich bin nur das ausführende Organ