[media]https://youtu.be/Zo6cpEKOAjo[/media] (Quelle: Geschichtsfenster auf YouTube) Die Sendung zum Thema «Helme im Hoch- und Spätmittelalter» mit Andrej aufzeichnen zu dürfen war eine spannende Erfahrung. Anhand einiger Realien die Helmentwicklung anzuschneiden, hat mir wirklich grossen Spass gemacht! Mir sind beim Anschauen des Videos jedoch noch ein paar meiner Aussagen aufgefallen, mit denen ich im Nachgang nicht ganz zufrieden bin. Darum möchte auf diesem Wege zumindest noch einige Punkte berichtigen bzw. ergänzen.
«verhaspeltes & vergessenes» (ein kurzer Nachtrag zur Sendung)
Zur Entwicklung des Nasalhelmes hin zum Topfhelm: -der Schild auf dem Bild (auf dem man mich mit hochmittelalterlicher Rüstung und Schild sieht) ist waffenkundlerisch betrachtet kein klassischer Tropfenschild mehr. Er zeigt bereits die etwas modernere (oben leicht abgeflachte) Formgebung der Schilde um 1200 auf, wie sie J. Kohlmorgen in seinem Buch «Der mittelalterliche Reiterschild» unter der Bezeichnung «Mandelschild» erwähnt. Ich habe ihn fälschlicherweise als Tropfenschild angesprochen. -die Helme auf dem Teppich von Bayeux haben noch eine deutlich spitzer zulaufende Kalottenform, als sie bei meinem gezeigten Spangenhelm zusehen ist. Mehrteilige Nasalhelme (bspw. mit Kalotten aus zwei oder vier Segmenten) sieht man bis ins 13. Jhd. hinein immer wieder mal. Sie gelten dann allerdings schon als veraltet. -die ersten Brillennasale sind um 1150+ in den Quellen zu sehen. Mit den im Video genannten 1130/1140ern war ich dafür etwas zu früh dran. -trotz der Weiterentwicklung des Naseneisens ist der Nasalhelm mit einem normalen Nasal auch in der zweiten Hälfte/im späten 12. Jahrhundert noch der am häufigsten zu sehende Typ. -zwischen 1210-1240 ist der Topfhelm bereits in seiner typischen Form ausgebildet. Man findet quer durch Europa Belege dafür. Einfachere Varianten (ohne und vor allem mit kleiner Nackenplatte) existierten zu dieser Zeit natürlich auch noch sehr häufig. -der Topfhelm mit flacher Scheitelplatte/Kalotte ist nicht nur im deutschsprachigen Raum der mit der weitesten Verbreitung, da habe ich Quatsch erzählt. Die Topfhelme zu dieser Zeit waren in ganz Europa überwiegend mit flacher Scheitelplatte konstruiert.
Zur Entwicklung der Hirnhaube hin zur Beckenhaube: -der Kübelhelm hatte oft keine flache Scheitelplatte mehr (wie sie der Topfhelm noch mehrheitlich hatte), sondern eher eine gewölbte/runde. Er war zudem gesamt grösser ausgeführt. Durch diese Kalottenform und die Grösse nahm er die darunter getragene Beckenhaube besser auf. -bei meiner Interpretation der Beckenhaube (CHS15) aus der Rüstkammer der Churburg ist ein roter Stoffstreifen (aus Seide) an der Front der Brünne zu erkennen. Dieser gehört da Original nicht hin (der Streifen ist ein «ewiges Provisorium», da die Brünne damals im Umfang etwas zu knapp ausfiel und so «nur mal kurz» geschlossen wurde).
Zur Entwicklung des Eisenhutes: -der erste Eisenhut ist der Wilnsdorfer Eisenhut. Ich habe ihn (zwar richtig datiert und verortet) allerdings im Video als Marslebener Eisenhut angesprochen. -der geschwärzte Eisenhut, den Andrej an dritter Stelle noch als Bild einblendete, ging bei mir während des Videos irgendwie unter. Diese Rekonstruktion orientiert sich stark am Eisenhut mit der Inventarnummer «W901» aus dem Germanischen Nationalmuseum in Nürnberg. Der Helm wird auf das späte 14./frühe 15. Jhd. datiert und ist bereits einteilig ausgeführt. Ich erwähne das, weil durch meine Ausführungen eventuell der Eindruck entstand, dass die Eisenhüte im Verlauf des 14. Jhd. immer noch grösstenteils mehrteilig ausgeführt waren. Dies war nicht der Fall.
Zur Entwicklung der Schaller: -die linke Schaller zu Beginn (auf dem Foto, die die zwei «deutschen» Schallern zeigen) sieht man so auch noch um 1500 und danach in den Quellen. Nicht nur bis 1485. -der Ringpanzerbart mit Kinnscheibe (vor allem diese!) ist etwas, dass man nur äusserst selten in den Quellen sieht. Meine Argumentation, dass die Kombination aus diesem Ringpanzerbart und der Schaller (die den frühesten Beleg für eine Schaller mit geschobenem Nacken, gefertigt für Maximilian I., darstellt) in Kombination ein «schlüssiges Bild» an meinem Harnisch ergibt, ist natürlich Käse! Auch wenn ich selbstbewusst sagen kann, dass mein spätgotischer Harnisch sehr hochwertig ausgeführt und dekoriert (einer wirklich hochstehenden Persönlichkeit dieser Zeit angemessen) umgesetzt auftritt, ist die Kombination dieser mit einem Ringpanzerbart in diesem Kontext sicher einiges… aber längst nicht so schlüssig wie von mir im Video erwähnt. Solch ein Ringpanzerbart passt ehr zu einem Fussturnierkontext (wie im angesprochenen Skizzenbuch für um 1485 gezeigt), oder zu einem einfacheren (knechtischen) Harnisch.
Die Entwicklung des Armet: -Der erste gezeigte Armet (die Vorlage ist der LIONARDO-Armet aus dem Metropolitan Museum of Art) ist auf um 1440 datiert und passt zeitlich wunderbar für das darauffolgende Jahrzehnt (also bis um 1450). Nicht bis 1550, da habe ich mich versprochen. -das von mir gezeigte Groteskvisier (das Visier in Gesichtsform) am zweiten Armet hat keine separaten Sehschlitze. Die allermeisten Originale dieser Zeit haben allerdings welche. Also wenn ihr euch auch mal ein solches Visier für euren Helm schmieden lassen wollt, dann bitte unbedingt mit Sehschlitzen. - ach, Schluss jetzt. :keule1 Frühstück ruft!