Was den arabischen Frühling insgesamt angeht, so ist er ein historisches Phänomen.
Da stimme ich auf jeden Fall zu. Aber das ist per se ein vollkommen wertneutrales Urteil. Denn nur, weil etwas ein historisches Phänomen ist, ist es noch lange nicht gut.
Und was bis jetzt schon errreicht wurde ist großartig.
Eben diese Großaritgkeit suche ich noch. Die hat sich mir bisher leider noch nicht erschlossen. Ich habe mehr oder weniger nur beobachtet, dass die einen Extremisten die anderen Extremisten periodisch abzulösen scheinen. Mich erinnert das historische Phänomen weniger an einen Frühling, als vielmehr an den 30-jährigen Krieg, in dem verschiedene Glaubensrichtungen von kühlen Kriegsprofitlern und Machtpolitikern instrumentalisiert wurden.
also lasst mir bitte meine Ideologie ein kleines Stück weit.
Nichts läge mir ferner, als jemandem seine Ideologie nicht zu lassen. Ich habe ja schließlich auch eine. Jeder darf seine Ideologie haben, solange seine Ideologie nicht darauf hinausläuft, andere Leute zu unterdrücken oder zu schädigen. Deshalb ja auch mein Hinweis, wir sollten erstmal hier bei uns ein bisschen aufmerksamer sein, denn von genau solchen Ideologien wird derzeit unsere Politik bestimmt. Da kommt unseren Mächtigen so etwas wie in Syrien gerade recht, um dem dummen deutschen Michel das Gefühl zu geben, bei uns wäre alles rosa und nur woanders läuft's nicht rund.
In meinen Augen eine unterstützenswerte Initiative.
Dito. Ja, unterstützenswert. Aber noch unterstützendwerter fände ich Leute, die hier in Deutschland die Misstände aufzeigen. Das Frage ist aber, bei aller Unterstützenswertheit: Was soll das am Ende bringen? Der IS jedenfalls wird sich davon nicht beeindrucken lassen und geläutert werden die dadurch schon gleich gar nicht. Viele andere Gruppierungen - wir reden hier fast auschließlich über den IS - ebensowenig. Das ist ähnlich wie bei der Israel-Palästinenser-Geschichte. Für jedes Gräuelbild der einen Seite kontert die andere mit ihrem eigenen. Frieden hat das in 70 Jahren nicht gebracht, ganz im Gegenteil. Und eben das ist auch die versteckte Gefahr dabei. Der Hass auf beiden Seiten wird sich nur immer weiter verstärken. Ein Bild von einem toten Kind reicht aus, um eine ganze Armee in Misskredit zu bringen. Selbst wenn 99% der Armee ordentlich kämpfen. Das ist ja gerade der Trick der Terroristen, aber auch unserer eigenen Behörden und unserer eigenen Medien. Es reicht eine spektakuläre Geschichte und eine ganze Gruppe, eine ganze Minderheit, eine ganze Nation oder ein ganzes Volk wird kriminalisiert. Ob das woanders die bösen "Palästinenser" oder die bösen "Israelis" oder hierzulande "die Raser" oder "die Pädophilen" sind. Immer ist die komplette Gruppierung schuld an den Verfehlungen einzelner. Solche Fotos auf Seiten der "Guten" sind genau das, was der IS provozieren will. Sie selbst haben dabei nichts zu verlieren, von ihnen erwartet man es nicht anders. Sie haben keine Sympatien zu verlieren, ihre Gegner aber sehr wohl. Der IS muss nur verhindern, zu verlieren. Die anderen sind dagegen zum Siegen verdammt. Und dabei helfen solche Fotos dem IS auf Dauer mehr als seinen Gegnern.
Im übrigen ist das gar nicht so difus, da detailliert nachprüfbar.
Das halte ich leider für naiv. Für Geheimdienste mag das vielleicht nachprüfbar sein, aber für Dich und mich eben nicht. Ein Bild ist ein Bild. Von wann und wo es ist, ist aber nicht zu erkennen. Selbst im Dokuzentrum in Oradour werden Bilder der Opfer von Katyn als deutsche Kriegsverbrechen verkauft. Das letzte mal aufgetreten ist das, als Bilder von abgeschossenen Flugzeugen in der Ukraine duch alle Medien geisterten, die zwar ein abstürzendes Flugzeug zeigten, aber weder 2014 noch in der Ukraine. Aber selbt die Medien fielen darauf rein und veröffentlichten diese Bilder. Wenn irgendein Fotograf irgendwelche Bilder aus dem Kriegsgebiet veröffentlicht, kann das alles Mögliche sein. Bilder sind kraftvoll, aber nicht zwingend authentisch. Es besteht die Gefahr, dass man damit nicht die Wahrheit unterstützt, was man gerne möchte, sondern nur die dezentrale Propaganda beider Seiten. Ich bin mir einfach bei all dem viel zu unsicher, ob ich wirklich die Richtigen unterstütze. Bis jetzt wurde man von den Entwicklungen im nahen Osten fast immer nur enttäuscht. Und allzu viele Friedensbringer haben sich später auch nur als eiskalte Gewinnler, Machtmenschen, Fundamentalisten oder Eskalatoren herausgestellt. In allen Ländern dort, nebenbei erwähnt, ohne Ausnahme. Widerstand wird fast immer nicht zentral gesteuert, das werfe ich den Leuten dort auch nicht vor. Er muss dezentral sein, sonst ist er, speziell in seinen Anfangsphasen, aufklärbar und damit angreifbar. Solange die staatliche Oppression funktioniert, werden die Rädelsführer ganz schnell verhaftet und entsorgt. Es ist also natürlich, dass in einem Bürgerkrieg viele unabgestimmte Gruppen entstehen, die den Widerstand tragen. Ein paar davon sind selbst ein Problem, das ist ebenfalls zwangsläufig. Käme es in Deutschland zum Bürgerkrieg, wäre mindestens eine Fraktion sicherlich faschistisch. Sieht man ja jetzt schon, wenn Neonazis gegen Salafisten auf die Straße gehen. Für oder gegen wen soll ich da nun bitte sein? Soll ich nun die Salafisten gegen die Neonazis unterstützen? Oder umgekehrt? Aber normalerweise sind ein paar Gruppierungen auch pragmatisch und vernünftig. Diese gilt es, so früh wie möglich zu erkennen (das ist wohl das eigentliche Problem) und zu unterstützen. Allein: Mann nenne mir in der ganzen Nahostsuppe bitte die unterstützendwerte Gruppierung.
Einige von euch scheinen zu denken, islamische Staaten könnten nur Diktaturen vorbringen. Das ist widerlegt worden.
Für die Gegend, von der wir hier reden(!): Ja schon. Aber ist das, was sie nun hervorgebracht haben, besser?