Beinlinge und Beinwickel

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Heidensohn

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Da ich mich gerade anfange ein wenig in die frühmittelalterlich-nordische Ecke zu bewegen, habe ich eine Frage zur Beinkleidung. Zeitliche Einordnung 10. Jh., örtliche westlicher Ostseeraum. Beinwickel fungieren inoffiziell als "das" FrüMi/Wiki-Attribut. Welche Quellen/Argumente kann man für ihre Verwendung im 10. Jh. anführen? Könnten sie nicht auch nur ein Element besonderen Schutzes gewesen und im Alltag kniehohe Beinlinge genutzt worden sein? Und wie sah es bei den Nachbarn (Sachsen, Slawen) bei diesem Thema aus?
 
Die Funktion der Beinwickel dürfte klar sein, bis zum Knie gewickelte Fußlappen als Strumpfersatz. Was bitte sollen kniehohe Beinlinge gewesen sein? Kniestrümpfe?
 
Das Hauptargument pro Wickel für den Ostseeraum sind wohl die Funde in Haithabu. Wie immer nicht so exakt datiert. Beinlinge gabs da auch, aber auch hier ist nicht klar wann sie datieren. Auf verschiedenen Abbildungen zeitlich paralleler "Stämme" weiter südlich sind Wicklungen erkennbar. Aber ich denke es geht auch ohne Unterbeinausstattung.
 
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leider nix zu sehen Hermann .. Was die "Wickelei" angeht, noch mein Urgroßvatewr trug "Wickel" statt Strümpfe und auch die Großmutter meiner Freundin "wickelte" ihre Beine, statt Strümpfe zu tragen. Also Fußlappen bis zum Knie bzw bis weit auf den Oberrschenkel Allerdings unter der Kleidung. Manche Leute trugen dann über der Hose noch Wickelgamaschen zum Schutz der Hose. Was ich damit ausdrücken will, man muß das Rad nicht wiedererfinden, manches Gute hat sich eben auch überliefert.
 
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OT : @Wilfried trugen die Großeltern dazu noch Socken oder wurde bis über den Fuß und die Zehen gewickelt ? OT Ende
 
bis über den Fuß bzw. um die Zehen, also richtiger Strumpf/Sockenersatz OT ist das finde ich nicht. Aber frage mich nicht, wie die das genau gemacht haben, ich war 5 als ich das gesehen habe. Ich fands nur faszinierend, weswegen das hängengeblieben ist.
 
Doch ist OT und eigentlich ein schönes neues Thema. Irgendwo habe ich ein Bild, ich suche mal. Heidensohn hat nach Belegen im 10ten Jahrh. gefragt.
 
Links wurden bearbeitet, aber funktionieren leider nur mit rechter Maustaste und in neuen Tab öffnen :( Was Wilfried meint sind diese Teile hier, wie man sie von der russischen Armee kennt.
7518580.jpg
(Quelle: http://amurec.ucoz.ru)
 
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Danke Für die Mühe Hermann. Aber mit dem Smartphone hilft mir das leider nicht. Schreib uns doch Bitte die Seitennummer dazu, dann kann man diese direkt anwählen. Der Link leitet ja in beiden Fällen auf Seite 1.
 
Danke für die Abbildungen Hermann. Unter dem ersten Link sieht man Beinwickelartiges aud f.17v, f.24v, f.45v und f.95v. Beim zweiten f.2v. Das hilft mir weiter bei der Einordnung. Soweit ich sehe ist das was unter den Wickeln getragen wird auch recht eng am Knie und nicht ganz bis zum Knie reichend dargestellt. Die Sache bei den Beinwickelfunden aus dem Hafen Haithabu(Ich hab bisher nur den Hafen-Band von Frau Hägg durch) ist, dass es eigentlich Funde von gewebten Bändern sind, die an sich noch keine Nutzungsaussage zulassen. Deswegen meine Frage.
 
Danke Für die Mühe Hermann. Aber mit dem Smartphone hilft mir das leider nicht. Schreib uns doch Bitte die Seitennummer dazu, dann kann man diese direkt anwählen. Der Link leitet ja in beiden Fällen auf Seite 1.
Link eins: Seite 42 f.17v Seite 56 f.24v Seite 102 f.45v Seite 202 f.95v Link zwei: Seite 8 f.2v
 
Die Sache bei den Beinwickelfunden aus dem Hafen Haithabu(Ich hab bisher nur den Hafen-Band von Frau Hägg durch) ist, dass es eigentlich Funde von gewebten Bändern sind, die an sich noch keine Nutzungsaussage zulassen. Deswegen meine Frage.
Wenn du den Band gelesen hast, gibt es bei dir denn Zweifel an der Herleitung der Funktion als Wickelband durch Frau Hägg? Durch Abbildungen, alte Texte und Funde (älter und auch etwa Zeitgleich), Herstellung sowie auch jüngste Beispiele der Nutzung halte ich es für sehr plausibel die Bänder als Wickelbänder anzusprechen.
 
Beinwickel fungieren inoffiziell als "das" FrüMi/Wiki-Attribut. Welche Quellen/Argumente kann man für ihre Verwendung im 10. Jh. anführen?
Nicht alles, was im Reenactment weit verbreitet ist, ist gleich falsch. Argumente: -Utrechter Psalter 9.jh - Teppich von Bayeux 11.jh ( und viele andere) -Die bereits erwähnten Stofffragmente -Die Funde von Haken und kleinen Schnallen im Kniebereich
Könnten sie nicht auch nur ein Element besonderen Schutzes gewesen und im Alltag kniehohe Beinlinge genutzt worden sein? Und wie sah es bei den Nachbarn (Sachsen, Slawen) bei diesem Thema aus?
Das ist kein ganz uninteressanter Gedankengang ( am Teppich von Bayeux sieht man nämlich zusätzlich auch teilweise Wickelungen auf den Unterarmen der Soldaten), aber die Wickel tragen sich ja nicht unangenehm, weswegen es keinen Grund gibt, hier im zivilen Leben eine andere Lösung zu bevorzugen. Der Bernuthsfeld-Mann (8.jh) trug ja auch Wadenwickel und war ziemlich sicher kein Krieger. Kniehohe ( oder etwas kürzere) Beinlinge/Strümpfe dürfte es aber ebenso gegeben haben - ich denke jedenfalls auf manchen Darstellungen solche zu erkennen und in Skjoldehamn (12.jh) geht ein Textilfund auch in die Richtung. @Wilfried Dafür, dass die Wickel als Sockenersatz fungierten, spricht kein einziger eisenzeitlicher Wadenwickel-Fund. Socken waren wahrscheinlich oft - auch in der Wikingerzeit - bei der Hose inkludiert.
 
Ich zweifle nicht an, dass es Beinwickel gegeben hat. Ich versuche nur ihre Verbreitung und Hinweise auf die Trageweise abseits volkskundlich-praktischer Aspekte zu erfassen bevor ich speziellere Annahmen und Tragweisen selbst versuche. Weil ich eine Herleitung gelesen habe, muss ich sie nicht teilen :) In der Einleitung zu den Hafenfunden steht auch, dass alle Zuordnungen provisorischer Forschungsstand sind und allgemeine Aussagen nicht möglich, da man als Kalfater-/Pecharbeitsmaterial genommen hat, was sich als Kalfatermaterial eignet. Natürlich ist die grundsätzliche Verwendung naheliegend, aber ich bin momentan noch auf dem Quellensammelpunkt und da bin ich gerne etwas restriktiv. Funde von kleinen Schnallen und Haken im Kniebereich sprechen z.B. aus meiner Sicht eher für genähte Strümpfe. Ich schau mal in den Beiträge zum Bernuthsfeld-Mann, vielen Dank für den Hinweis. Der Utrechter Psalter ist recht aufschlussreich. Leute mit "gestreiften Unterschenkeln" sind eher in der Unterzahl. Außerdem fällt etwas auf, das ich auch beim Aethelwold-Benediktionale gesehen habe: Die Wickelungen/Streifen gehen nicht bis unters Knie, sondern scheinen auf der Hälfte/Zwei-Dritteln des Unterschenkels zu enden. Die Sache beim Teppich von Bayeux ist: Auch hier sind mögliche Beinwickelabbildungen bei "normalen Leuten" gar nicht so weit verbreitet. Eigentlich nur in wenigen Fällen.
 
Zumindest das Rätsel um die nur bis zum halben Unterschenkel hinaufgewickelten Bänder kann ich lösen.
Er kleidete sich nach der nationalen Tracht der Franken: Auf dem Körper trug er ein Leinenhemd, die Oberschenkel bedeckten leinene Hosen; darüber trug er eine Tunika, die mit Seide eingefasst war; die Unterschenkel waren mit Schenkelbändern umhüllt. Sodann umschnürte er seine Waden mit Bändern und seine Füße mit Stiefeln.
Er trug also vermutlich eine kurze Hose, kniehohe Strümpfe und zu deren Befestigung nochmal Wickelbänder drüber. Deckt sich zumindest mit dem Leidener Makkabäer Codex ( frühes 10.jh) http://manuscriptminiatures.com/media/cache/manuscriptminiatures.com/original/1006-1_large.jpg Und die 3/4 hochgewickelten können "normale" Wickel sein - die halten ja auch, wenn sie nicht bis unters Knie gewickelt werdem.
 
An einem Paar Beinwickel ca 4m lang 8cm breit, 8 Fäden je 1cm (das ist in etwa die Stärke der industriellen Meterware) webe ich auf modernem Equipment incl. Schären und einrichten des Webstuhls etwa 25 -30 Stunden. Auf einem Gewichtswebstuhl wird das länger gedauert haben. Die Zeit bezieht sich nur auf die Arbeitsschritte rund ums weben, ohne spinnen. Die Frage, hat man solche Wickel immer, ständig und überall getragen finde ich gar nicht dumm. Warum hat man das getragen, was ist der Vorteil ?
 
Warum hat man das getragen, was ist der Vorteil ?
Unter anderem unterstützt ein richtig (nämlich von unten nach oben) angelegter Beinwickel die Durchblutung am Bein, dies wird heute noch medizinisch für Beinwickel zur Lymphdrainage genutzt und hat nach Berichten von Beinwickel-Trägern wohl den angenehmen Effekt des ermüdungsfreieren Gehens. Selbst kann ich das nicht beurteilen, weil ich noch nie Beinwickel getragen habe, halte es aber für plausibel. Außerdem schützen die robusten gewebten Wickel den unteren Teil der Beinbekleidung beim Laufen durch Unterholz und Gestrüpp vor Beschädigungen.
 

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