Wenn Katans Schilderungen in seinem 1. Posting nur halbwegs der Wahrheit entsprechen, dann ist die Frau mit ihrer Pädagogik bei ihm am Ende und greift zu unpädagogischen Verhalten.
Richtig.
Wenn. Warst Du dabei? Du bist schnell bei der Hand, einem Lehrer, den Du gar nicht erlebt hast, in einer Situation, die Du ebensowenig erlebt hast, pädagogisches Versagen zu attestieren. Reicht mittlerweile die Anklageverlesung aus, damit sich die Schöffen ein Urteil bilden?
Ich mag diesen Satz hier: "Wenn sich etwas verändern soll, muss der würdelose Umgang mit Schülern öffentlich gemacht und bearbeitet werden. Eltern, Lehrer, Schüler und Politiker sollten mit Zivilcourage für demokratische Verhältnisse in der Schule eintreten und für eine neue Ethik des Zusammenlebens im Unterricht."
De mortuis nil, nisi bene. Aber allein, weil der Herr inzwischen verstorben ist, brauche ich noch lange nicht mit ihm einer Meinung sein. Ich mag solche Sätze im Gegensatz zu Dir nicht, jedenfalls dann nicht, wenn ich seitenweise einzig und allein von Lehrerfehlverhalten lese und niemand auch nur im Ansatz auf die abwegige Idee kommt, auch die Schüler müssten sich hin und wieder mal an die Nase fassen. Herr Singer teilt die Schulwelt ein in die armen, unterdrückten Schüler und die bösen, machtmissbrauchenden, unterdrückenden Lehrer. Das ist bequem und hat mit Pädagogik nicht allzu viel zu tun, da kann der Herr Professor gewesen sein, solange er will. Als diverse amerikanische Präsidenten die Welt ähnlich einseitig eingeteilt haben, in Achsen des Bösen und Schurkenstaaten einerseits sowie Koalitionen aus heilsbringenden Lichtgestalten unter der Führung von God's own country, da hat man in diesem, unserem Lande den Kopf geschüttelt. In Sachen Schule ist es aber plötzlich salonfähig. Warum? Kann ich nur spekulieren. Könnte aber was damit zu tun haben, dass sich die von ihrem Dienstherren zur Weiterbildung verdonnerten Lehrer gegen solche Sprüche nicht wehren können, die Elternschaft in ihrer Gesamtheit aber ein zu hätschelndes Stimmenreservoir für unsere Demokratie ist. Da sind solche Äußerungen natürlich politisch opportun. Bildung, auch Hochschulbildung, und ganz besonders die Lehrerausbildung, ist in den Händen des Staates. Da haben es manche Thesen, von denen die Regierenden meinen, man könne sich damit hintenrum beim Wahlvolk anbiedern, einfacher als andere. Ich habe in meiner eigenen Lehrerausbildung zu viel Mist gehört, der an der Praxis meilenweit vorbeigeht und auf dem Papier toll klingt, aber in der Wirklichkeit schlichtweg nicht funktioniert, als dass ich mich von Professoren- oder Expertenmeinungen da noch beeindrucken lasse. Das ist aber eine Diksussion, die öffentlich zu führen ich keine Lust habe, nicht mal in einem Pädagogikforum und schon gar nicht in einem Geschichtsforum. Es gibt bei Lehrern, wie in jedem Beruf, gute und schlechte. Mag sein, dass Katan eine schlechte erwischt hat. Aber eine einseitige Sichtweise der Dinge nebst Vorverurteilung einer Lehrerin, deren angebliches Fehlverhalten ich nur aus zweiter Hand in einem Forum kenne, lässt mein demokratisches Rechtsverständnis nicht zu. Ich neige dazu, Katan zu glauben, ich schätze ihn nach dem, was ich so von ihm bisher gelesen habe, als selbstkritischen wie ehrlichen jungen Menschen ein. Aber glauben heißt nun mal nicht wissen.
Für Ratschläge wie "Tut mir leid, min Jung, da musst Du durch, ich kann's nicht ändern." oder "durch muss er alleine" würde ich mich nicht begeistern.
Ich will nicht begeistern, ich will meine ehrliche Sicht der Dinge wiedergeben, auch wenn mein Gegenüber das vielleicht nicht hören will. Aber ein gerngehörter Rat muss nicht automatisch ein guter sein. Ich habe da einen gewissen undiplomatischen Hang zur Ehrlichkeit. Ich gebe keinen Rat aus der Hüfte, schon gar nicht auf der soliden Wissensbasis, die mir der Gefühlsausbruch eines Schülers verschafft. Wer meint, Katan zu helfen, indem er ihn begeistert, der möge das tun. Vielleicht ist das ja der richtige Weg. Gut, ich könnte nun mit den Wölfen heulen und ihm den Rat geben, den er hören möchte. Ja, Katan, dass ist eine Riesensauerei, geh zum Rektor, geh zum Schulamt, geh was weiß ich wohin, erklär der Frau den Krieg, jawollja. So geht man gefälligst nicht mit Schülern um. Die Frau ist eine pädagogische Null. Mach's meinetwegen. Aber falls, nur falls, die sich dann auch die Version der Lerherin anhören, möglicherweise feststellen, dass man da nicht viel machen kann, außer ihr mal den erhobenen Zeigefinger zu zeigen, und das Verhältnis danach erst recht zerrüttet ist und Du bei der gesamten Lehrerschaft den Ruf eines Querulanten weghast und die Dir bis zum Schulabschluss das Leben zur Hölle machen, dann beklag Dich bitte nicht, dass der Rat schlecht war. Und genau das ist eben die Gefahr. Bevor sich hier jemand auf die Schulter klopft, weil er sich in heiliger Rage gegen die bösen Lehrer gestellt hat, sollte er nicht vergessen, dass er mit seinen Solidaritätsbekundungen bestenfalls
hinter Katan steht, und nicht
vor ihm. Wenn das schiefgeht, sind Verbalmoralisten fein raus, aber Katan muss es ausbaden. Ich wäre also vorsichtig mit vorschnellem Rat, dessen Befolgung die Sache erst mal eskaliert. Egal wo und bei wem Du Dich über die Lehrerin beschwerst, sie wird es erfahren und sie wird not amused darüber sein. Da ist es völlig egal, ob das ein Kollege, der Rektor oder irgendein pädagogisches Institut ist. Und wenn sie wegen Dir einen disziplinarischen Rüffel bekommt, dann ist sie schlichtweg sauer. Bevor man diesen Weg also geht, und es ist durchaus angebracht, ihn zu gehen, wenn das Verhalten Dir gegenüber tatsächlich untragbar ist, sollte man sich wohl überlegen, das zu tun. Du, Katan, hast hier viele Sympathiebekundungen und viel Zuspruch erhalten. Aber denke daran: keiner all dieser Leute, die sich hier demonstrativ hinter Dich gestellt haben, muss einen möglichen Misserfolg im Zweifelsfalle ausbaden. Ich habe mich hier absichtlich nicht in die Empörungsphalanx eingereiht, gerade
weil mir Dein Wohl am Herzen liegt. Krieg ist schnell erklärt, Frieden nicht so leicht, vergiss das nicht. Und auch der ein oder andere hier sollten das nicht vergessen. Bevor wir uns also Gedanken machen, was für Schritte man in die Wege leiten sollte, überschlafe die Sache erst noch einmal ein oder zwei Tage, komm runter. Dann schildere uns noch mal, was sich da alles so zugetragen hat, denke dabei auch an mögliches Fehlverhalten Deinerseits oder dem anderer Schüler, das möglicherweise die Lehrerin zu ihrem Verhalten gebracht haben könnte und das, möglicherweise durchaus zu Unrecht, aber vielleicht gar nicht beabsichtigt, auf Dich zurückfällt. Lehrer haben hinten keine Augen. Vielleicht denkt sie, Du habest etwas getan, was eigentlich ein anderer war. Analysiere die Situation, wir helfen Dir bei Bedarf gerne. Schildere die Situation so neutral wie möglich, wir können versuchen, uns, die wir unbeteiligt sind, in die Lehrerin hineinzuversetzen und die Dinge vielleicht auf eine Art zu sehen, wie Du sie noch nicht gesehen hast. Wenn wir dann immer noch zu dem Schluss kommen, man müsse eskalieren, dann kannst Du das immer noch machen. Oder ist es so schlimm, dass es keine Woche mehr warten kann?