@Skelkur: FechtKUNST ist genau das: eine Kunst. Ich bin mal provokativ und bringe nun eine Aussage, die ich anschließend begründen werde: Kein Mensch hat je, und konnte je, Fechten wie Liechtenauer - ausser Liechtenauer. Selbes gilt für alle anderen Meister, bis in die heutige Zeit. Klingt blöd, nicht? Ich behaupte aber, man kann nur nach den Meistern LERNEN (und sich teile davon aneignen) - nicht nach ihnen KÄMPFEN. wenn man sich im (Wett-)kampf befindet, glaube ich nicht, das irgendwer darüber nachdenkt, wie denn nun der liebe Herr Liechtenauer oder Talhoffer nun dies oder das gemacht wurde - a lá "was würde Jesus tun?" Nun wird man sicher das gelernte anwenden - und vieles tun, wie es in den Fechtbüchern steht, wenn man nach ihnen gelernt hat - schließlich ist das auch Sinn des Übens - Die Bewegungen und Abläufe zu studieren und schnell abrufbar zu machen. Eine Aktion kann dementsprechend wohlüberlegt und abgewogen sein - die Reaktion jedoch geschieht intuitiv - hier hat man keine Zeit, abzuwägen und die Meister um Rat zu fragen. Im besten Falle entspricht die Reaktion natürlich dem, was man gelernt hat - aber WAS von dem gelernten, das kann man nicht kontrollieren. EIn kleines Beispiel: Ich habe letztes Jahr ein Stockkampfseminar besucht (nicht allzu ernst, allerdings auch nicht albern - die richtige Waage zwischen Spass und Sinn). Nun habe ich nie zuvor einen Stock als Fechtwerkzeug in der Hand gehabt. Während ich die Aktionen schnell lernen konnte, habe ich die Reaktionen zum größten Teil intuitiv gewählt - inspiriert durch meine bisherigen Schwertkampferfahrungen. Schnell merkt man dann, was funktioniert, und was nicht. Jetzt behaupte ich, dass, von absoluten Meistern abgesehen, sich keiner bewusst im Kampf für eine bestimmte Schule oder bestimmte Parade oder Versatzung entscheiden kann - man schöpft intuitiv aus seinem Repertoir. Jemand, der bereits lange japanischen Schwertkampf ausübt, wird diese Techniken im europäischen Fechten nicht aus seinem Repertoir verbannen können - weil er es nicht bewusst kontrolliert. Dafür geht ein Freikampf zu schnell. Auch ein Mittelalterlicher Kämpfer kann also kein reines, spezielles Repertoir haben - ausser er wurde von allen Lerneinflüßen (Trainingskämpfen, Improvisation, freies Üben) ausser dem primären Isoliert. Es gibt also, meiner Meinung nach, einen primären Lerneinfluß (zB Fechthandschriften oder ein Fechtlehrer), aber etliche, unkontrollierbare sekundäre Lerneinflüße. Und diese Sekundäreinflüße machen einen nicht schlechter - sie steigern die eigenen Fähigkeiten und vergrößern die Chancen und Möglichkeiten. Wenn man also nicht gerade Liechtenauer selbst oder einen seiner direkten Schüler darstellt, ist reines Liechtenauerfechten genauso unhistorisch wie Hollywood - weil jeder Fechter durch etliche Quellen beeinflusst wird. Es soll sich bitte keiner angegriffen fühlen - dies ist meine persönliche Stellungnahme zu einem Diskussionsthema - und natürlich ist mir bewusst, dass einige Sätze hier gezielt überspitzt gewählt sind, um meinen Punkt zu verdeutlichen. Ich zähle mich selbst zu den ambitionieren Fechtern, die sich auch für die Fechthandschriften interessieren und versuchen, die Techniken daraus abzuleiten. [Ironie] Dennoch werde ich nie auf eine Möglichkeit, die ich sehe, verzichten, nur weil ein Fechtlehrer vor 500 Jahren eine Seite verbummelt hat, auf dem mein toller "Quer in den Kopf"-Hau gestanden hätte
![Big grin :D :D](data:image/gif;base64,R0lGODlhAQABAIAAAAAAAP///yH5BAEAAAAALAAAAAABAAEAAAIBRAA7)
[/Ironie] MfG Torben