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aennlin
Guest
Hallo, da im Thema "Protzen mit Schlichtheit" das Problem mit dem Thema Mittelalter im Unterricht angesprochen wurde würde ich gerne hier weiter machen. Zitat von Thordis:
Zitat von Ulf:Echt mal, dieses Problem kenne ich! Da gibt man sich Mühe, um diesem "Ritterwahnsinn" in der Schule entgegenzutreten aber das ist ein Kampf gegen Windmühlen, der von allen Seiten boykottiert wird... :heul Eltern: Ach, ich habe gehört, Sie machen gerade Ritter und Burgfräulein in der Schule... Kollegen: Ein schönes Thema, da können sich die Kinder so schön als Ritter und Fräuleins verkleiden... Kinder: Die Burgfräulein hatten Kleider an. Die Ritter hatten Rüstungen an... oder: Die Kinder wurden später Ritter oder Burgfräulein... Burgführer auf der Burg: Ihr seit 7 Jahre? Oh, prima, dann hättet ihr gerade damit angefangen Ritter zu werden - und die Mädchen natürlich Burgfräulein... Es gibt zwei Wörter, die ich nicht mehr hören kann.... :help
Zitat von Jorunn:Nicht nur in der Schule auch im Personenkreis, welcher sich nicht mit dem Thema beschäftigt. "Ach du machst Mittelalter, läufst du dann mit einer Rüstung herum? :kopfwand
Zitat von Amalie:Hehe, das kommt mir sooooo bekannt vor! Wir hatten vor kurzem einen Thementag in einer Grundschule, wir sollten den Kindern das Thema "Kleidung" näher bringen. In der Einleitung fragen wir also die Kinder so, wie sie sich vorstellen, wie die Menschen damals (für 1./2. Klasse noch ohne Unterteilung in F/M/SMA) so im Gegensatz zu ihnen gekleidet waren. Als wir also die Frauenkleidung haben und zu der Männerkleidung kommen, entwickelt sich folgender Dialog: Wir: "Und was denkt ihr, was ein Mann so anhatte?" Junge: "Eine Ritterrüstung!" Wir: "Na ja, aber das war ja nur zum Kämpfen. Was trug er wohl, wenn er daheim, also ganz zivil, war?" Junge: "Eine Ritterrüstung!" (...) Wir: "Und aus welchem Material waren dann die Hosen?" Junge: "Aus Metall!" Er war von seiner Überzeugung, dass die Männer alle Ritter und rund um die Uhr in Rüstung waren, nicht abzubringen.
Zitat von Swanhild:Ich habe sehr oft die Erfahrung gemacht, dass die Eltern es auch gar nicht wollen, dass man die Kinder von dieser Meinung abbringt. Eltern (zeigen auf mich): Schau mal ein Burgfräulein. Ich: Ich bin kein Burgfräulein, ich bin eine Ordensschwester. Eltern: Ach, für die Kinder ist das doch egal. Diesen Dialog führe ich so oft, dass ich schreien könnte.
Zitat von Hummelchen:Seit dem jetzt laufenden Schuljahr dürfen wir in unserer Grundschule das Thema Mittelalter nicht mehr begleiten, weil wir den Kindern die Vorstellung von Ritter und Burgfräulein genommen haben... die Eltern waren dagegen, dass wir Mittelalter abseits von Hollywood vermitteln wollten.
Zitat von Mara:Swanhild: geht uns/mir auch so, mit meinen langweiligen Klamotten, denen "selbstgezimmerten" Kochtöpfen (die sprechen von Tongrappen) und denen "unschpäktakuäre" Bücher (wir sprechen von handgeschriebenen, handgebundenen,...) könnte ich zu Hause bleiben, sie hätten jetzt eine RICHTIGE Gruppe gefunden, die das viel besser machen... öhm ja, die RICHTIGEN kommen in Jeans, Turnschuhen (immerhin schwarz) darüber ein Baumwolllappen mit einem bösen Drachen drauf (natürlich in rot gold mit Blinkiblinki-Borte aus ganz vielen Polytierchen)... die haben keine Kopfbedeckungen aber jeder zwei Langschwerter anhängen.... dazu dann Kettenhemd und Rüstung (wunderschöne Übersicht aus mind. 500Jahren und dem Faschingsladen um die Ecke) :kopfhau :kopfhau :kopfhau :kopfhau :kopfhau
Zitat von Hummelchen:Mein Sohn war bei seiner Geschichtslehrerin unten durch, als sie in der 6. Klasse erklärte, dass man im Mittelalter nur schwarz und braun (Also "Schafsfarben") getragen hätte. Am nächsten Tag nahm er sich 3 Proben pflanzengefärbte Wollstoffe mit: Zwiebel, Krapp und Indigo. Zwei sachen hat er an diesem Tag gelernt: Eine Lehrerin hat auch nicht immer recht - aber man sollte sie als Schüler nicht vor der ganzen Klasse darauf hinweisen... :whistling:
Zitat von Katharina di Mauro:@Mara: Richtige Größe einer Lehrerin ist, wenn sie vom Kind daraufhingewiesen wurde, dass sich die Mode im MA sehr wohl unterschieden hat, sie einem dann abends anruft, am nächsten Tag bei einem vorbei kommt, sie sich kiloweise Bücher ausleiht und jetzt das Hobby teilt )))
Zitat von Swanhild:@ Mara: Das Erlebnis hatte die Tochter meiner Freundin auch, als sie die Lehrerin verbesserte, dass die dreizinkige Gabel im Buch eine Heugabel und keine Mistgabel sei, weil durch die wenigen, weit auseinanderstehenden Zinken der Mist ja durchfalle... Die Lehrerin bestand aber weiter auf ihre Mistgabel, so dass die Freundin dann aufklärend bei ihr angerufen hat... Kam sicher auch nicht so gut bei der Frau an - dafür aber bei der Tochter!
Zitat von Janne Varulfson:So in etwa Hummelchen. Meine "ahlen" Lappen (gemeint war mein Schlupfärmelkleid walnussgefärbt) wären nicht gut genug. Ich habe nur versucht zu erklären das bei uns im Ort eben keine "Riddas" und Burgfräulein gelebt haben. Ich habe Nachhilfeverbot bei den Kindern, wenn es um Geschichte geht.
Zitat von Tordis:Ja, leider unterrichten die Schulen nurnoch das, was alle erwarten, da der Widerstand nicht so groß ist wie gegen das, was wahr ist... Also lernt man über das Mittelalter: Viele Kriege, Tod und Teufel, gottesfürchtig, Ritter, Burgfräulein und ein paar Bauern haben gemuckt und sich niedergerungen worden. Und dann natürlich noch der König und seine Königin.
Zitat von Jorunn:Ja, das mag auf dem Markt gehen... aber in Bildungsinstitutionen erschrecken mich die Zustände schon "etwas"... 8| Denn da sollte es nicht um einen "netten Tag" gehen, sondern um korrekte Wissensvermittlung. Leider liegt der Schwerpunkt in Schulen im Moment eher auf den Naturwissenschaften, denn Archäologen, Geschichtswissenschaftler etc. braucht Deutschland grad nicht... :wacko:
Ich hoffe, nichts Relevantes vergessen zu haben. Aus aktuellem Anlass möchte ich hier unsere Erfahrung teilen. Natürlich denkt jede/r Aussenstehende/r beim Mittelalter zuerst an die Ritter und Burgfräulein. Das ist ganz normal. In der Grundschule haben die Lehrer dieses doch abstrakte Thema zum Beispiel mit Filmen zu begleiten und so etwas anschaulicher zu machen. Vielleicht gehen die einen oder anderen auch mal in ein Museum. Sofern denn ein passendes in der Nähe ist. Später zählen Daten und Fakten, meist zu Kriegen,Schlachten, Krönungen und Personen. Im Anschluß daran kann man dann mal auf die Hintergründe schauen. Warum hat König XY seinen Bruder ins Kloster gesteckt, etc. In der Grundschule wird das Bild des Mittelalters in den grundlegenden Zügen von den Lehrern vermittelt. Diese lesen sich meist nur in das Thema ein. Desweiteren sind Lehrer manchmal zarte Pflänzchen wenn es um Kritik geht. Die Lehrer unserer Kinder haben bisher unsere "Hilfe" gerne angenommen. Dass eine Ritterrüstung schwer und im Alltag unpraktisch ist kann man die Kinder ganz einfach erfahren lassen: Da dürfen dann die Jungs mal nen Gambi, Polsterhaube, Kettenhaube und Helm anziehen. Die merken dann schnell, dass es ja ziemlich schwer ist und man das unmöglich den ganzen Tag getragen haben kann. Dann kommt die Frage: Was haben die Ritter denn sonst getragen? Und schon ist man da, wo hinwollte. Man kann angefangen bei der Prunk und Protzkleidung der Adligen bis zum Bauer und Bettler einen groben Überblick über die mittelalterliche Kleidung geben. Das Ganze funktioniert auch gut mit Mädchen, die mit Tütenärmeln Gemüse schneiden und Geschirr spülen. 8) Bisher haben wir so gute Erfahrungen gemacht. Das dass nicht immer so ist, ist mir auch klar. Aber ich bin keine Lehrerin, muß keinen Lehrplan einhalten, helfe aber gerne wenn ich gefragt werde. Grüße AennlinOch, ich finde das ganz gut. So kann ich meine Schüler aus chemischer Sicht Pflanzenfarben mit historischem Hintergrund entdecken lassen und das auch noch gleich mit der Biologie verbinden (Stichwort: fächerverbindender Unterricht).