Teil 1: Die Übersetzung der beiden Wörter in CLM 4620 ist falsch und doch nicht falsch. Das liegt wohl daran, dass die Regel und Statuten aus CLM 4620 wahrscheinlich erst gegen mitte des 14. Jahrunderts übersetzt wurden. Die Dokumentensammlung, die in CLM 4620 enthalten ist, wurde aber spätestens 1290 abgeschlossen. Somit ist CLM 4620 die zweitälteste, bekannte Statutensammlung der Hospitaliter nach vat. lat. 4820 (ca. 1280). Leider wird ihr aber nicht soviel Achtung geschenkt obwohl darin noch seitenweise auf Latein verfasste Statuen enthalten sind, die am Ende des Textes als Kapitelbeschluß auf 1252 datiert sind. Übrigens enthalten diese Statuten von 1252 auch eine Kleiderliste der Brüder, die von der Kleiderliste von 1205 etwas abweicht, also wahrscheinlich der Zeit angepasst wurde. Den zweiten Teil der Niederschrift von Margat aus CLM 4620, also da, wo Gerhard Tonque Lagleder aufgehört hatte zu übersetzen, habe ich übersetzt und mit dem ältesten bisher bekannten Text (vat. lat. 4852) verglichen (hier zu finden:
www.rs-regensburg.de).
Zurück zu Isenbrun und Galebrun: Warum ist die Übersetzung in CLM 4620 falsch: Im 14. Jahrhundert waren die Farbbezeichnungen Gel(p)praun und Eisenpraun in Deutschland absolut geläufig. Während Gelpraun eben Gelbbraun war, so war Eisenbraun anscheinend Graubraun (evtl. vom Wolf Isengrim). Für Gelpraun konnte ich sogar ein Rezept zur Herstellung als Frabe für Malereien finden, welches ins 15. Jahrhundert datiert ist und grüne (rohe) Walnussschalen nutzt. Ausserdem werden die beiden Begriffe Isenbrun und Galebrun am häufigsten im 12. Jahrundert verwendet während eine starke Abnahme der Erwähnungen bis ca. 1300 stattfand (diese beiden Begriffe sind z. B. in der Ordensregel von 1300 nicht mehr enthalten). Deshalb denke ich, hat der Übersetzer der CLM 4620 die Begriffe so wie es für seine Zeit üblich war, als Farben übersetzt. Ich konnte bisher nur zwei Wissenschaftler ausmachen, die sich intensiver mit den Begriffen Isenbrun und Galebrun befasst haben: zum einen B. Pottier (Universität Straßburg); '
Isembrun et galembrun' in
Archivo de filología aragonesa vol.8; 1956 Er kommt zu dem Schuß, dass es sich um die Herstellungsorte für Stoffe in Deutschland (Isembrun => Eisenburg) handelt oder es Farbbezeichungen (wie in CLM 4620) sind. Beides ist möglich. Farbbezeichung oder Herstellungsort. Im Mittelalter wurden oft Stoffe nach ihrem Herstellungsort, also dem Dorf oder der Stadt benannt in der sie gewoben wurden. Noch heute gibt es im südwestlichen Frankreich einen Ort mit dem Namen 'Galembrun'. zum zweiten L. Wiener; '
Materialien zu einer Geschichte - Der Kleidung im Mittelalter' in
Revue de Linguistique et de Philologie Comparee Band 44; 1867 Er kommt zu dem Schluß, dass es sich um edle, dunkle bzw. schwarze Stoffe (brunete) Handelt und die Wortherkunft weit im Osten zu suchen ist.
Also kommen in Frage: eine Farbbezeichung, ein Herstellungsort, oder dunkles oder schwarzes Brunete. Allerdings war der Fokus der beiden Wissenschaftler nicht der Hospitaliterorden und so haben die beiden alles an Quellen gesammelt, was sie finden konnten. Dies geschah auch über alle Jahrunderte hinweg. Eine bestimmt Zeit war nicht im Fokus. Ich würde behaupten, wenn man herausfinden möchte, was das Isenbrun und Galebrun in der Ordensregel der Hospitaliter tatsächlich meinte, dann muß man versuchen den Weg zu finden, der diese beiden Begriffe in die Ordensregel brachte. Ich habe da nochmal etwas nachgeforscht und bin zu einem wirklich sehr, für mich unerwarteten, Ergebnis gekommen: Die älteste Erwähnung von Isenbrun und Galebrun, die ich finden konnte stammt von Bernhard von Cairvaux in seiner Apologia (1124); Capitel 10.24:
'Putsane ibi cuiquam galabrunum aut isembrunum quaerebatur ad induendum; cuiquam ducentorum solidorum mula parabatur ad equitandum?' Übersetzung der Stelle aus '
Der heilige Bernhard von Clairvaux und die Hierarchie seiner Zeit'; J. Ellendorf; Essen 1837:
'Glaubst du, daß dort sich jemand in bunte, braune oder schwarze Seide kleidete; daß jemand 200 Silberstücke auf ein Maulthier verwendete?' Er übersetzt Galabrunum und Isembrunum mit 'bunte, braune oder schwarze Seide' und bezieht sich in der Fußnote auf die Statuten von Peter Venerabilis. Der Bezug auf Peter Venerabilis ist richtig, aber die Übersetzung falsch! Folgendes steht in den Statuten (Punkt 16) von Peter Venerabilis (ca. 1130/1140), der zu dieser Zeit Abt von Cluny war: Quelle: '
Codex Regularum Monasticarum et Canonicarum' 2. Band; Lucae Holstenii; 1759
'Statutum est, ut nullus Fratrum nostrorum pannis, qui dicuntur galabruni, vel isembruni, vestiatur, nec iis qui vocantur Scalfarii, vel Frisii, expectis Anglis vel Angliae affinibus Monachis, neque illis, qui appellantur Agnelini, exceptis Teutonicis & iis adjacentibus Monchis; hac tamen conditione, si magis Religioni congruentes nigri coloris vestes in regionibus suis invenire non potuerint.' Es darf also kein Bruder Kleidung tragen, die Galabruni oder Isembruni genannt wird. Weiterhin ist Scalfarii und Frisii verboten, außer in England und nach bei England, da diese Stoffe dort leichter zu bekommen waren (Frisii wurde Hauptsächlich im heutigen Wales hergestellt). Er gibt auch den Grund für diese Verbote an selber Stelle an:
'Causa instituti hujus fuit supra quam dicere velim, sicut & ipse vidi, talium vestium notabiliter inhonesta, & turpis curiositas, qua olim multi nostrorum, non aliter quam saeculares homines sericis variis vel grisiis vestium generibus se comebant: & electo ad intimam cordis humilitatem designandam humiliore cuntis coloribus nigro colore, ipsa repugnante natura ornare se, velut sponsi procedentes de thalamo, summo studio contendebant. Versa res jam erat in habitum, nec in iis delinquere se, caecati usu longissimo, sentiebant.' Er erkannte also selbst, dass die Kleidung der Mönche unsittlich und skandalös wäre und dass viele sich nicht anders als die weltlichen Menschen mit Seide und 'variis vel grisiis' schmücken würden. J. Ellendorf übersetzte also 'variis vel grisiis', was sich zweifelsfrei auf Galabrunum und Isembrunum bezieht, mit 'bunt, braun oder schwarz', was heute, oder vor fast hundert Jahren, wörtlich auch richtig ist. Vergleicht man aber den Begriff 'variis vel grisiis' mit Dokumenten aus dem 12. Jahrundert, die diese Begriffe enthalten, so hat 'variis vel grisiis' eine ganz andere Bedeutung. Am Besten beschrieben ist es in dem Artikel von Erich Caspar '
Die Kreuzzugsbullen Eugens III.' in
Neues Archiv der Gesellschaft für Ältere Deutsche Geschichtskunde S.285-305: Es geht darin um das Papstschreiben, das zum 2. Kreuzzug aufrief. Diese Bulle ist 2x vorhanden. Einmal vom Dezember 1145 und einmal vom März 1146. In einem Teil dieser Bulle rief der Papst dazu auf, auf kostbare Kleidung während des Kreuzzuges zu verzichten. So in der 1. Bulle von 1145. In der zweiten Bulle vom März 1146 kommt noch der Zusatz '
nullatenus in vestibus variis aut grisiis' dazu, welcher in der ersten Bulle fehlt. Lang Rede kurzer Sinn: Anscheinend hatte Bernhard von clairvaux seine Finger im Spiel und fügte diese Bestimmung hinzu. In dem Artikel Caspar ist sehr genau erklärt, was 'variis aut/ vel grisiis' ist, nämlich Buntwerk und Grauwerk, also eine Zusammensetzung von kleinen Fellen. Teil 2 folgt bald....