Grünes Kleid aus den Carmina Burana

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Annie

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Hallo Zusammen! Ich möchte ein Kleid nachnähen aus den Carmina Burana und alle Interessierten um ihre Meinung fragen, ob es sich bei den Verzierungen wohl um gewebte oder gestickte Borten handelt. Leider ist mein Erfolg im Umgang mit dem Medium Internet meistens Glückssache, weshalb ich jetzt kein schickes Photo hochladen kann, aber da ich das betreffende Bild in einem Buch aus Papier besitze, schreibe ich hier mal die genauen Angaben. Vielleicht hat ja jemand Lust, mal genau draufzuschauen? Liebespaar (Miniatur zu Liebesgedichten), "Carmina Burana", Clm 4660, Bl. 72v (Ausschnitt) Es ist darauf eine Frau in einem grünen Kleid mit weiß-roter Verzierung (sehr interessant finde ich den roten Schuh...) und ein Mann in einer roten Cotte mit ähnlicher Verzierung zu sehen. Ich denke, dass es sich um gewebte Borten handelt, da beide Figuren ja einen passenden Gürtel tragen. Also, wenn jemand sich die Mühe machen, das Bild suchen und mal mit Kennerauge genau hinsehen würde, wäre ich sehr dankbar. Ach, noch eine Frage dazu: Wie wurde ein so enges Kleid geschlossen? Schnürungen sieht man ja nicht. Vielleicht unsichtbar auf der Schulter oder so? Die Handschrift ist von 1230.
 
Codex Buranus - miniature on folio 72v bei google in der Bildersuche, aber ich bekomme den link nicht hin LG Therese
 
Meinst Du dieses Bild hier? Hab leider nur ein s/w-Bild gefunden: http://www.bildindex.de/obj00074163.html#|home (Quelle:www.bildindex.de) ,auf dieser Seite Bild Nr. 101.572 Interessant, die Zierborten an den Oberarmen kannte ich in dieser Form eher fürs 12. Jhdt. Ob das nun gewebte Borten oder bestickte kontrastierende Stoffstreifen sind wage ich aus dem Bild nicht abzuleiten. Schnürungen o.ä. für den figurnahen Sitz würde ich aber eher nicht vermuten. Um 1230 wurde die Cotte üblicherweise mit einem Gürtel "auf Figur" gebracht und nicht mehr geschnürt. Am Hals sieht man ja keinen Schlüssellochausschnitt, also dürfte der Halsauschnitt entweder so weit sein, daß man mit dem Kopf problemlos durchkommt oder es ist ein Schlitz auf der Schulter eingearbeitet. Diese Lösung kenne ich persönlich aber eher von Unterkleidern oder von Surcots. Wenn jemand so einen Halsverschluss an einer Cotta kennt, wäre ich für einen Beleg aber sehr dankbar...
 
OK, Lisabeth war schneller - und auch noch in Farbe! :thumbsup:
 
Ich würde ganz spontan auf gewebte Borten tippen. Verschluss vielleicht am Rücken? Kann ich mir nicht anders erklären. Wie ein Schlüssellochausschnitt nur hinten, zu verschließen mit Bändern oder Knopf (1230??? dann eher Bänder). Oder das Gaze ist mal wieder künsterlisch dargestellt und der Halsausschnitt war eigentlich weiter, so dass man mit dem Kopf durch kam. Könnte das links unter dem Ärmel vielleicht eine Schnürung sein? Die Kombination Borte Oberarm und enge Ärmel (also eher ein Relikt eines Bliauts + neue Mode des 13. Jh.) sehe ich allerdings auch zum ersten Mal. Ich gebe zu, keine Quellen für meine Behauptung, reines Erfahrungswissen.
 
Nur mal so als Gedankenanstoss ... Vielleicht wollte der Maler auch nur die besonders zarte Gestalt der Dame darstellen und hat deshalb das Kleid so figurbetont gemalt. Obwohl es gar nicht so war ... Oft ist die Symbilik des Bildes wichtiger als ein reales Abbild ... Ich errinne da nur an Farbgebungen, betonte Körperteile (ich hab schon Bilder gesehen, da ist der Po extrem betont ...) und auch durchsichtige Kleider, bei denen allein die Aussage dahinter steht.
 
Kleiner Tipp für ein Brainstorming: Wenn unklar ist, wie speziell diese Gewandung genau geschlossen wurde, wie sieht es denn um 1230 in/um Benediktbeuern/Bayern allgemein aus? Vielleicht finden sich andere Bildquellen/Textquellen aus dieser Zeit/Region, aus denen das hervorgehen könnte und aufgrund derer man (vorsichtige) Rückschlüsse ziehen könnte? Da dies absolut nicht meine Zeit ist, analogisiere ich nur aus der mir bekannten Regionen/Zeiten. Wenn es nichts beiträgt, kann der Post auch gerne gelöscht werden. PS: Ich finde, dies ist ein recht spannendes Unterfangen. ;)
 
Ich denke auch, dass Kleid ist zwar figurbetont geschnitten, aber es muss nicht zwingend irgendwo geschnürt werden. Wolle ist doch dehnbarer als man denkt. Ich habe mir ein Spämikleid genäht, das auch ohne Knöpfe oder Schnürung auskommt. Ok man muss sich "reinschiessen" :D Luft anhalten und langsam reinfummeln :D das klappt wirklich. Der Halsausschnitt ist meiner Meinung nach nicht so eng wie er dargestellt wird. Ich kann mir vorstellen, dass hier die Borte auffallen soll. Die ggf. auch etwas dehnbarer ist, als ein normaler genähter Rundhalsausschnitt.
 
Vielen Dank für eure Tips und Kommentare. Also, gewebt kommt den Borten wohl am nächsten. Einen figurnahen Schnitt mit Geren, die bis unter die Achseln reichen, habe ich auch schon ausprobiert, da kommt man gut rein. Nur habe ich einen kleinen Schlitz vorne im Halsausschnitt gearbeitet. Für Belege von Verschlussvarianten aus dem Zeitraum bin ich nach wie vor dankbar. Danke Lisabeth für den Photolink!
 
Es könnte aber auch gestickt sein, ein gewebtes Trägermaterial, in Teilen oder ganzflächig bestickt entweder direkt bestickt oder appliziert. z. B. wurden Seidengewebe nochmal in ihrer Wertigkeit durch Bestickung mit Goldfäden und Perlen erhöht. Die Aussage habe ich bei Uta Christine Bergemann: Europäische Stickereien 1250 - 1650 gefunden. LG Therese
 
Für das Besticken von Borten gibt es ja auch erhaltene Textilien. z. B. die Borte aus aus dem Grab Kaiserin Constanzes von Aragon. Die ist auch überall mit Perlen und Emaille-Plättchen bestickt. Eine Hammer-Arbeit!!! Wenn ich mir das Bild so anschaue, erinnern mich die Borten an den engeren Oberarmen irgendwie sehr stark an die Abbildungen an der Markusbasilika in Venedig, nur sehen diese ein wenig weiter aus: http://perfectioconversationis.word...osaico-1270-ca-venezia-basilica-di-san-marco/ Außerdem gibt es so eine Gemme aus dem Italien in der Zeit Friedrichs II im katalog "Die Staufer und Italien", worauf auch eine junge Frau abgebildet ist. (leider weiß ich noch nicht, wie ich das Bild hochkrieg ;-() Das Kleid ist eventuell auch mit dem in der Carmina Burana vergleichbar. Jedenfalls ist es ab der Hüfte auch eher "anschmiegsam". Besonders der Verschluss ist hier interessant, da er vorne aus drei Knöpfen besteht. ich hoffe ich konnte Dir weiterhelfen ;-) vlg Sarah
 
Ja, vielen Dank. Das Mosaik ist ja interessant. Die Frauenärmel mit den Borten am Oberarm sitzen aber schon eng, finde ich, also sehr vergleichbar mit "meinem" Bild. Und 1270 Ist ja nicht so weit entfernt, zumal man in Italien ja der deutschen Zeit etwas voraus war. Die Carmina Burana Handschrift stammt allerdings aus Kärnten...
 
Stimmt, Laurentia, jetzt weiß ich auch wieso mir das Bild, obwohl es nicht meine Zeit ist so bekannt vorkam. Unter dem Aspekt gesehen hatte ich wirklich nicht genug Zeit in Venedig *grummel* Ich finde so eng sieht der Halsausschnitt gar nicht aus, die Schultern sind im Vergleich zum Kopf so schmal, daß ich mir vorstellen könnte, daß der Künstler hier wirklich nur die zarte Gestalt darstellen wollte und das Kleid einfach nur etwas enger geschnitten ist. Bei manchen Kleidern von Wikifrauen sieht der Schnitt getragen auch sehr tailliert aus, obwohl das nur von der Figur der Frau herrührt und bei ihr der Stoff eben so fällt. Was das links unter ihrem Arm ist kann ich beim Besten willen nicht erkennen, wenn es eine Schnürung sein soll finde ich diese im Vergleich zu den Borten sehr grob dargestellt.
 
Da ich jetzt mein Kleid zuschneiden will, habe ich das Bild nochmal sehr genau studiert. Da die Borten um Ärmel und Halsausschnitt ziemlich eindeutig ein Muster mit Punkten/Kreisen aufweisen und der Gürtel eine gezackte Linie, denke ich, dass erstere gestickt und der Gürtel gewebt sind. Kann das sein?
 
Warum nicht. Aus dem 13. Jahrhundert sind eine Menge gewebter Schmalwaren erhalten (jedenfalls im Vergleich mit dem 12. ;) ), ein gewebter Gürtel ist daher durchaus wahrscheinlich. Allerdings weiß ich nicht, inwieweit gestickte Borten im 13. Jh. noch en vogue waren. Daher würde ich auch nicht zu viel in die Musterung hinein interpretieren. Die Bildaussage kann genauso lauten: Kann sich kostbare (weil gemusterte) Borten leisten. Dann ist es unerheblich, ob gestickt oder gewebt. Wenn also gestickte Borten seltener sind, würde ich auch bei den Besätzen auf gewebte zurückgreifen. Das links unter dem Arm würde ich als Locken ansehen, die der Dame über den Rücken fallen. Was ich nicht verstehe ist, weshalb ihr offenbar alle der Meinung seid, das Kleid habe nur die dargestellte enge Halsöffnung ohne Verschluss. Es ist zwar kein Verschluss dargestellt, aber das ist m. E. kein Grund anzunehmen, dass es keinen gab. Ich bin nicht sicher, inwieweit Haken schon gebräuchlich waren, aber (Stoff-)Knöpfe und Nesteln waren schon im 12. Jahrhundert üblich, um einen halsnahen Sitz der Kleidung zu erziehlen. Weshalb sollte das im 13. plötzlich in Vergessenheit geraten sein?
 
Ein bisschen verwirrt bin ich nun, weil du meinst, es gäbe viele Belege für gewebte Borten im 13. Jh. Ich dachte gehört zu haben, dass sie da nicht mehr so gebräuchlich waren und die Kleidung eher schlichter. Aber umso besser, wenn die Verwendung von Brettchenborten um 1230 noch passt. Für den Verschluss hatte ich mich nun für Nestellöcher auf der linken Schulter entschieden.
 
Borte muss nicht Brettchenborte sein. Im klerikalen Bereich sind z.B. Samitborten wie die Kölner Borten weit verbreitet. LG Therese
 

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