Grad noch München, aber nicht mehr lang

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Moin Moin! *wie gut das wir immer auf den Märkten unsere Mobili-Wiki-Dusche dabei haben :)" Brokkr , der auf den VA´s immer nach blümchen riecht :)
 
@Perchta: Daß mit der riskanten Geburt ist ein echtes Argument. Dinzu kommt die hohe Kindersterblichkeit, die Tuberkulose, die Pest. Der medizinische Fortschritt hat auch bei mir durchaus Kredit. Freilich darf man nicht übersehen, daß der mittelalterliche Mensch tief gläubig war. Der besaß der Tod nicht den Stellenwert von heute. Ungleich wesentlicher war das Seelenheil. Mit diesem Hintergrund wird die Medizin sekundär. Die anderen Argumente überzeugen mich nicht. Zwangsverheirat mit 15: Heute finden sehr viele Menschen gar keinen Partner, und dies wird zum Geschäft einer ganzen Branche. Ein Großteil der Partnerschaften geht in die Brüche. Warum geht man immer davon aus, den Eltern und Verwandte aussuchen, schlechter sei als jener, der mit irrationalen Empfindungen und unterm Gruppendruck der aktuellen Mode ausgewählt wird? Ist es nicht unstrittig, daß junge Leute ein bescheidenes Urteilsvermögen haben und wenig Sinn dafür, worauf es im späteren Leben ankommt? Warum unterstellt man den Eltern, daß sie die Tochter mit einem Schreckgespenst quälen wollen? Ist es nicht gut, wenn Gut und Handwerk der Familie bewahrt werden und nicht in die Hände einer Heuschrecke fallen? Natürlich Analphabet: Wieso? Auf dem Lande bei der Feldarbeit wurde kein Lesen gebraucht. Es gab genügend fahrende Sänger und Geschichtenerzähler, die plastischer schilderten als der moderne Roman. Wenn man lesen wollte, also sich intensiv mit dem Geist und dem Wissen beschäftigen wollte, ging man in ein Kloster. Das war eben nicht eine Welt mit von allem ein bißchen und von allem nichts rechtes, sondern von entweder oder. Im Kloster brauchte man sich um seinen Lebensunterhalt und die Altersvorsorge nicht kümmern, so eine geistige Freiheit gibt es heute gar nicht mehr. Reisen aus dem Dorf: Es stimmt nicht, daß man nicht reisen könnte. Viele pilgerten nach Rom oder gar nach Jerusalem. Das Reisen war natürlich kein Neckermann, dafür prallvoll mit Erlebnissen. Und das nicht erst am Ziel. Wenn man das Dorf verließ, trat man in eine unbekannte Welt voller Abenteuer und Gefahren. Wer reiste, mußte mutig sein. Aber wer heute nicht mutig ist, hat vom Reisen auch nichts als deutsches Bier und die Bild-Zeitung am Strand von Mallorca. Die Überwachung der Dorfgemeinschaft: Warum erscheint es als Schreckgespenst, wenn man den Nachbarn nicht anonym und gleichgültig ist. Wieso das Voruteil, die meisten seien boshaft und wollten einen nur schikanieren. Kann das Leben in größerer Gemeinschaft nicht sehr hilfreich sein? Dagegen die moderne Überwachung. Im Mittelalter gab es kein Betäubungsmittelgesetz z.B. Mit Vieh schlafen: Mit dem Vieh im Stall schliefen die Knechte. Das war die unterste soziale Kategorie. Dies sind heute die Penner. Und wenn ich die in der Stadt auf den Heizungsschächten sehe, meine ich doch, daß der Stall unendlich humaner war. Daß die ganze Familie in einem Raum schlief, war eigentlich Brauch in den übervölkerten Städten der beginnenden Industrialisierung, im Mittelalter gab es keine Raumnot, wenn die Bevölkerung relativ konstant blieb. Wieso meinst Du überhaupt, daß notwendig sozial ganz unten gestanden hättest? Auch im Mittelalter kam es darauf an, aus seinem Leben etwas zu machen. Damals war die Welt noch groß, und also voller Möglichkeiten. Ehemann schlagen: Wieso glaubst du, daß die Frauen im Mittelalter so dämlich waren, daß sie sich alles gefallen ließen? Eine kluge Frau braucht keinen Staat und kein Gesetz, das sie beschützt. Gerade im Mittelalter war der Mann total auf die Frau angewiesen, den der Haushalt war kein Staubsauger, sondern eine hohe Kunst. Die Frau besorgte den Herd, braute das Bier, nähte die Kleidung - wenn das keine Machtpostition war? Minnespiel lesen: Das ist nett. Hoffentlich gefällts. *zurückzwinker*
 
Original von Uwe-Lammla Der besaß der Tod nicht den Stellenwert von heute. Ungleich wesentlicher war das Seelenheil. Mit diesem Hintergrund wird die Medizin sekundär.
:rolleyes: Ja, ich nehme an, damals ist man mit Feuereifer und beiden Beinen voraus freiwillig in die Grube gesprungen und hat jeden Abend eine Kerbe in den Bettpfosten geschnitzt nach dem Motto "Gott sei Dank, wieder ein Tag näher am Sterben..." Tut mir leid, wenn ich mir ansehe, wie verzweifelt die Leute sich mit Amuletten und Reliquien zum Schutz gegen alles Mögliche behängt haben, glaube ich nicht wirklich daran, daß sie sonderlich viel lieber gestorben sind als heute. Vielleicht bewußter, aber nicht lieber. Abgesehen davon: Georg hat ja mich nach meiner Meinung gefragt. Nicht die Person, die ich vielleicht geworden wäre, wäre ich im Jahr 760 zur Welt gekommen... ;) Zum Thema Ehe: Ich stimme dir zu, daß die Chancen, daß andere Leute für mich "den Richtigen" aussuchen ungefähr genauso hoch sind wie die, daß ich selber zufällig "den Richtigen" erwische. Und die Chancen, daß die Ehe auf Dauer glücklich ist, vermutlich auch. Aber was, wenn ich gar keinen Ehemann haben will? Und aber auch nicht ins Kloster gehen? Das Leben im Kloster wiederum ist in erster Linie von strengen Regeln geprägt. Daß man sich um seinen Lebensunterhalt nicht kümmern mußte, glaube ich auch nicht - die Aufgaben waren im Gegenteil exakt verteilt. Inwieweit dabei überhaupt allen Nonnen die eigenständige Beschäftigung mit Büchern gestattet war, weiß ich nicht. Ich gehe aber davon aus, daß dazu zumindest die Erlaubnis der Oberin notwendig war.
Wieso meinst Du überhaupt, daß notwendig sozial ganz unten gestanden hättest?
Wahrscheinlichkeitsrechnung :D. Etwa 80% der mittelalterlichen Bevölkerung dürfte in der Landwirtschaft beschäftigt gewesen sein (im Frühmittelalter wohl etwas mehr, im Spätmittelalter weniger). Davon wiederum waren geschätzte 90% unfrei. Die Chance, daß ausgerechnet ich nicht aus diesem Bevölkerungsteil stammen sollte, wäre also nicht sonderlich viel größer als die, heutzutage als Neureichen- oder Prominententöchterchen zur Welt zu kommen. Wie oft im Jahr bekam ein Bauer in Dorf Hinter-Unter-Tupfing wohl einen fahrenden Sänger zu sehen? Durften Unfreie reisen? Zum Thema Dorfgemeinschaft: Öhm. Ich bin in einem Dorf groß geworden. Persönliches Trauma, schätze ich. :D
Auch im Mittelalter kam es darauf an, aus seinem Leben etwas zu machen. Damals war die Welt noch groß, und also voller Möglichkeiten.
Und welche Möglichkeiten hätte konkret die 15jährige Tochter eines unfreien Bauern gehabt? Heiraten oder Kloster. Punkt. Zum Thema schlagende Ehemänner: Tatsache ist nun mal, heute kann ich deswegen zur Polizei gehen. Damals? Und als Beispiel, inwieweit es leicht jähzornige Ehemänner im Mittelalter gab und was die Ehefrauen konkret diesbezüglich tun konnten, fällt mir gerade die Geschichte von Ludwig II ein (Herzog, 1229-1294, nicht zu verwechseln mit dem "gspinnerten Luggi", dem späteren König gleichen Namens). Siehe Wikipedia: Maria von Brabant Das Minnespiel war sehr erheiternd ^^. Jeder, der die Frechheit besitzt, in einer Szene mit höfischer Werbung ein Verspaar wie "Reime/Haferschleime" unterzubringen, hat bei mir auf jeden Fall einen Stein im Brett.
 
Frage zurück: Welche Möglichkeiten hat heute der Jugendliche in Vorpommern, der keine Lehrstelle und keine Frau kriegt? In den Westen gehen? Ich will das Mittelalter nicht idealisieren und niemanden zwingen, darauf scharf zu sein. Fest steht aber: die Moderne verlästert frühere Epochen und richtet den Blick bewußt auf Negativbeispiele, um von ihren eigenen Gebrechen abzulenken. Das haben andere Zeiten nicht nötig gehabt. Auch das Mittelalter hat sich niemals mit den Schrecken der Völkerwanderung legitimiert. Das Leben ist nie einfach. Wenn man jedoch meint, Negatives überwiege, sollte man sich klar machen, was wirklich zählt. Daß Gott jeden Tag die Sonne aufgehen läßt, daß auf dem Acker etwas Eßbares wächst, daß es menschliche Güte gibt. Zum Reden bei Hofe: Natürlich ist das Stück kein Versuch dazustellen, wie damals wirklich bei Hofe gesprochen wurde. Es handelt wie jedes Theaterstück mit Anleihen aus der Wirklichkeit im Raum der Kunst und es ist ein - Spiel!
 
?( Vielleicht hast du meine obige Aussage mißverstanden, Uwe. Ich wollte mit keiner Silbe andeuten, eine Epoche wäre per se besser oder schlechter als eine andere. Aber wie gesagt: Georgs Frage war an mich gerichtet. Und ich (also, das Ich, das im Moment vor dem PC sitzt und im Zwei-Finger-Suchsystem auf die Tastatur einhackt) bin nun einmal ein Wesen des 20ten und 21ten Jahrhunderts, an die Verhältnisse dieser Zeit gewöhnt und wäre mit den Verhältnissen im Mittelalter unter Garantie nicht glücklich geworden. Wäre ich im Mittelalter geboren und aufgewachsen, wäre diese Diskussion natürlich müßig. Und das alles sagt insgesamt überhaupt nichts aus über die grundsätzlichen Möglichkeiten eines Menschen des Mittelalters, glücklich zu werden. Zu so einer (philosophischen) Diskussion fühle ich mich, wenn ich ehrlich bin, auch intellektuell gar nicht in der Lage ^^. Inwieweit die Moderne frühere Epochen "verlästert", verstehe ich allerdings nicht. Ich kann doch nicht die Schattenseiten einer Zeit (Hungersnöte, keine Zentralheizung, Flöhe ^^) außen vor lassen, wenn ich mich mit einer Zeit beschäftige? Ich gebe zu, daß es falsch ist, das Mittelalter nur schwarz zu malen. Aber wo es nun einmal (aus heutiger Sicht - und meine Sicht ist immer die einer Person von heute) dunkel ist, kann ich das nachträglich auch nicht mehr ändern.
 
Man schaue sich mal einen Film wie den nach Umberto Ecos "Im Namen der Rose" an (das Buch ist auch nicht besser), da sind alle Klischees versammelt. Eine wüste unaufgeklärte Horde, Inquisitoren, die nach Hexenverbrennungen gieren etc. etc. So etwas meine ich, wenn ich von Verlästerung spreche, nicht irgendwelche Zweifel, ob das für einen das richtige wäre. Übrigens wird keine Epoche wiederkommen, und lernen vom Mittelalter heißt auch nicht, alles vergessen, was zwischenzeitlich erkannt wurde.
 
Ja. Allerdings ist das ja auch ein Roman. Ergo, ein fiktionales Werk, keine wissenschaftliche Abhandlung. Eco wollte eine Geschichte erzählen und hat sich das Klischee des "düsteren Mittelalters" als farblich passenden Hintergrund gewählt, nicht anders als du die Geschichte um Iwein für dein "Minnespiel". Theoretisch hätte er die Geschichte natürlich auch im Bremerhaven des Jahres 2384 spielen lassen können oder in Utopia. Und gerade fiktionale Werke tendieren seit jeher dazu, mit der Geschichte eher großzügig umzugehen (im Positiven wie im Negativen), das ist bestimmt keine Erfindung der Moderne. Ich denke, die Wissenschaft bemüht sich wirklich, dem Mittelalter gerecht zu werden und, so weit das notwendig ist, Ehrenrettung zu betreiben. Nur die Fakten kann man halt einmal nicht ändern. Aber wenn ich dieselbe Sorgfalt auch von belletristischen Werken erwarten müßte, dann hätten mir viele viele Bücher weit weniger Vergnügen bereitet als sie es beim Lesen getan haben. Auch dein Minnespiel ^^.
 

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