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Welfin
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Die sittliche Beurteilung der Homosexualität bei den Kirchenvätern Die sittliche Bewertung der Homosexualität verbindet in Weiterführung von Röm 1,26 f das von der Stoa entwickelte Naturrechtsparadigma mit einer schöpfungstheologischen Sicht: „Schöpfungsgemäßes Handeln be deutet secundum naturam vivere. Homosexuelles Handeln ist ein Han deln contra naturam.“ Justin verurteilt Homosexualität als spezifisch heidnisches Laster.Bei Lac tantius gilt homosexuelles Tun als besonders schwere Sünde und als Erfin dung des Teufels. Cyprian von Karthago verurteilt die homosexuelle Praxis entschieden. Er hält aber im Gegensatz zu Tertullians Rigorismus keine Sünde für unver gebbar, auch nicht die homosexuelle Abirrung. Bisweilen findet sich bei Apologeten und Kirchenvätern auch der „Re flex zutiefst sexualitätsfeindlicher Zeitströmungen“. So ansatzweise auch bei Clemens von Alexandrien, der die Lust als legitimen Aspekt der Sexualität auszuklammern scheint und „jede Form der Ge schlechtslust, die nicht ihrem einzigen Zweck, der Zeugung, diente, ka tegorisch“ ablehnt. Bezüg lich der homosexuellen Akte urteilt er: „Des halb ist es für uns ohne jeden Zweifel klar, dass man die Unzucht mit Männern und die unfruchtbaren Begattungen und die Päderastie und die von Natur unmöglichen Verbin dungen der Androgynen vermeiden muss, gehorsam der Natur, die selbst solches durch den Bau der Glieder verbietet, indem sie dem männlichen Geschlecht die Manneskraft ver liehen hat, nicht dass es den Samen in sich aufnehme, sondern dass es ihn von sich ergieße.“ Die Synode von Elvira (305) verbot die Rekonziliation von Knaben schän dern selbst in der Todesstunde; dagegen wandte sich das Konzil von Ni cäa (325).Die Novellen Nr. 77 und 141 des christlichen Kaisers Justinian aus den Jahren 538 bzw. 559 befassen sich mit homosexuellen Vergehen, die aufs schärfste verurteilt werden. Unter anderem heißt es: „Denn wegen solcher Vergehen entstehen Hungersnot, Erdbeben und Pest, und darum ermahnen wir sie, sich der angegebenen unerlaubten Handlungen zu ent halten, damit sie nicht ihr Seelenheil verlieren.“ Von einer solchen pau scha len Feststellung aus, die Justinian in der alt testamentlichen So dom erzählung begründet wissen will, war es nicht weit dazu, Sünden böcke für Naturkatastrophen gerade bei praktizie renden Homosexuellen zu finden – ein Beispiel für ungerechte Diskri minierung und Verdächti gung, die Homo sexuellen oft widerfahren ist. Am umfassendsten wandte sich Johannes Chrysostomos gegen die Homo sexualität bei den Heiden, aber auch unter Christen. In seinem Römer brief kommentar meint er: „Es gibt nichts, was schlimmer wäre als dieser Frevel.“ Als Hauptgrund für die sittliche Verwerflichkeit nennt er die krasse Widernatürlichkeit der Homosexualität. Und er fragt: „Welche Höl len strafen werden groß genug sein für solche Men schen?“ Die unmittel bare Strafe liegt nach seinen Worten bereits in der Sünde selbst, in der Abkehr von der rechten Ordnung, die den Sündern in ihrer Verblen dung oft gar nicht mehr bewußt ist. Augustinus betont, „dass Männer beim Geschlechtsverkehr die Rolle des Weibes spielen, ist nicht naturgemäß, sondern widernatürlich.“ Und er ta delt jene, die im Namen der heidnischen Götter „diese Seuche, dies Verbre chen, diese Schmach“ sogar „in jenem Kult gewerbsmäßig“ betreiben. Dieser kurze Überblick zeigt: Es gab bei den Kirchenvätern und kirch lichen Schriftstellern gerade in Bezug auf die sittliche Wertung der Homosexua lität zeitbedingte Elemente und leider auch echte Diskriminie rungen von ho mosexuellen Menschen. Unbeschadet aller diesbezüg lichen Trübungen und Verzerrungen hielt sich in der Kirche die von der Offenbarung vorge gebene Grundlinie durch: Homosexuelles Verhalten ist Ausdruck des Ab falls von Gott und gegen die Schöpfungsordnung gerichtet. Daher ist es in schwerer Weise ein Verstoß gegen das Gebot Gottes und für einen Christen auf jeden Fall zu meiden. Die sittliche Beurteilung der Homosexualität in Kirche und Theologie des Mittelalters In den mittelalterlichen Bußbüchern wurde homosexuelles Tun unter die schuldhaften sexuellen Verfehlungen gerechnet. Extreme Anschau ungen – die keineswegs den kirchlichen und theologischen „mainstream“ reprä sentieren – qualifizierten bereits die ungeordnete Lust als solche als sünd haft. In dieser Linie gab es keinen Raum für eine adäquate Unterscheidung von homosexueller Neigung und homose xuellem Tun. „In den früh- und hochmittelalterlichen Bußbüchern wird die Homose xua lität ohne besondere Hervorhebung im Rahmen der sonstigen Se xualde likte mit verschiedenen Kirchenstrafen belegt. Theologen aus der Zeit des ‚Reformpapsttums’ fordern eine schärfere Strafpraxis (Petrus Damiani).“ Dieser Theologe hat in seinem um 1049 verfaßten „Liber Gomorrhianus“ die homosexuelle Betätigung auf schärfste verurteilt. Im Hintergrund stan den konkrete Vorkommnisse auch innerhalb des Klerus, gegen die sich Petrus Damiani wenden musste. Homosexualität sah er als Bedrohung nicht nur für die Kirche, sondern auch für die Ge sellschaft. Die „von Petrus geprägten Metaphern (Krebsgeschwür, Gift, Virus)“ übten „großen Einfluß auf die Perhorreszierung der Gleichge schlechtlichkeit im gesamten Mittel alter“ aus. Im 3. Laterankonzil (1179) wurde angeordnet, als homosexuell über führte Kleriker zu degradieren sowie Laien aus der Kirchengemein schaft auszu schließen. Nach Thomas von Aquin zählt Homosexualität zu den widernatürlichen Un zuchtssünden („vitium contra naturam“). Er nimmt eine zweifache Eintei lung der Unzuchtssünden („luxuria“) vor: Es gibt solche, die der rechten Vernunft („ratio recta“) entgegenstehen, und es gibt andere, die darüber hinaus auch noch direkt „gegen die natürliche Ordnung des se xuellen Ak tes“ gerichtet sind, wie sie dem Menschen entspricht. Zu diesem „vitium contra naturam“ zählt er dann wiederum vier Gruppen: Jemand sucht „ohne sexuelle Vereinigung um der Lust wil len“ den Or gasmus (= Selbstbefriedigung); jemand bedient sich einer „Sache nicht der selben Art“ für den geschlechtlichen Vollzug (= Bestia lität); jemand voll zieht den „Beischlaf mit dem nicht gebührenden Ge schlecht“ (= Homose xualität); jemand beachtet „nicht die natürliche Art und Weise des Bei schlafs“, entweder in Hinsicht auf ein „ungebühr liches Mittel“ oder im Hinblick auf „andere scheußliche und bestialische Weisen des sexuellen Vollzugs“ (z.B. Anal- und Oralverkehr).[50] Der Aquinate fragt nach der objektiven Schwere der Sünden gegen die Natur, zu denen die schon erwähnten vier Gruppen zählen. Seine Auf fas sung ist, dass diese Sünden innerhalb der Unzuchtssünden von der Sache her die schwersten sind, da der Mensch dabei das übertritt, „was gemäß der Natur bezüglich des geschlechtlichen Vollzugs festgelegt ist“ („quod est secundum naturam determinatum circa usum venereo rum“). Eine Aus sage über die Schwere der Schuld im Einzelfall macht er dabei nicht, da für Thomas von Aquin feststeht, dass zur subjektiven Anrechenbarkeit einer Schuld als schwer die bewusste und freiwillige Zustimmung zur Übertretung des Gebotes Gottes in einer wichtigen Sa che gegeben sein müssen. Über die generelle Entwicklung urteilt Hergemöller: In der theologi schen und kirchenrechtlichen Diskussion des späten Mittelalters könne „ein Trend zur Aufwertung der ‚sodomitischen Sünde’ als schlimmste aller Unzuchtssünden, ja als die größte aller Verfehlungen überhaupt, beobach tet werden. Sodomie wird seit dem 13. Jahrhundert als Angriff auf die von Gott geschaffene Naturordnung, auf die Heiligkeit des Ehe bandes und auf die Grundlagen von Staat und Gesellschaft unter An drohung der Höchst strafe verfolgt“. Im weltlichen Bereich erfolgte in (straf-)rechtlicher Hinsicht eine Krimi nali sierung der Homosexualität. Als Beispiel dafür kann die Peinliche Ge richtsordnung von 1532 genannt werden, die jenen die Verbrennung an drohte, die gleichgeschlechtliche Unzucht trieben (Art. 116). „Insge samt er gibt sich der Eindruck, dass Verstümmelungs-, Ehren-, Geld- und Exil strafen (insbesondere für Minderjährige und passive Partner) häufiger ver hängt wurden als Todesurteile. In Venedig wurden z.B. im 15. Jh. ca. 70 öffentliche Hinrichtungen vollzogen (meist Feuertod bzw. Enthauptung mit anschließender Verbrennung). Die Todesstrafe für Frauen wegen ana loger Delikte konnte für die Zeit des Mittelalters bis lang nicht nachgewie sen werden.“ Quelle:http://www.stjosef.at/dokumente/kirche_und_homosexualitaet_moralhistorisch.htm