Hosen (nicht Beinlinge) in Münster/Münsterland--seit wann gibt es sie?

This site may earn a commission from merchant affiliate links, including eBay, Amazon, and others.

Pit der Schreiber

Well-known member
Registriert
31. Jan. 2010
Beiträge
1.437
Reaktionspunkte
325
Ort
48147 Münster
Hallo Leute, ich spiele mit dem Gedanken an der Darstellung eines Kaufmannes aus Münster um 1200/1250. Nun waren bekanntlich Brouche und Beinlinge usus. Ab wann kamen Hosen, die den heutigen mehr oder weniger ähnlich sahen (also zumindest aus zwei miteinander verbundenen Beinlingen) auf? Nun lag Münster,das als Stadt immer mehr an Bedeutung gewann,einerseits an der Salzstrasse gen Norden,andererseits am Hellweg,so dass ich mir denken kann -- aber derzeit (noch?) keine Belege nennen kann --,dass auf Grund dieser Handels(fern)beziehungen auch der eine oder andere Trend mit nach Münster gebracht wurde,zumindest beim einen oder anderen Kaufmann/Händler. Kann mir da vieleicht jemand hier mehr sagen? Pit,der Schreiber
 
Verallgemeinernd und grob, ja womöglich falsch gesagt: Die hohen Beinlinge (mittelhochdeutsche Bezeichnung für Beinlinge ist im Übrigen hosen) des 14. Jh. verbinden sich im 15. Jh. zu einer Art Hose, die aber durch die Nestelbefestigung am Wams, den engen Sitz und den Schamlatz immer noch nicht das sein wird, was Du beim Thema "Hose" im Kopf hast. Diese aus den Beinlingen entwickelte Hose ist für fast ein Jahrhundert eine komplett andere Entwicklung, als die evtl. aus fremden Regionen bekannten Hosenformen. Sie entwickelte sich genuin aus den Beinlingen und kann deswegen schlecht durch Import vorweggenommen werden. Natürlich kann man nichts mit absoluter Sicherheit sagen. Man kann keinen Ausschlussbeweis zur Existenz einer historischen Kleidung führen. Mir selbst ist kein Beleg für etwas anderes als Bruchen und Bruchen mit Beinlingen zwischen dem 13. und 15. Jh. bekannt. Längere Bruchenvarianten kenne ich nur von arbeitenden/ringenden/sonstwie nicht sehr kaufmannesken Personen. Natürlich könnte über Handelswege orientalische oder osteuropäische Hosenmode bekannt gewesen sein. Mit ziemlicher Sicherheit werden Fernhändler auf ihren Reisen auch lokale Kleidung getragen haben. Aber: Wir sprechen vom europäischen ausgehenden Hoch- und vor allem Spätmittelalter. Daheim im christlichen Reich in einer auf Außenwirkung und gesprochenes Wort aufbauenden Gesellschaft als Geschäftsmann heidnische Kleidung zu tragen... Du siehst das Problem, oder?
 
Wie Heidensohn schon schrieb: Die Verbindung der Beinlinge erfolgte im 15. Jh. aus einer europäischen Modelinie. Daher gibt es im beginnenden 13. Jh. keinen fremdländischen "Trend", den man ins Münsterland gebracht haben könnte. Dazu kommt noch die Frage, welche Trends denn überhaupt übernommen werden sollen? Die Mode vom christlichen Spanien bis Ungarn und von Italien bis Norwegen ist einheitlich: Brouch und Beinlinge. Auf arabischen Miniaturen der Zeit ist die Kleidung auch der Männer so lang, dass man lustige Spekulationen darüber anstellen kann, ob überhaupt etwas darunter getragen wurde, siehe dieses Bildchen auf einer Seite von eslam.de: www.eslam.de/begriffe/b/images/barquq.jpg. (Und wenn schon Schotten angeblich unten ohne rum laufen - , warum sollten die Hosen tragen? Die arabische Halbinsel ist deutlich wärmer, als die Highlands). Das Gleiche gilt auch für die spanischen Mauren, für deren Bekleidung das Spielebuch Alfons des Weisen ein paar schöne Beispiele bietet. Aber selbst wenn sie Hosen drunter getragen hätten: Ob ein münsteraner Kaufmann dann ausgerechnet das (an sich nicht sichtbare) darunter kopiert hätte? Soweit zu den großen "Kulturnationen". Ich will nicht ausschließen, dass es auf dem Balkan, im Ural oder entlang der baltischen Küste ein paar kleinere Stämme gab, die Hosen trugen. Aber die Wahrscheinlichkeit, dass ein christlicher Kaufmann in Münster deren Tracht trägt, halte ich für ebenso wahrscheinlich, wie dass ein moderner münsterländer Bänker im Sarong zur Arbeit erscheint (Fasching ausgenommen).
 
Aber selbst wenn sie Hosen drunter getragen hätten: Ob ein münsteraner Kaufmann dann ausgerechnet das (an sich nicht sichtbare) darunter kopiert hätte? Aber die Wahrscheinlichkeit, dass ein christlicher Kaufmann in Münster deren Tracht trägt, halte ich für ebenso wahrscheinlich, wie dass ein moderner münsterländer Bänker im Sarong zur Arbeit erscheint (Fasching ausgenommen).
So sehe ich es auch,denn Münster war zu der Zeit (um 1200) nicht nur eine aufstrebende Handelsstadt,sondern auch Bischofssitz und ich kann mir z.B. nicht denken,dass ein Kaufmann -womöglich noch auf dem Prinzipalmarkt (einen "Katzensprung" vom Dom entfernt) heidnische "Trends" kopiert hätte,wenn sie sichtbar gewesen wären. Und wenn der eine oder andere Zeitgenosse sagt,in Brouche und Beinlingen herumzulaufen sei alber und sähe albern aus,dann würde ich argumentieren,dass er mal überlegen solle,was man normalerweise davon sieht...richtig!;sehr wenig.
 
Münster gehört in den "sächsischen Kulturraum" oder wie man das nennen will .... Ob da jetzt ein Kaufmann, frei, mit entsprechendem Besitz, eine Ridderbrouche oder was anderes unterm Kittel trägt/trug kann man so nicht sagen. Sowas ähnliches hat Panzerreiter mal in nem anderen Thread geschrieben. Die allgemeine Lehrmeinung ist nein. Ich würde an der Stelle eben solch ein Möbel anziehen, weil bequemer, und eben den Knielangen Kittel (Cotta) drüberlassen. Und es keinem verraten, genau wie die Bilder der Zeit, die schweigen sich da ja auch weitestgehend aus
 
Dass Du wieder deine Privatmeinung haben würdest, auch wenn sie durch keinen Beleg (Textquelle, Abbildung etc.) gestützt ist, war irgendwie klar.
 
Für etwas, was es nicht gibt, jedenfalls keine Belege, kann man auch keine bringen, Eilika. Das Thema "Hose" ist hier ausführlich besprochen: Beleg (Fund) für Hose 760-810 Raum Onabrück plus 100 km Die Frage ist also nicht nur, ab wann es Hosen gab, sondern auch bis wann ... Panzerreiter hat hierzu etwas treffendes bemerkt: Fränkischer Meier zu Helmighausen bei Löningen Gesichert scheint der Gebrauch der Hose im Münsterland von der Römerzeit bist in die frühe Karolingerzeit und dann eben ab frühe Neuzeit. Dazwischen möchte ich denn aber für einen münsterländer freien Kaufmann den Beleg für Brouche und Beinling sehen. Ansonsten .... Cotta o.ä. drüber und Schweigen. Denn die Frage : Warum sollte er von der anscheinend vorherrschenden Mode abgewichen sein? Muß hier die Frage: "Warum sollte er auf sein sprichwörtliches Standeszeichen "Hose" verzichtet haben???" als Gegenfrage erlaubt sein.
 
Wilfried, vielleicht liest du mal _bevor_ du postest: Es geht hier weder um Stein-, noch um Bronze- oder Eisenzeit und auch nicht um Karolinger oder um die frühe Neuzeit, sondern um das späte Hochmittelalter. Und wenn Du meinst, da sei eine Hose "Standesabzeichen" gewesen - dann zeig uns eine aus der Zeit. Belege für Brouchen und Beinlinge tauchen in den von Dir erwähnten Threads (abgesehen von Deinen Beiträgen) reichlich auf, wenn auch nicht für Münster, denn doch für ganz Europa. Wenn du aber meinst, in Münster hätte es einen modischen Sonderweg gegeben, bist du in der Bringschuld für den Beweis einer Hose. Wenn du den nicht bringen kannst, wäre Schweigen in der Tat besser.
 
Bruche + Beinlinge. Etwas anderes ist da m.E. nicht drin. Man kann natürlich jetzt seitenweise Spekulationen anstellen, wird dann aber auf das selbe Ergebnis kommen. :D
 
Münster gehört in den "sächsischen Kulturraum" oder wie man das nennen will .... ... Ich würde an der Stelle eben solch ein Möbel anziehen, weil bequemer, und eben den Knielangen Kittel (Cotta) drüberlassen. Und es keinem verraten, ...
Klar,wenn ich eine knielange Cotta tragen sollte- und aus persönlichen Gründe würde ich es -,dann wäre es egal,was ich drunter trage,weil es niemand sieht,aber irgendwann würde ich noch mehr Wert auf "A" legen und dann...! Übrigens gehörte Münster zu der Zeit,als es Handels()stadt war,längst nicht mehr zum sächsischen "Reich".
 
Willfried, woher kommt denn jetzt die Erwähnung "sächsischen Kulturraum"? Was hat das mit dem Thema zu tun? In deinem eigenen Post gibst Du dazu zumindest keinen Grund, warum dieser Aspekt Relevanz hätte. Oder habe ich da einen Anschluss nicht verstanden? Zwischen der Eroberung durch KdG und der fraglichen Zeit liegen 400 Jahre. Das sind über 20 Generationen! In der Zeit sind sächsische Geschlechter zu den Königen und Kaisern des Reiches geworden und Sachsen das reichstragende Herzogtum schlechthin. Sicher, man hat niederdeutsch gesprochen, die Bauernhäuser anders gebaut und eigene Traditionen gepflegt, aber ähnliche Unterschiede gab es auch zwischen dem fränkischen und dem allemanischen, dem baierischen und dem lothringischen und erst recht den flandrischen und burgundischen Reichsteilen. Und trotzdem klappt es gut sie modisch im 12./13. Jh. grob über einen Kamm zu scheren. Und selbst danach ist die Frage eher eine, wo zuerst ein französischer oder italienischer Einfluss ankommt. Wenn keine gegenläufigen Belege auf dem Tisch liegen, dann behandele ich Sachsen zu dieser Zeit modisch genauso, wie die anderen Teile des Reichs. Und was sind Bruche und Beinlinge denn? Nichts anderes, als eine "altgermanische" Leinenhose, die etwas kürzer geworden ist, und "altgermanische" Wollsocken, die etwas länger geworden sind und nicht mehr mit so unpraktischen Wickeln gehalten werden müssen. Das ist eine modische Veränderung, aber kein Einführen neuer Kleidungsstücke, gegen das sich altsächsisch über mehrere Generationen zu verschließen Sinn machen würde.
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
sry, wir wissen nicht, was der Kaufmann unterm Kittel trug, wir nehmen an, es sei eine Brouche gewesen .... Er kann genausogut das Hemd erst von hinten nach vor und dann den vorderen Teil nach hinten geklappt getragen haben. Ohne Unterhose .... Das war im vorletzten Jahrhundert in Teilen der norddeutschen Tiefebene durchaus noch üblich ... Darüber dann den Vorläufer einer Breeches oder aber Beinlinge ... Das sah man damals nicht, und ich würds heute auch nicht zeigen. Natürlich kann man die Mode einer Zeit und Region durchaus extrapolieren, nur obs stimmt???? Ist im extrem wie schicke italienische Schuhe zuJeans, Norwegerpulli und Smoking heute ...Dadrunter Schießer Feinripp oder Boxershorts Sicher ist, an den Beinen enganliegende Beinbekleidung, keine sichtbaren Wadenwickel und eine Oberbekleidung, die die Unterkleidung verdeckt bis ~Knie. Auch sicher, und das war ja die eigentliche Frage, eine den modernen Hosen entsprechende Hose (Vorderteil an Hinterteil genäht) um die Zeit mit aller Wahrscheinlichkeit nicht ...
 
Sicher ist, an den Beinen enganliegende Beinbekleidung, keine sichtbaren Wadenwickel und eine Oberbekleidung, die die Unterkleidung verdeckt bis ~Knie. Auch sicher, ..., eine den modernen Hosen entsprechende Hose...um die Zeit mit aller Wahrscheinlichkeit nicht ...
Da stimme ich Dir angesichts der Quellenlage zu. :)
 
Kurz zur Erklärung meiner Zweifel: Warum gibts im selben Sprachraum( niederdeutsch) 2 verschiedene Ausdrücke für "Pobekleidung"? Fränkisch/niederländisch Brouche/Broek und niederdeutsch Hamburg/Küste /Schleswigholstein Buxe? beides übrigens Einzahl im Gegensatz zu allen anderen Bezeichnungen Wobei niemand weiß, wie die Buxe/Büx des hamburger Kaufmanns aussah !!!! (Schießer Feinripp oder Tanga???? für heute)
 
Dann stammt die Erwähnung des "sächsischen Kulturraum"s also aus der Erfahrung, dass es zwei Worte für Unterhose im heutigen Niedersachsen gibt? Das ist ein berechtigter Einwurf - der in dieser Form aus deinen vorherigen Posts nicht herauszulesen war. Die lasen sich eher nach einem unbegründeten "Vorsicht, in Sachsen ist alles anders!" Zweifel sind eine gute Sache. Ich habe mal versucht dem nachzugehen. Leider habe ich kein mittelniederdeutsches Wörterbuch zur Hand. Das passendste, was ich auf die Schnelle greifbar habe ist die Onlineausgabe des altsächsischen Wörtbuchs von Köbler (http://www.koeblergerhard.de/aswbhinw.html ). Nach einiger Suche bin ich dort auf kein zu Buxe/Buchse verwandtes Wort gestoßen. Dafür aber auf "brôk" (das Dächlein soll den Längenstrich symbolisieren) und "hosa". Ersteres wird als "Hose" übersetzt und ist mit "bruoch" verwandt. Besonders interessant ist die Bemerkung "ÜG.: lat. braca GlTr, feminalia GlP" das bedeutet, dass "brôk" in den Trierer und Sankt Peterer als Übersetzung für diese lateinischen Worte benutzt wird, die spätestens ab 1200 beide synonym am treffendsten mit "Bruche, leinerne weite Hose, meist in Kombination mit Beinlingen getragen" übersetzt werden können. Zweiteres wird als "Strumpf, Stiefel" übersetzt und ist mit "hose" verwandt (dem mhd. Wort, das heute mit "Beinling" übersetzt wird). In Vergilglossen wird "hosa" als Übersetzung sowohl für "calceamentum venatricium" (wörtlich: "Jagdschuhwerk"), als auch für "periscelides" (wörtlich: "Knieband") genutzt, also Begriffen, die eher auf den Unterschenkel/Fuß bezogen sind. Da die entsprechenden Glossen aus dem 10. Jh. stammen, schließe ich, dass der erhaltene schriftliche Wortschatz des Altsächsischen eine Kleidungsverwendung im "Hosenbereich" belegt, der den anderer deutschsprachiger Gegenden entspricht und sich hervorragend einpasst in die konstruierte Entwicklungslinie von einer frühmittelalterlichen langen Leinenhose mit höheren Wollsocken über klassisch-hochmittelalterliche Bruche-Beinlinge-Kombination zur Schamlatzhose der Spätmittelalters. Belege für eine alternative Hosenform/-mode lassen sich aus dem altsächsischen Wortschatz nicht ableiten. Der Begriff Buxe/Buchse scheint erst in späterer Zeit Eingang gefunden zu haben.
 

Neueste Beiträge

Oben