Dieses Sohlenmerkmal ist in "http://www.amazon.de/Stepping-Through-Time-Archaeological-Prehistoric/dp/9089320024" von Olaf Goubitz, Carol Van Driel-Murray und Willy Groenman-Van Waateringe beschrieben. Die Autoren sind (bzw waren, Herr Goubitz ist m.W. vor ein paar Jahren verstorben) Restauratoren und Archäologen, die als
die Spezialisten für europäische Schuhfunde gelten. Zur Karolingerzeit begann demnach eine neue Technik des Schuhbaus, bei dem eine separate Sohle aus stärkerem, separatem Leder benutzt wurde. Diese Technik lief danach noch lange weiter, man hat derartige Schuhe auch noch in weit späteren Jahrhunderten gefunden. Die Naht, welche Oberleder und Schuhe zusammenhält, liegt waagrecht im Inneren des Schuhs. Das tut sie bei allen wendegenähten Schuhen. Läge sie senkrecht, wäre der Schuh undicht. Wäre diese Naht am Rand der jeweiligen Lederstücke, läge sie zwar nicht nach außen frei (das ist ja der Sinn des Wendenähens) aber der Rand des Oberleders würde sich rasch abnutzen. Denn die Wölbung des Oberleders, welche den Schuh umfasst (das Sohlenleder ist zu steif, um sich jenseits der Auflagefläche dem Fuß bequem anzupassen) würde, speziell nachdem der Schuh nach einiger Tragzeit ordentlich eingelaufen ist, allzu oft den Boden berühren und somit rasch verschleißen. Das würde auch die Naht zerstören, nicht zuletzt, da das zerschlissene Oberleder sie nicht mehr halten könnte. Wie Hermann schon sagt:
Meine Wendeschuhe müssen eine Menge durchhalten, aber die Sohle bis zur Naht habe ich noch nicht durchgetreten. Eher läuft sich die Sohle durch. Was eigentlich auch nicht so schnell passiert.
Eben. Genau deshalb lässt man einen Streifen
Sohlenleder überstehen (Nach den Autoren 3-5 mm, Stefan von der Heyde und ich kamen zu dem Ergebnis, dass wohl eher 6-10mm nötig sind). Dieser wird geschärft, damit er sich der Wölbung des Randes der Auftrittsfläche anpassen kann. Womit wir beim nächsten Punkt wären: Man kann die Naht nicht einfach an den geschärften Rand des Sohlenleders verlegen, weil hier schlicht zu wenig Materialdicke da ist, um sie zu nähen und zu halten. Sie muss tatsächlich unten bleiben. (Das steht so nicht im Buch, sondern kommt vom Schuhmachermeister) Ein weiterer Punkt ist, in meinem speziellen Fall, dass in den noch relativ filigranen Steigbügeln der Karolingerzeit die Hauptbelastung auf den Schuh beim Reiten an eben dieser seitlichen Wölbung der Sohle liegt. Hier würde sich durch die ständige Bewegung schnell das Oberleder durchscheuern. Daher schien uns (Stefan und mir) diese seitliche Verstärkung für den Stiefel eines Reiters ebenfalls sinnvoll. Um also die rasch getippten Aussagen in meinen ersten Post etwas zu präziser zu formulieren: 1. Die Sohlenkonstruktion ist nicht exklusiv karolingisch, sie kommt in der Karolingerzeit auf. 2. Das Merkmal dient vermutlich in erster Linie dem Schutz des Oberleders und erst sekundär dem Schutz der eigentlichen Naht (Ich meinte im ersten Post eher "Verbindung"). Was aber an dieser Stelle mehr oder weniger auf's Gleiche rauskommt. Die Autoren sprechen explizit von "seam". Ich kann, nachdem meine Schuhe mittlerweile gut eingelaufen sind, das Argument mit der Wölbung des Oberleders bestätigen. Speziell im Gebiet um den Ballen und hier insbesondere um die kleine Zehe, wird des Oberleder auf Dauer ausgebeult und nach unten gedrückt. Man läuft etwa am Hang, es wirkt eine seitliche Belastung auf den Schuh, man drückt des Oberleder an dieser Seite etwas raus. So kommt das Oberleder bsiweilen mit dem Untergrund in mehr Berührung, als ihm gut tut. Durch den Sohlenüberstand ist nun trotzdem noch eine Schutzschicht darunter. Alle obigen Überlegungen sind aber, ob sie nun von Archäologen, Restauratoren, Schuhmachermeistern oder Hobbyisten kommen, nur theoretische Erklärungen und Überlegungen. Um tatsächlich die Intention der Altvorderen zu wissen, müssten wir einen karolingischen Schuster fragen, was aber leider aus biologischen Gründen nicht möglich ist.