Karolingisch-Fränkische Damenschuhe??

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Pip

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Ich weiß, ein typisches Frauenproblem: Schuhe :rolleyes:
Ich hab mal nach Schuhen gesucht, die in meine Darstellung passen würden (karolingisch-fränkisch, 800-850). War jedoch nicht so erfolgreich.Dann hab ich mal im "Drumherum" gesucht, also sowohl zeitlich als auch regional. In "primitve shoes" ist mir aufgefallen, dass eine Schuhform immer wieder auftaucht (mit kleineren Varianten, ungefähr so: http://io.ua/8521430p ) und sie auch die Naht am Oberfuß (sagt man das so?) enthält, die man auf manchen Abbildungen (wenn man danach sucht) findet. Ich hab mir daher überlegt, http://www.knieriem.net/product.php?id_product=164 zu verwenden, bin mir aber nicht sicher dabei (würde mir die Schuhe wahrscheinlich aber selber machen wollen).​
Was meint ihr dazu?​
 
Oder, wenn es feiner (reicher) sein soll, ein normaler frühmittelalterlicher Wendeschuh? Ich finde, was du gefunden hast aber gut...
 
Stefan (Meister Knieriem) macht auch exakt den Schuh, den du bei primitive shoes gefunden hast. Er bietet auch Seminare an. Meine holde Göttergattin hat sich unter seiner Anleitung exakt diesen Schuh gebaut. (auch wenn sie ihn nicht anzieht...) Sprich ihn einfach mal an.
 
Meine holde Göttergattin hat sich unter seiner Anleitung exakt diesen Schuh gebaut.
Aha. Das klingt, als gäbe es tatsächlich keine "bessere" Lösung (sprich: passendere Schuhfunde) und es leben noch mehr Leute mit diesem Kompromiss :) Aber warum zieht sie ihn nicht an?!? ;(
 
Kennst du den Wielenbach Fund? Ist ein karolingerzeitlicher Frauenschuh aus Bayern. Auch die Schuhe von Elisenhof werden ins 9. Jahrhundert datiert meine ich. Den Wielenbacher Schuh gibt es auch von Reenactment- Bedarf.
 
Hallo, Hannya! Danke, den Wielenbach-Schuh kannte ich noch nicht! Weißt du, ob es da Literatur dazu gibt (Fundbericht o.ä.)? Wenn das Foto bei Reenactment-Bedarf dem Original entspricht, unterscheidet der Schuh sich von meinen bisherigen "Favoriten" v.a. durch die extra angesetzte Sohle. Hm... Hab ich da nicht schon ähnliche Funge gesehen? Mal nachblättern...
 
Eine extra angesetzte Sohle ist ein typisch karolingisches Detail. Allerdings wurde diese Sohle wohl üblicherweise mit etwas Überstand genäht, damit man sozusagen eine Verschleißreserve hatte, bevor die Naht angegriffen wurde. (guggsu hier, musst allerdings genau hinsehen, da keine Detailaufnahme von der Sohle.) Dieses spezielle Detail kann ich bei den Reenactmentschuhen nicht erkennen, gehe aber davon aus, dass dieses spezielle Teil bei keinem kommerziell gefertigten Schuh zu sehen sein dürfte. Ist einfach zu unbekannt. Ich nehme, wenn ich es terminlich hinkriege, zu erscheinen, meine Schuhe mal auf das Forenteffen mit, dann kannst du die Sohlenmachart genau begutachten.
 
Hallo Pip, Reenactment Bedarf arbeitet sehr weit am Original. Dank deiner Frage und Hannyas Antwort habe ich jetzt ein Stichwort Wielenbach, um meine Karolinger Schuhe in Angriff zu nehmen. :danke
 
Vom Petersberg in Basel sind ca. 40 Schuhfunde aus dem 9. / 10. Jhr. bekannt ( Problem ist die Literatur zu bekommen, ist recht alt und schwer über Fernleihe zu bekommen). Die Schuhe gab es sowohl mit Naht an der Oberseite, aber es gab auch welche mit einer Seitennaht. Auch von den Stuttgarter Psalter Damenschuhen mit der ausgezogen Spitze gab es 2 im Fundgut.
 
Hallo, der Wielenbacher Schuh (datiert anfang 8.Jahrhundert) ist nicht mit angesetzter Sohle sondern vermutlich ein "echter" Wendschuh. Laut meinen Infos aus dem Staatsarchiv sind die Replikate mit aufgesetzter Sohle eine Interpretation des Schuhmachers.
 
Oha! Jetzt wird's vertrackt! Noch mal die Frage: Weiß jemand Literatur (Fundbericht o.ä.) zu diesem Wielenbacher Schuh?
Eine extra angesetzte Sohle ist ein typisch karolingisches Detail. Allerdings wurde diese Sohle wohl üblicherweise mit etwas Überstand genäht, damit man sozusagen eine Verschleißreserve hatte, bevor die Naht angegriffen wurde.
Woher bekommt man diese Info? Sprich: hast du auch dazu Literatur? (Ich will's halt ganz genau wissen :D ) Danke schon mal an alle, die ihr mich so fleißig mit Infos füttert!!
 
Also rein vom praktischen her ist das für mich nicht ganz logisch. Die Stellen mit dem größten Verschleiß sind unter den Hauptbelastungspunkten. D.h. Ferse, Außen- u. Innenballen. Die Nähte bei einem Wendeschuh sitzen knapp neben diesen Belastungspunkten. Wenn die Sohle übersteht wird dieser Überstand daher kaum angegriffen, der Abrieb beschränkt sich immer noch auf diese Punkte. Wieso als Reserve????
 
Das war auch meine Überlegung, Lycidas! Wenn ich einen "echten" Wemdeschuh habe, bei dem die Naht also nach innen gedreht wird, hat die Naht selbst ja keinen Kontakt zum Boden und wird daher nicht so leicht durchgescheuert - oder irre ich mich da?
 
Also auf unserern modernen Asphalt- und Kiesböden scheuert die Sohle doch verhältnismässig schnell bis zur Naht durch. Es sind ja doch nur wenige Millimeter bis zur Naht. Allerdings erschließt sich mir die Funktion der "Verschleißreserve" noch nicht ganz... ?( Ich lass mich gern belehren ^^
 
Meine Wendeschuhe müssen eine Menge durchhalten, aber die Sohle bis zur Naht habe ich noch nicht durchgetreten. Eher läuft sich die Sohle durch. Was eigentlich auch nicht so schnell passiert.
 
Hallo, der Wielenbacher Schuh (datiert anfang 8.Jahrhundert) ist nicht mit angesetzter Sohle sondern vermutlich ein "echter" Wendschuh. Laut meinen Infos aus dem Staatsarchiv sind die Replikate mit aufgesetzter Sohle eine Interpretation des Schuhmachers.
Hier n Foto: http://www.hdbg.de/frauen/fbc1-4.htm War ja ewig in der Daueraustellung der ArchSta München zu sehen. Wenn ich mich recht entsinne ist das braune Material der Rest des Lederschuhs, das helle Leder die Ergänzung. Für mich sieht die Sohle komplett hell also, komplett ergänzt aus. D.h. für mich Interpretationsache ob die Naht innen (Wendeschuh) oder aussen war. Also Vergleich mit zeitlich und regional nahen Exemplaren nötig um die möglichst "genaueste" Version zu kreieren.
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Also auf unserern modernen Asphalt- und Kiesböden scheuert die Sohle doch verhältnismässig schnell bis zur Naht durch. Es sind ja doch nur wenige Millimeter bis zur Naht.
Meine Wendeschuhe müssen eine Menge durchhalten, aber die Sohle bis zur Naht habe ich noch nicht durchgetreten. Eher läuft sich die Sohle durch. Was eigentlich auch nicht so schnell passiert.
Ich habe die Erfahrung gemacht, dass sich Lederschuhe ohne feste (moderne) Sohle auf Asphalt sehr schnell durchlaufen. Leider... :( Trotz aller Pflege. Und man kann ja auch nicht so gut immer den Asphalt meiden. Ich habe aber auch bisher immer nur Bundschuhe getragen. Aber da dürfte ja eigentlich kein Unterschied sein? Vielleicht lag es auch an dem verwendeten Leder... ?(
 
Dieses Sohlenmerkmal ist in "http://www.amazon.de/Stepping-Through-Time-Archaeological-Prehistoric/dp/9089320024" von Olaf Goubitz, Carol Van Driel-Murray und Willy Groenman-Van Waateringe beschrieben. Die Autoren sind (bzw waren, Herr Goubitz ist m.W. vor ein paar Jahren verstorben) Restauratoren und Archäologen, die als die Spezialisten für europäische Schuhfunde gelten. Zur Karolingerzeit begann demnach eine neue Technik des Schuhbaus, bei dem eine separate Sohle aus stärkerem, separatem Leder benutzt wurde. Diese Technik lief danach noch lange weiter, man hat derartige Schuhe auch noch in weit späteren Jahrhunderten gefunden. Die Naht, welche Oberleder und Schuhe zusammenhält, liegt waagrecht im Inneren des Schuhs. Das tut sie bei allen wendegenähten Schuhen. Läge sie senkrecht, wäre der Schuh undicht. Wäre diese Naht am Rand der jeweiligen Lederstücke, läge sie zwar nicht nach außen frei (das ist ja der Sinn des Wendenähens) aber der Rand des Oberleders würde sich rasch abnutzen. Denn die Wölbung des Oberleders, welche den Schuh umfasst (das Sohlenleder ist zu steif, um sich jenseits der Auflagefläche dem Fuß bequem anzupassen) würde, speziell nachdem der Schuh nach einiger Tragzeit ordentlich eingelaufen ist, allzu oft den Boden berühren und somit rasch verschleißen. Das würde auch die Naht zerstören, nicht zuletzt, da das zerschlissene Oberleder sie nicht mehr halten könnte. Wie Hermann schon sagt:
Meine Wendeschuhe müssen eine Menge durchhalten, aber die Sohle bis zur Naht habe ich noch nicht durchgetreten. Eher läuft sich die Sohle durch. Was eigentlich auch nicht so schnell passiert.
Eben. Genau deshalb lässt man einen Streifen Sohlenleder überstehen (Nach den Autoren 3-5 mm, Stefan von der Heyde und ich kamen zu dem Ergebnis, dass wohl eher 6-10mm nötig sind). Dieser wird geschärft, damit er sich der Wölbung des Randes der Auftrittsfläche anpassen kann. Womit wir beim nächsten Punkt wären: Man kann die Naht nicht einfach an den geschärften Rand des Sohlenleders verlegen, weil hier schlicht zu wenig Materialdicke da ist, um sie zu nähen und zu halten. Sie muss tatsächlich unten bleiben. (Das steht so nicht im Buch, sondern kommt vom Schuhmachermeister) Ein weiterer Punkt ist, in meinem speziellen Fall, dass in den noch relativ filigranen Steigbügeln der Karolingerzeit die Hauptbelastung auf den Schuh beim Reiten an eben dieser seitlichen Wölbung der Sohle liegt. Hier würde sich durch die ständige Bewegung schnell das Oberleder durchscheuern. Daher schien uns (Stefan und mir) diese seitliche Verstärkung für den Stiefel eines Reiters ebenfalls sinnvoll. Um also die rasch getippten Aussagen in meinen ersten Post etwas zu präziser zu formulieren: 1. Die Sohlenkonstruktion ist nicht exklusiv karolingisch, sie kommt in der Karolingerzeit auf. 2. Das Merkmal dient vermutlich in erster Linie dem Schutz des Oberleders und erst sekundär dem Schutz der eigentlichen Naht (Ich meinte im ersten Post eher "Verbindung"). Was aber an dieser Stelle mehr oder weniger auf's Gleiche rauskommt. Die Autoren sprechen explizit von "seam". Ich kann, nachdem meine Schuhe mittlerweile gut eingelaufen sind, das Argument mit der Wölbung des Oberleders bestätigen. Speziell im Gebiet um den Ballen und hier insbesondere um die kleine Zehe, wird des Oberleder auf Dauer ausgebeult und nach unten gedrückt. Man läuft etwa am Hang, es wirkt eine seitliche Belastung auf den Schuh, man drückt des Oberleder an dieser Seite etwas raus. So kommt das Oberleder bsiweilen mit dem Untergrund in mehr Berührung, als ihm gut tut. Durch den Sohlenüberstand ist nun trotzdem noch eine Schutzschicht darunter. Alle obigen Überlegungen sind aber, ob sie nun von Archäologen, Restauratoren, Schuhmachermeistern oder Hobbyisten kommen, nur theoretische Erklärungen und Überlegungen. Um tatsächlich die Intention der Altvorderen zu wissen, müssten wir einen karolingischen Schuster fragen, was aber leider aus biologischen Gründen nicht möglich ist.
 

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