OH MEIN GOTT! :schock1 Okay... Bitte vergiss alles, was du vom "finsteren Mittelalter" bisher so gehört hast. Bitte. BITTE bei Fakten bleiben, wenn man nichts genaues weiss, entweder zurückhalten, oder Spekulationen als solche kennzeichnen. Aber bitte schreibt nicht irgendwelche Klischee - Vorstellungen hin, als seien sie erwiesene Tatsachen. Tut mir leid, dass ich hier grad mal ein wenig deutlicher werde, aber genau so entstehen wissenschaftliche Mythen. Back to topic. Okay, erstmal zum verlorengegangenen Antiken Wissen und der Schuld der Katholischen Kirche daran. DAS Vorbild für jeden Artzt dieser Zeit war Galen, der grösste Artzt der Antike. Das Problem mit Galen war eher, dass er zu gut war. Man ging nicht davon aus, dass seinem Werk noch etwas hinzuzufügen sei, und hielt weitere Forschungen auf dem Gebiet der Medizin für überflüssig. Es ging kein Antikes wissen verloren, sondern man blieb, zumindest auf dem Gebiet der Medizin, erschreckend lange auf Antikem Niveau hängen, während man bei anderen Themen grosse Fortschritte machte. Als allerdings im 13. jhdt die Schriften das Avicenna ("der Fürst der Ärzte") nach Europa gelangten, wurden sie begierig aufgenommen, übersetzt und kopiert. In der Tat waren es die Klöster, die den Wissensschatz der Antike durch die Wirren der Völkerwanderung retteten. Viele stellen sich den Übergang von der Antike zum Mittelalter so vor, dass irgendwelche Fellbarbaren in das blühende Rom einfallen, wie es zu zeiten der grossen Cäsaren war, mächtig und auf dem höhepunkt seiner kulturellen, wirtschaftlichen, wissenschaftlichen und politischen Entwicklung, und ein Trümmerfeld hinterlassen. Tatsache ist: Das alte Rom hat es ganz gut fertiggebracht, sich selbst zugrunde zu richten. Als die germanischen Stämme den Limes überschritten gab es zumindest im Westteil des Reiches nicht mehr allzuviel zu zerstören. Antike Autoren waren im Mittelalter hochgeachtete Quellen, und die Frage, ob und wie man die Antike Philosophie mit dem Christlichen Glauben in Einklang bringen kann, beschäftigte die klügsten Köpfe ihrer Zeit, allen voran Albertus Magnus und Thomas von Aquin. (Im übrigen beides Dominikaner-Mönche, Angehörige des Ordens, der 200 Jahre nach ihnen als Hauptstütze der Inquisition vor allem in Spanien Terror verbreiten sollte. Ein krasses Zeichen dafür, wie sehr sich der Orden und die Kirchenpolitik als solche im Verlauf der Zeit geändert haben. Man kann es nicht oft genug sagen: Die Unterdrückung von Wissenschaft und Forschung durch die Katholische Kirche, ebenso wie die Hexenjagten sind Erscheinungen der Renaissance! Als durch Aufklärung und Reformation der Kirche die Felle schwimmen gingen, drehte sie durch. Im Hochmittelalter hingegen war ihre Macht über jeden Zweifel erhaben. Da konnte man es sich leisten, etwas entspannter an sowas heranzugehen. Ich weiss, Katholische Kirche Dooffinden ist heutzutage chic. Aber hier sollten wir doch eher bei den Tatsachen bleiben, oder? In der Alltäglichen Medizin hingegen spielten die gelehrten Doctores kaum eine Rolle. Sie kümmerten sich eher um eine Gesunde Lebensweise ihrer, meisst wohlhabenden, Patienten (4 Säftelehre ist hier das Stichwort) und behandelten "zipperlein". Mit Blutenden Wunden durften sie sich garnicht befassen und eine ordinäre Lungenentzündung oder dergleichen, betrachteten die meissten studierten Ärzte als unter ihrer Würde. Man kann sich den Studierten Arzt aus heutiger Sicht also eher als Therapeut, denn als Arzt, wie wir ihn kennen vorstellen. Die meissten Leute gingen mit Verletzungen zum Baader, der sein Handwerk in der Tat hervorragend verstand. Knochenbrüche und offene Wunden, solange sie nicht schmutzig wurden, waren für einen geübten Baader kein Problem. Bei Krankheiten im heutigen Sinn suchte man tatsächlich jemanden auf, der dem "Kräuterweib" unserer Vorstellung sehr nahe kommt. Meisstens waren das alte Wittwen, die ähnlich wie viele Großmütter der Vorkriegsgeneration durch ihre hohe Lebenserfahrung diverse Hausmittelchen kannten, die bei vielen kleineren Problemen, die manch einen zum kiloweisen Schlucken von Antibiotika verleiten, noch heute helfen und sich damit ihren Lebensunterhalt verdienten, weil sie für die Feldarbeit zu alt waren. Amsonsten wurden Heilkundige Frauen und solche die es werden wollten im Mittelalter in der Tat eher Nonne denn Fackel. Wir erinnern uns an die Klöster als Bewahrer des antiken Wissens? Gerade die Bettelorden der Franziskaner und Dominikaner machten die Pflege der Armen und Kranken zu einer ihrer wichtigsten Aufgaben. In den meissten Klöstern wurde kein ernsthaft Kranker abgewiesen und in kaum einer Stadt gab es kein Spital, das zwar hauptsächlich für die Versorgung von Reisenden, Armen und Pflegebedürftigen da war, aber in der Not auch Kranke versorgte. Zum Abschluss: Die meissten schweren Krankheiten, gegen die man im Mittelalter machtlos war, wurden erst zum Beginn des letzten Jahrhundets besiegt, und zwar durch die eher zufällige Entdeckung des Penizillin. Für den Gedanken, der Ort einer offenen Operation sollte penibel sauber gehalten werden, endete noch in den 20er Jahren für einige Vordenker der Hygiene ihre Karriere abrupt. Einen hat man in eine Irrenanstalt gesteckt. Wir sollten uns also nicht anmaßen, in irgendeiner Weise auf die medizinischen und wissenschaftlichen Leistungen unserer Vorfahren herabzublicken. "Wir sind Zwerge auf den Schultern von Riesen. Wir sind höher und können weiter blicken als sie, aber nur, weil unser Weniges zu ihrem Vielen hinzugezählt wird." Amen.