Thomas W.
Moderator
Die einen sagen es so... die anderen so... ^^ Wie steht ihr dazu? Anbei noch ein kurzes Video mit ein paar wenigen Beispielen als Einleitung dazu: [media]https://www.youtube.com/watch?v=TVL46CM9k80[/media] (Quelle: youtube.com)
Da widerspreche ich, denn genau das ist ja der Unterschied zu heute.Tod's Workshop schrieb:[...] If it looks good from 3 or 4 meters away then you have done your job as a swordsmith. [...]
Die Prioritäten dürften schlicht verschieden sein, zumindest wenn es um Waffen und Rüstungen geht. Heute will der Kunde in erster Linie mit dem Zeug protzen und nicht kämpfen. Wenn im Original eine Scharte war, dann wurde sie halt ausgewetzt. Und danach wieder feste druff. Wenn heute eine Scharte in der Replik wäre, bräche der Besitzer wohl nervlich zusammen. Zuerst kam damals wohl die Effektivität, dann erst die Optik. Das zieht sich aber auch durch bis in moderne Zeiten. Die Russen warfen im 2. Weltkrieg Panzer an die Front, die wären selbst in Kriegszeiten nicht mal ansatzweise durch die Qualitätskontrolle ihrer deutschen Gegener gekommen. Die deutschen Panzer waren viel sauberer und sorgfältiger gearbeitet - ganz abgesehen davon, dass sie einfach in der Regel besser aussahen (meine persönliche Meinung). Und jetzt die entscheidende Frage: Wer hat den Krieg am Ende gewonnen? Perfekt gegen gut genug geht halt tendentiell eher zugunsten von gut genug aus. Was also Waffen und Rüstungen betrifft ist der Unterschied zwischen Replik und Original meist klar: Die Replik ist um Längen besser als das Original, weil dem jeweiligen Käufer schlicht andere Dinge wirklich wichtig sind. Wie dieser Tod schon sagt: Das originale Original wäre heute nahezu unverkäuflich. Gehen wir aber mal weg von reinen Gebrauchsgegenständen hin zu reinen Repräsentationsgegenständen, dann wird die Argumentation nicht mehr so einfach. Denn auch Prunk und Protz, selbst königlicher, war bei näherer Betrachtung auffallend krude gearbeitet.Panzerreiter schrieb:[...] if it properly kills the enemy then you have done your job as a swordsmith.
Die wurden auf Mass gefertigt. Und jeder menschliche Körper ist asymmetrisch. Insofern ist das bei den Harnischen ein Qualitätsmerkmal. (Wie das gemacht wurde ist sehr gut bei Soyener/ Mondfeld: Der Meister des siebten Siegels beschrieben.)Viele originale Harnische haben Asymmetrien, die einen organischen Eindruck ergeben...
Interesant finde ich den Aspekt auch bei Kleidung,denn wir - Menschen des 21.Jahrhunderts - sind es in der BRD gewohnt Kleidung zu tragen,die "vollständig","in Ordnung" ist,wenn die Hose ein Loch hat -- bei rumtobenden Kindern kann das schnell mal passieren - wird eben eine neue Hose gekauft...bei KIK und Co. für 10 Euro oder drunter. Noch bei der Generation unserer Eltern war es normal,dass die Hose des Kindes geflickt wurde,ebenso wurden Schuhe erstmal zum Schuster gebracht und erst wenn sie absolut nicht mehr getragen werden konnten,aussortiert.Auch findet man immer wieder sehr sehr grob gearbeitete Ausführungen, wenn man an Stellen vom Stück blickt, die verdeckt oder schwer einsehbar sind. Z.b. die Rückseite von Schwertscheiden, mögen sie auch auf der Frontseite aufwendig gearbeitet sein.
Deswegen wundere ich mich auf einigen Mittelaltermärkten auch immer wieder,wenn dort Ritter(darsteller) ihr blankpoliertes Schwert am Gurt hängen haben. oder noch besser: im "Schwertständer" vor (!) dem Zelt! Wenn überhaupt Zelt,dann hatte ein Ritter das Schwert im (!) Zelt verwahrt,wenn er es nicht "am Mann" trug. Und ein Schwert war wie ein Schild auch ein Gebrauchs(!)gegenstand. Auf einem ziemlich guten Wikinger-und Slawenmarkt habe ich "Wikis" mit Schildern (schaukampftauglich) gesehen,die Schilder waren durch Schwert- und Axttreffer eingefranst,eingebeult aber eines nicht:glattpoliert.Wie Schnazel schon schreibt, ist der perfekte und makellose Look mit enorm viel Handarbeit verbunden gewesen. Das hat man damals auch bezahlen müssen und dementsprechend auch wollen müssen.
Oder der Handwerker hat es einfach mangels Fachkenntnis nicht besser machen können. Alternativ könnte es auch ein missglückte Produktion sein. Nach dem Motto "Besser als nichts". Wenn ich einen Nachbau mache, halte ich mich an "Möglichst nah dran, aber nicht perfekt" Da erstens, nicht alle Materialien, die man damals verwendet hatte, heute zu erhalten bzw. sehr schwer zu besorgen sind. Zweitens, die Verarbeitungstechniken nicht so geläufig sind und deshalb etwas nicht so perfekt wie das Original gearbeitet ist.Es könnte auch daran liegen, dass ein Schwert für eine höhergestellte Persönlichkeit auch ein kurzfristig besorgtes Geschenk gewesen sein könnte, bei dem die Handwerker einen gewissen Zeitdruck hatten und nicht so sorgfältig arbeiten konnten, wie sie es eigentlich bei normalen Aufträgen hätten tun können.
Ich bin diesbezüglich absolut der gleichen Meinung. :thumbup:Oder es hat die Leute damals einfach nicht groß gejuckt, wenn die Dinge nicht industriell-gleichmäßig perfekt waren. Bestes Beispiel aus 'meiner' Zeit - Seidenbesätze, die ohne jegliche Rücksicht auf deren Muster zerschnippelt und dann aufgenäht wurden. Egal ob's bescheuert aussieht, Hauptsache Seide ;-) Scheint definitiv zu manchen Zeiten ein anderes Ästhetikempfinden gegeben zu haben als unseres heute.
Dito, keine meine Rede. Habe dafür in der Vergangenheit oft Gegenwind bekommen, aber ist absolut mein Eindruck. Bei der Herstellung meiner Sachen möchte ich das auch immer gern einfangen, also eine organische Anmutung. Das gelingt mir meist dann, wenn ich nicht zu sehr drüber nachdenke und relativ schnell arbeite. Dann wird alles leicht unregelmäßig. Außerdem wenn mal ein Stück Leder nicht passt beispielsweise oder ebenso beim Stoff, ja dann wird da halt ein Flicken eingesetzt bevor ich eine neue Haut besorge. Wenn man dann die Sachen auch mal richtig nutzt, sie nicht mit Samthanschuhen anfasst und auch mal repariert (Mottenlöcher an der Kleidung, mal ne Scharte im Schwert, ne Delle in der Rüstung) finde ich das ganze Ensemble gleich viel glaubhafter und lebendiger als nach modernen Standard gefertigte Vitrinenstücke.Die Frage ist sicherlich auch irgendwo jene der Notwendigkeit. Bei Radschlosspistolen (auch höherwertigen) sind z.B. die Laufunterseiten oftmals nur grob gesäubert, nicht befeilt, geschweige denn poliert, weil die Seite eh vom Schaft verdeckt wird. Bei Kunstwerken in Kirchen ist es oft ähnlich, nicht selten ist alles gerade so gearbeitet, dass die Schauseite gut aussieht. In Diözesanmuseum in Osnabrück gibt es eine auf Entfernung sehr repräsentativ gearbeitete Truhe für Reliquien, bei der die Beschläge von nahmen die letzte Flickschusterei sind (keine Reparaturen, sondern von Anfang an so) - was aber egal ist, wenn die Kiste nur auf Distanz gesehen wird (und genau das ist beim Altarraum ja gegeben). Die Liste ließe sich noch fortführen, ich kenne z.B. eine eigentlich recht aufwändig gemachte Truhe aus dem 15. Jhd., da ist an einer Ecke ein umgearbeitetes Hufeisen auf dem Deckel zwischen die Beschläge gequetscht worden, weil ein Beschlagband zu kurz war (auch das wohl keine spätere Reparatur). Bei Allltagsgegenständen eigentlich noch schlimmer (der bekannte Schürhaken aus Schleswig ist da ein gutes Beispiel, die Torsion da ist ja auch sehr... eigenwillig. ;-) (Was aber natürlich dennoch keine Begründung für irgendwelche unsauberen, nicht mal entzunderten Schmiedereien o.ä. sein soll ;-) ). Letztens lag mir ein sehr gut punziertes Gürtelfragment vor (wohl frühes 15. Jhd.), bei dem die Beschläge dann aber ziemlich schräg, unsauber und teils die Punzierung verdeckend "draufgequetscht" wurden (es sah so aus als wäre der Handwerker betrunken gewesen). Und das lässt sich endlos fortführen. All diese Dinge sind aber idR. nicht mit Einbußen bei der Qualität (außer der optischen) verbunden und lassen sich wohl am ehesten mit Preis- und Zeitersparnis -und dem auch heute nicht gerade unbekannten Maß an Pfusch? - erklären (vielleicht war das Empfinden bei solchen Dingen mangels industrieller Massenproduktion auf CNC und Co. auch anders?). Im Vergleich mit originalen Stücken fällt jedenfalls sehr oft auf, dass Repliken aus diversen Bereichen (nicht nur Waffen, auch besonders Keramik usw.) zu "klinisch" sind. Daher ist das Thema für die Darstellung auf jeden Fall ein wichtiger Ansatz.
Enter your email address to join: