Vielen Dank für Eure Tips, leider sträubt sich der Versand noch immer, sich näher zu den verwendeten Materialien zu äußern. Wenn ich Beate richtig verstehe, bezieht sich Gaze bzw. Musselin auf die Webart, und nicht auf den verwendeten Faden. Muß also noch warten. @ Fylgia, danke für den Airbrush-Vorschlag. Ich hatte auch daran gedacht, allerdings sieht dieses Verfahren immer künstlich aus, wenn man nicht später Hand anlegt. Dazu wäre es wichtig, ein Färbemittel zu finden, daß nicht sofort trocknet. Am besten wäre eine Art Pulver, daß man in den Stoff reibt, und bei dem man den Effekt, je nach angewandtem Druck, stufenlos variieren kann. Zu einem ausgedehnten Regenlager habe ich leider nicht die Zeit, und ich glaube auch nicht, daß der Effekt ausreicht, um Einflüsse verschiedenster Witterungsverhältnisse bzw. von Zeit stark genug zu simulieren. Ich müßte wahrscheinlich ein paar Jahre mit demselben Stoff am Körper die Welt umwandern, und das geht leider nicht. @ Beate: Das hieße ja, daß etwas, nur weil es realistisch ist, auch gleichzeitig schon glaubwürdig sein muß
Daß das nicht stimmt, weißt Du bestimmt besser. Ja, es gibt den Tag (oder die paar Tage) im Leben eines Menschen, da er neue Kleidung oder Ausrüstung vom Schneider bzw. Schmied abholt, aber diese Momente sind nicht stellvertretend für das Gesamtbild. Wenn Du Dich ausschließlich unter Reenactment-Spezialisten bewegst, erübrigt sich alles weitere Nachdenken. Aber ich habe weder die Zeit noch die Möglichkeit, mich für mehr als ein paar wenige Tage im Jahr (wenn überhaupt) in einen fremden Charakter zu begeben, bzw. Leute zu treffen, die das gleiche tun. Villeicht kommst Du auch nur in Kontakt mit Besuchern, die sich die Zeit nehmen und sich ausführlich von Dir informieren lassen, also mit der nötigen Offenheit und Neutralität einem für sie fremden Thema gegenübertreten. Ich selbst sehe mich aber nicht in einem solch exklusiven Umfeld, sondern wohl eher auf öffentlichen Großveranstaltungen, bei denen niemand stehenbleibt und fragt. Da entscheidet wohl hauptsächlich der erste Augenblick über "gelungen" oder "verkleidet". Ich glaube nicht, daß die Hälfte aller dargestellten Charaktere auf einer entsprechenden Veranstaltung gerade beim Schneider waren, aber ihre Darsteller waren es mit Sicherheit. Es gibt ganz klar Tage im Leben eines Charakters bzw. dessen Kleidungs- und Ausrüstungszustand, die typischer sind als andere, und die somit über das Ergebnis des ersten Augenblicks entscheiden. Also muß meine Kleidung fertig sein, bevor ich sie das erste Mal anziehe. Vielen Dank für die Idee mit dem Flohmarkt, villeicht bringt es mir etwas, wenn ich herausfinde, was für Stoffe in meiner gesuchten Zeit getragen wurden, dann könnte ich nach dem Gewebe suchen, und später daraus etwas nähen lassen. Das Hauptziel von Masken-und Kostümbildnern ist Reihe X bis Y des jeweiligen Theaters, sie können keine Rücksicht auf die nächsten bzw. erntferntesten Plätze nehmen. So sehen die einen, wie es gemacht ist, während die anderen gar nichts erkennen. Die Mehrheit der Besucher sieht aber das, was sie sehen sollen, und genau darum geht es. Ich kann ein Bild so malen, daß es nur von weitem erkennbar ist und man von nahem höchstens Farbflächen sieht, und umgekehrt. Der Trick ist halt, diesen Effekt subtil genug anzuwenden, sodaß er der Größe des eigentlichen Objekts entspricht, unter Berücksichtigung des geringstmöglichen Betrachtungsabstands. Das willst Du jetzt nicht hören, weil es weder authentisch noch realistisch ist, aber ich würde mit Dir wetten, daß ein geübtes Masken/Kostüm-Team, mit den Vorgaben 1:1 Maßstab und "Nasenlänge", die realen Haut- bzw. Knochenpartien und die authentische Kleidung eines historischen Darstellers derart unterstreichen kann, daß sich auch der größte Skeptiker fragen müßte, ob dieser ihn verstehst, wenn er ihn auf normalem Hochdeutsch anspricht. Nun bin ich leider kein Masken- oder Kostümbildner, aber da diese Bereiche genauso zu einer gelungenen Darstellung gehören, wie das Kaufen und Anlegen von Gewändern und Rüstungsteilen, finde ich es wichtig, es zumindest mal selbst auszuprobieren. Natürlich kann es nicht Sinn der Übung sein, eimerweise Schminke aufzutragen. Im Gegenteil, ich glaube, daß man so weit über das Ziel hinausschießt. Aber ich kann mir vorstellen, daß man mit einfachen Mitteln langwierige, natürliche Prozesse beschleunigen kann. Villeicht muß man sich dazu erst einmal stundenlang mit der Stoffbearbeitung beschäftigen bzw. mit Möglichkeiten, sein Gesicht wettergegerbter erscheinen zu lassen, als das des durchschnittlichen Büromenschen, aber es von vornherein abzulehnen hieße, sich mit halben Ergebnissen zufriedenzugeben. Nein, die Leute im Mittelalter haben das ja auch nicht gemacht, aber viele von denen hatten äußere Bedingungen, die das für sie erledigt haben, und die wenigsten MA- und/oder LARP-Enthusiasten haben die Zeit dazu, sich täglich Wind und Wetter auszusetzen. Ja, und auch wenn ich jemanden darstelle, der nie nach draußen geht und auch nie arbeitet, muß ich vorher Gesichter und Hautfarben von Menschen studieren, die so etwas tatsächlich (nicht) praktizieren. Auch um ein solches, gegenteiliges Aussehen auf rein natürlichem Wege zu erreichen, müßte man sein Leben drastisch umstellen. Ich verstehe schon, daß es vielen darum geht, das Mittelalter am eigenen, modernen Leibe zu erfahren, und zu sehen was passiert, wenn man nach bestem Wissen das nachlebt, was man den historischen Quellen abringen kann. Unabhängig von der Wirkung auf Aussenstehende. Auch, daß es demzufolge eben noch gar kein belegbares oder typisches Bild geben kann, weil dieses aktive Nachvollziehen ein noch viel zu neues Wissenschaftsgebiet ist. Ich kann auch nicht entscheiden, ob und inwieweit man die damaligen Gegebenheiten simulieren kann, ob es villeicht Einflüsse gibt, die noch gar nicht erkannt wurden, und die mögliche Ergebnisse derart beeinflussen, daß es ein heutiger Mittelaltermensch schwer hat, sein historisches Vorbild äußerlich zu erreichen bzw. überhaupt wissen kann, wann und ob dieser Fall eintritt, wenn es doch gelingen sollte. Selbst realistisch einzustufende Bildquellen aus späteren Epochen weisen oftmals so erhebliche (allein physiognomisch bedingte) Unterschiede zu heutigen Menschen auf, daß man sich erschrecken würde, wenn man den Portraitierten auf der Straße begegnete, während andere, zum Teil viel ältere Werke, (z.B. antike Statuen) oft ein fast vertrautes Bild vermitteln. Aber fast vertraut oder erschreckend, und das beziehe ich nur auf mich, je fremdartiger und unnachvollziehbarer (und damit meine ich nicht "künstlicher" oder "verzerrter") eine Darstellung aus einem nicht zeitgleich erlebbaren Bereich ist (ob historisch, mythologisch, außerirdisch), umso glaubhafter ist ihre Wirkung auf mich. Es ist villeicht banal, aber trotzdem eine Tatsache.