Petition für ein Begräbnis für Friedrich Brandt

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Hallo Leute, in Anbetracht des heutigen Jahrestags wollte ich mal auf eine Petition hinweisen, die ich grade selbst unterschrieben habe: Friedrich Brandt war ein junger Hannoveraner, der in Waterloo auf englischer Seite in der King´s German Legion kämpfte. 2012 wurden seine Überreste gefunden und anhand einiger Gegenstände die er bei sich hatte identifiziert. Seine Knochen liegen jetzt in Waterloo im Museum des Besucherzentrums. Ich halte es für richtig, daß Friedrich Brandt seine letzte Ruhe findet und nicht als Sehenswürdigkeit in einer Vitrine ausgestellt wird. Wer dies auch so sieht, kann die Petition hier finden: https://www.change.org/p/board-of-d...-display-at-the-lion-s-mound-museum-amp-visit Danke!
 
Geh ich nicht mit d'accord, tut mir leid. Ich denke nicht, dass es ihn noch interessiert wo und wie er liegt. Und mich persönlich würde es mit Stolz erfüllen und freuen wenn ich wüsste, dass ich nach meinem Tod noch so einen Nutzen hätte.
 
Kann man geteilter Meinung sein. Einerseits, stimmt, wurde der Herr nicht gefragt, ob er damit einverstanden wäre, nach seinem Tod ausgestellt zu werden. Wenn wir schon so was wie Organspendeausweise etcetera für notwendig erachten, also den Willen einer Person, was nach ihrem Tod mit ihrem Körper passiert, als wichtig einschätzen, dann sollte man diesen moralischen Maßstab auch posthum bei anderen Leuten anwenden. Andererseits ist Herr Brandt ja nicht der einzige Mensch, der ohne sein Einverständnis in Museen rumliegt. Viele liegen dort sogar entgegen ihrem ausdrücklichen Wunsch (diverse Mumien). Wenn wir also mit Herrn Brandt anfangen, dann müssten wir unsere Museen weltweit konsequenterweise von allen menschlichen Überresten leeren. Ich kann sowohl das eine (wird beerdigt) wie auch das andere (bleibt in der Vitrine) akzeptieren. Was ich aber nicht akzeptiere ist, dass wieder mal irgendein Einzelfall hochgejubelt wird, anstatt konsequent, in allen entsprechenden Fällen, unsere Moralvorstellungen zu hinterfragen und ein generelles, allgemeingültiges Grundprinzip zu schaffen. Bei F. Brandt ist es so wichtig, dass man Petitionen dafür startet, bei allen anderen nicht? ?(
 
Um das mal kurz klarzustellen - es geht mir mit meinem Post nicht darum, daß dieser Einzelfall jetzt anders ist als alle anderen, sondern einfach um mein Bauchgefühl...und ich finde es falsch, menschliche Überreste öffentlich auszustellen. Seien es nun Mumien aus Ägypten oder Südamerika, Moorleichen, Skelette aus diversen Kriegen oder was einem halt sonst noch so einfällt. Für mich hat das etwas mit dem Respekt vor menschlichem Leben zu tun, ob es nun vor mehreren Jahrtausenden, vor zweihundert Jahren oder gestern endete. Nicht zuletzt hat man es ja auch für richtig gehalten, Richard III. nach der Entdeckung seiner Überreste unter einem Parkplatz wieder beizusetzen und tut das soweit ich weiß auch mit anderen Knochen aus alten Friedhöfen, die man bei Erdarbeiten zufällig findet. Und wo bitte liegt das Problem, beispielsweise eine 3D-Replik der Knochen anzufertigen und auszustellen, wenn es denn aus museumspädagogischen Gründen für wichtig erachtet wird, die Fundsituation darzustellen?
 
Das stimmt, darüber kann man geteilter Meinung sein. Ich erinnere ebenfalls an die Diskussion um die "Körperwelten". Katharina, man könnte Deiner Liste noch die unzähligen Reliquien hinzufügen - bei denen für diesen Zweck die Leichen sogar zerstückelt wurden. Naja, anderes Thema vielleicht... Es spricht auf jeden Fall nichts dagegen, auf diese Petition hinzuweisen. Danke, Katharina! Was den Einzelfall betrifft, so ist es vielleicht "schändlicher", dass es für die anderen keine Petitionen gibt. Ich weigere mich jedenfalls, mir bestimmte Ausstellungen anzusehen aus Gründen der Pietät. So kann man auch abstimmen.
 
Und was ist mit den Grabbeigaben, die nun in den Museen ausgestellt sind? Alle wieder eingraben, nachdem sie einmal durch den 3D Scanner gelaufen sind? Gehörte ja auch den Toten. Und wer hätte das Recht über die Art der Beisetzung von Gebeinen zu entscheiden? Die Petition scheint mir reichlich Egoistisch, da ihr Ziel dem einzigen Betroffenen egal sein wird und nur der Beruhigung der konservativen (christlichen?) Gemüter der Unterzeichner dient. Mir sind jedenfalls die Gebeine eines, seit 200 Jahren verstorbenen, Menschenaffens sentimental nicht näher, als die eines anderen Tiers. Menschliches Leben respektiere ich dort, wo es (nachweislich) vorhanden ist. Und weils lose zum Thema passt: http://www.theonion.com/article/archaeological-dig-uncovers-ancient-race-of-skelet-1268
 
Finde ich sehr gut, danke für die Mitteilung! "Die Würde des Menschen ist unantastbar", das endet auch nicht mit dem Tod. Wem bringen ausgestellte Knochen etwas? Wer sowas will, soll doch Gunther von Hagens Gruselkabinett anschauen und sich an den Bildern ergözen...
 
Wenn wir mehr sind als die Summe aller Teile – wie viel Teil ist dann erforderlich um wieder wir zu sein. Wenn ein Arm stark ist – sind zwei Arme doppelt so stark. Doch welch Kraft ist es wenn sich 2 Gedanken vereinen? Friedrich Brandt --wer er war, was ist mit ihm geschehen -- ich habe gerade nachgeschaut. Radulf
 
...konnten noch Nachfahren ausfindig gemacht werden? Wenn ja, könnte diese Ihre Zustimmung geben, oder verweigern. Vor welchem ethischen Hintergrund jemand einer Ausstellung seiner Gebeine oder Grabbeigaben zugestimmt oder sie verweigert hätte, ist letztendlich reine Spekulation. Dem einen hätte es vielleicht gefallen auf diese Art zu "Ehren" zu kommen, dem anderen nicht. Wichtig ist doch, mit welchem Respekt wir heute menschlichen Überresten und Totenbeigaben gegenüber begegnen. Es waren Menschen, die, wenn sie später geboren worden wären, unsere Nachbarn, Freunde oder Kinder hätten sein können. Wenn dieser Respekt weder in der Art der Ausstellung noch in der Art wie wir der Ausstellung begegnen nicht fehlt, ist schon viel erreicht. Es kommt also auf uns selber an, den ausgestellten menschlichen Überresten bzw. Beigaben nicht ihre Würde zu nehmen. Dazu sind auch die Museen aufgefordert. Reine Zurschaustellung von Körperteilen und Menschen in verschiedenen Körperhaltungen ZurBelustigung und zum Gruseln von Besuchern lehne ich dagegen ab. Gruß, Luanda
 
Auch wenn es auf den ersten Blick sehr gegensätzlich wirkt, so weit auseinander liegt Ihr Beiden vermutlich gar nicht, Katrin und Panzerreiter. Euch beiden liegt an der Würde der Verstorbenen. Um eine Lawine ins rollen zu bringen, benötigt es oft einen ersten Stein. Ich habe mich schon oft gefragt - beim lesen von Fundberichten, aber auch besonders in Museen, wo Grabflederei anfängt. Bei der Frau vom Huldremose, habe ich mich auch gefragt, ob es nötig ist, im schlimmsten Moment des Lebens erstarrt für immer, ausgestellt zu werden. Liest man zB Fundberichte aus den Anfangen der Archäologie, wo man einen ganzen Friedhof bewusst plünderte, die Mumien achtlos auszog und weg warf, dann sind wir bis heute schon einen weiten Weg gegangen, der aber noch nicht zu Ende ist.
 
Und jetzt wieder mein innerer Advocatus Diaboli: Warum soll mit "historischen" Toten besser umgegangen werden als mit aktuellen? Ich habe meine Kindheit in Sichtweite eines Friedhofes verbracht. Dort werden nach Ablauf der Liegezeit die Gräber ausgebaggert und Überreste (Knochen, ganze Schädel) gehen durch den Schredder und werden dann zusammen mit der Erde zum Auffüllen von Löchern. Wenn nicht die naseweisen Kinder die Teile mit nach Hause nehmen. Mein jetziger Schwager hat damals mit Erlaubnis des Friedhofsangestellten einen Schädel mit nach Hause genommen. Also scheint die "Würde der Toten" nach 20 Jahren eh für die Katz zu sein. Warum also bei diesem nach 200 Jahren eine Ausnahme machen?
 
Die Würde auf dem Friedhof weicht in diesem Fall einer Wirtschaftslichkeitsrechnung... bei der Verwaltung oder den Verwandten, die nicht länger Gebühr zahlen wollen. Je nach religiöser Überzeugung ist ja eine solche Praxis nicht überall üblich (siehe jüdische Begräbnissstätten). - Abgesehen davon: Ich persönlich würde nicht wollen, dass einer meinen Schädel z.B. als makabren Kerzenständer auf dem WGT benutzt, allerdings stört mich nicht, als Organspender ausgeschlachtet zu werden oder als Übungsobjekt auf dem Seziertisch einer Uni zu landen. Den Rest möge man dann aber bitte verbrennen und nicht ausstellen. Dafür gibt es heute Verträge etc.pp. Was den Friedrich Brandt betrifft: Da er ganz sicher hoffte, nach seinem wahrscheinlichen Tod auf dem Schlacht(!)feld entsprechend der damals üblichen Praxis "zu seinen Ahnen" gehen zu können, halte ich es für richtig, diese Knochen zu beerdigen und nicht als morbiden Beweis (Hier starben wirklich menschen... z.B. der hier) in eine Vitrine zu legen.
 
...konnten noch Nachfahren ausfindig gemacht werden? Wenn ja, könnte diese Ihre Zustimmung geben, oder verweigern.
Damit gehe ich konform... Die Zustimmung oder Ablehnung obliegt m.M.n. den nächsten, noch auffindbaren / überlebenden Verwandten, sonst niemanden... Also sofern nicht ein entsprechend abweichendes Pamphlet / Testament / Willenserklärung / sonstiges ähnliches des Verstorbenen vorliegt... Und über die "Unantastbare Würde und das Recht auf Selbstbestimmung" auch nach dem Tode, nun, darüber kann man sich mit Sicherheit nicht nur Nächte-, sondern sogar ganze Dekaden- oder gar Millenien lang vortrefflich streiten, diskutieren und dabei letztlich doch zu keinem Ergebnis kommen, qed... (...vor allem dann nicht, wenn irgendwelche "Staatsreligiösen" konservativen Obrigkeiten ihre ignoranten Finger mit im Spiel haben... ;) ) Und deswegen (versuche) ich, auch gar nicht erst damit anzufangen / mitzumachen... ;) ^^ LG Halfdan Horntrinker
 
Jetzt mal ganz Ketzerisch von mir, mal ganz weg von meiner Meinung zu Menschenwürde und Totenruhe (denn das könnte ein Roman werden): Was würde das eigentlich in der Konsequenz bedeuten? Wenn eine Grabstätte noch existiert (die Gruft der Medici in Florenz ist da ein hübsches Beispiel), besteht kein Problem, die Überreste (von mir aus nach wissenschaftlicher Untersuchung) wieder zu bestatten. Aber was ist mit allen anderen? Und vor allem - für wie viele Jahre zurückliegend? Was ist mit den ungeordneten Gebeinen, die bei Bauarbeiten gefunden werden, wenn alte Friedhöfe heute Bauland geworden sind? Untergraben und das Zierbeet drauf? Ist das würdevoller? Was machen wir mit Nicht-Christen? Bestatten wir auch die Knochenfragmente des Neanterthalers? Wenn jeder gefundene Tote in Deutschland auch nur ein Urnengrab bekommt, könnte es knapp werden mit landwirtschaftlichen Flächen. Oder sollten nur Gebeine bestattet werden, die fast vollständig sind und/oder deren Namen wir kennen? Und damit jetzt keiner gleich einen Herzanfall bekommt: Nein, mir passt das Ausstellen menschlicher Überreste auch nicht. Aber wenn man die Sache durchdenkt, lande ich immer wieder bei den oben gestellten Fragen, auf die ICH keine gute Antwort weiß.
 
Es macht mich betroffen, wenn die sterblichen Überreste eines Menschen, der auch für meine Sprache und Identität gefallen ist, einfach so ausgestellt werden wie die Knochen eines Moorhunds im Museum. Vorallem , da ja andiesem Skelett das besondere nur ist, das der Tote einen Namen hat. Ansonsten ist es das Skelett eines Menschen. dieser glaubte wahrscheinlich an die Auferstehung des Fleisches, weswegen man ihn in heimatlicher Erde beerdigen sollte. Was nem Preußenkönig recht ist, sollte nem hannöverschen Soldaten billig sein. Gut, das gilt für alle anderen namenlosen ausgegrabenen Skelette ebenfalls. Aber nach google scheint es noch Verwandte der Familie Friedrich Brandt zu geben
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Momentmomentmoment. Die Überreste eines Menschen sind in erster Linie Objekt und nicht Person. Eine Wertigkeit erfahren sie durch erhaltene Willensbekundungen und die Wahrnehmung durch andere Personen - legitim vor allem durch dem Toten zu Lebzeiten nahestehende Personen. Natürlich kann man die Objekte, die Brandts Überreste nun sind, durch Forschung, eine Kampagne und Petitionen weit genug mit Wertigkeit aufladen, um ein Begräbnis nötig zu machen - aber: Das ist aus meiner agnostisch/atheistischer Sicht kein allgemeine Richtlinie - und auch kein guter Stil. Eine ordentlich gemachte Präsentation menschlicher Überreste im musealen Kontext, kann von Einzelpersonen mit guten Recht als geschmacklos gewertet werden. Sie brauchen sie sich aber auch nicht anzusehen. Solange aber nicht eine Gruppe oder Institution, die eine tatsächliche Bindungen zu den Objekten aufweisen kann, entsprechende Bitten anbringt, ist eine Ausstellung für mich grundsätzlich legitim. Leibliche Auferstehung hat nichts mit "heimatlicher Erde" zu tun! Am Jüngsten Gericht werden alle Toten erhoben, der Ort ist auf der Liste notwendiger Umstände sehr weit unten. (Gott: "Hey! Ist da drüben etwa ein Preuße unter den Franzosen? So können wir aber nicht anfangen! Loslos, jeder zu seiner Heimatgruppe, wir haben hier ja nicht von Ewigkeit zu Ewigkeit Zeit.")
 
Heidensohn, stimmt und stimmt nicht. Du kannst mal davon ausgehen, das Leute, die Christian Friedrich Brandt heißen aus Gründen, die man Tradition, heidnische Ursprünge oder sonstwas nennen will, in der Nähe ihrer Angehörigen bzw. im "Heimatort" bestattet werden wollen. Da es die Familie scheinbar noch gibt, sollten die sich dazu äußern. Nachkommen hat der sicher keine. Aber nach dem Namen wahrscheinlich Brüder ...
 
Hat zwar mit dem hier diskutierten Fall / mit der Person nicht direkt etwas zu tun, aber wo es gerade so schön zum Thema Ausstellung menschlicher Überreste, Pietät, Begräbnisriten- und Kultur paßt...: http://www.grenzwissenschaft-aktuell.de/dna-analyse-offenbart-herkunft-des-kennewick-man/ Zitat aus o. verl. Artikel...: ".../...Vertreter der lokalen Ureinwohner hingegen waren der Ansicht, dass es sich um einen ihrer direkten Vorfahren handelt und verlangten deshalb eine sofortige Rückgabe und Wiederbestattung der sterblichen Überreste.../... Quelle : http://www.grenzwissenschaft-aktuell.de/ LG Halfdan Horntrinker
 
Das Thema reizt mich zum Philosophieren ?( Mal ein paar ungeordnete Gedankensplitter:
Die Überreste eines Menschen sind in erster Linie Objekt und nicht Person. Eine Wertigkeit erfahren sie durch erhaltene Willensbekundungen und die Wahrnehmung durch andere Personen - legitim vor allem durch dem Toten zu Lebzeiten nahestehende Personen.
Das sehe ich genauso. Allerdings mit einem Zusatzgedanken: Was mit meinen Objekten nach meinem Tod geschehen soll, verfüge ich in meinem Testament. Das bedeutet, dass Objekte aus meinem Besitz post mortem auch durch meine eigene Wahrnehmung und Willensbekundung - prae mortem - eine Wertigkeit erhalten. Eine Wertigkeit, die nach unseren momentanen Prinzipien ja gesellschaftlich bindend ist. Nun gehe ich davon aus, dass ein normaler Mensch, soweit er es nicht anderweitig verfügt, seinem eigenen Körper eine große Wertschätzung entgegen bringt. Ergo gehe ich davon aus, dass er zumindest möchte, dass seine Überreste nach seinem Tod würdevoll im weiteren Sinne behandelt werden. Sollte es anders sein, so wäre das innerhalb der letzten Jahrhunderte eine signifikante Abweichung der gesellschaftlichen Norm, die eine explizite Willensäußerung verlangt. Soll heißen: Wenn der Betreffende nichts anderes nachweislich verfügt hat, dann gehe ich davon aus, dass es seinen Wünschen am wahrscheinlichsten entspricht, die lokale und temporale Standardprozedur einzuleiten. Was bei christlichen Europäern eine christliche Bestattung wäre.
Eine ordentlich gemachte Präsentation menschlicher Überreste im musealen Kontext, kann von Einzelpersonen mit guten Recht als geschmacklos gewertet werden. Sie brauchen sie sich aber auch nicht anzusehen.
Sehe ich grundsätzlich genauso, ist aber in dieser Form derzeit gesellschaftlich nicht konsensfähig. Der aktuelle moralisch-juristische Komplex kommt zu dem Schluss, dass die Freiheit, sich Dinge nicht ansehen zu müssen, nicht ausreicht, um diese auch zu legitimieren. So zu beobachen etwa bei Nacktbildern von Kindern. Es gibt also sehr wohl Vorgaben, wer diese erstellt und aufgrund welcher sachlich begründbarer Logik, sei an dieser Stelle dahingestellt, die gesetzlich oder zumindest gesellschaftlich bindend sind und im Falle einer Übertretung auch strafrechtlich/gesellschaftlich verfolgt und geahndet werden. Diese Normen befinden sich in ständigem Fluss und unterliegen ständiger Veränderung. (Besagte Bilder etwa zählten jahrhunderte-, wenn nicht jahrtausendelang als Kunst und selbst wenn nicht, dann hatte niemand etwas an ihnen auszusetzen, solange darauf keine realen schlimmen Dinge passierten. Innerhalb weniger Jahre kippte diese entspannte Sicht in ein vollkommen gegensätzliches Extrem. Ohne nachvollziehbre, sachliche Begründung, wie ich anmerken möchte, es ist einfach eine irrationale moralische Mode.) Es besteht also die nicht unerhebliche Gefahr, dass unsere heutige Sicht der Dinge nicht mit denen von (exemplarisch) Herrn Brandt übereinstimmt, obwohl wir grundsätzlich demselben Kulturkreis angehören. Ob wir uns nun nach Herrn Brandt richten sollen oder er sich nach uns, ist eine Frage, die ich stellen, aber nicht beantworten kann. Faktisch wird er sich nach uns richten müssen, aber nur, weil wir als die herrschende, machtvolle Mehrheit unsere Sicht einfach als richtig definieren können.
Was machen wir mit Nicht-Christen?
Wir behandeln ihre Überreste so, wie ihre individuelle Religion - falls bekannt - es für richtig hält.
Wenn jeder gefundene Tote in Deutschland auch nur ein Urnengrab bekommt, könnte es knapp werden mit landwirtschaftlichen Flächen.
Weshalb da mal grundsätzlich eine gesellschaftliche Diskussion um den realistischen Umgang mit menschlichen, auch den eigenen, Überresten angebracht wäre. Das quantitative Problem dabei sind gar nicht die ausgebuddelten wirklich alten Knochen, sondern die zigmillionenstarke moderne Bevölkerung. Was früher im dünnbesiedelten Lande noch möglich war, geht heutzutage einfach nicht mehr. Diese Diskussion muss aber gesamtgesellschaftlich geführt und nicht auf dem Rücken etwa von Herrn Brandt ausgetragen werden. Der macht das Kraut nicht fett, für den findet sich auf jeden Fall noch ein Plätzchen.
Oder sollten nur Gebeine bestattet werden, die fast vollständig sind und/oder deren Namen wir kennen?
Eine Frage, die von der Problematik her mehr oder weniger deckungsgleich ist mit der Frage, wann genau schützenswertes menschliches Leben beginnt. Mit der befruchteten Eizelle, schon vorher (Bibel. Onan. Sünde.), erst nach der n-ten Zellteilung, erst mit der Geburt, erst wenn der Embryo anfängt, wie ein Baby auszusehen... ? Leidenschaftlich diskutierbar, gesellschaftlich beantwortbar, objektiv rational aber nicht. Nachdem ich zu letzterer Denkweise tendiere und darob allzu oft falsch verstanden werde, diskutiere ich das an dieser Stelle nicht weiter. Nur einen Hinweis möchte ich einwerfen: Ein großer Fehler der Gesellschaft ist es imho, dass die Leute zu sehr auf exakte Grenzen fixiert sind und darüber die ganzheitlichen Zusammenhänge übersehen. Das in Verbindung mit dem Wunsch nach absoluter Sicherheit und dem Unwillen, unveränderliche Dinge einfach hinzunehmen, schafft große Probleme, wo wir eigentlich nur kleine haben müssten.
[diverse Posts, die alle vollständig zu zitieren unsinnig wäre]
Ihr sprecht zurecht eine verbreitete Problematik der gesellschaftlichen Diskussion an. Es offenbart sich die Verlogenheit unsere gesellschaftlichen moralischen Normgebung. Die "Gesellschaft", oder besser bestimmte einflussreichen Minderheiten dieser Gesellschaft, erheben ihr eigenes Dogma zur für alle anderen gefälligst bindenden moralischen und im Idealfall sogar rechtlich Norm. Dabei werden mit fadenscheinigen Begründungen subjektive Vorlieben und Abneigungen als objektiv verkauft. Wenn wir etwa Bilder von Untaten, von Leid und von schrecklichen Dingen ächten und deren Besitz unter Strafe stellen, dann gilt das natürlich nicht für uns selbst, wenn wir das vollkommen straffrei in den 8-Uhr-Nachrichten verbreiten und sehen wollen. In diesem Falle formulieren wir einfach ein Recht auf Information und können, ohne ein schlechtes Gewissen zu haben, immer wieder ansehen, wie Leute aus brennenden Hochhäusern springen, weinende Eltern ihre blutüberströmten toten Kinder in den Armen halten und Leichenberge auf Äckern liegen. Wenn ein anderer jedoch Bilder besitzt, verbreitet oder ansieht, auf denen ebenso schlimme Dinge zu sehen sind, an denen wir jetzt gerade kein persönliches Interesse haben, dann definieren wir das als verwerflich und in hohem Maße strafwürdig. Analog dazu biegen wir uns unsere moralischen Grundsätze über die Würde von Verstorbenen halt bequem zurecht, wenn wir unsere Museen füllen wollen. Das ist verlogen. Entweder wir überarbeiten unsere gesamte Moralvorstellung oder wir setzen sie konsequent um. Aber immer dann, wenn es der breiten Masse gerade passt, mit formalen Winkelzügen eine Ausnahme zu machen, halte ich für scheinheilig.
 

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